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# taz.de -- Fabrikeinsturz in Bangladesch: Was nach den Trümmern bleibt
> Zwei Jahre nach dem Einsturz des Rana Plaza sind viele Opfer nicht
> entschädigt. Die Arbeitsbedingungen in der Branche haben sich kaum
> verbessert.
Bild: Auf dem Grundstück des Rana Plaza wurde ein kleines Denkmal für die Opf…
SAVAR taz | „Das Schlimmste ist, dass mir Hoffnung gegeben wurde.“ Shafiqul
Islam ist verbittert. Der 32-Jährige hat vor zwei Jahren den Einsturz des
Rana-Plaza-Fabrikgebäudes in Bangladesch überlebt. Er erlitt Verletzungen
am Rücken und dem rechten Handgelenk, Letzteres musste mit einer
Fleischtransplantation operiert werden. Bis heute kann er mit dem Arm keine
schweren Arbeiten verrichten.
So steht es in Arztdokumenten, doch auf dem Bescheid des
Entschädigungsfonds steht „0,00“: Shafiqul Islam wird keine Entschädigung
bekommen, nur eine Pauschalzahlung, die allen Opfern des Einsturzes
zusteht.
Nicht allen geht es so wie Shafiqul: Der Entschädigungsprozess ist ein
riesiges Verwaltungsprojekt. Bei dem Einsturz am 24. April 2013 starben
1.138 ArbeiterInnen aus der Textilindustrie, fast 2.800 wurden aus den
Ruinen geborgen. Grund für den Einsturz waren wohl minderwertige
Baumaterialien, illegale Stockwerke und die Unterbringung von Fabriken,
obwohl das Gebäude nicht dafür ausgelegt war.
Der Entschädigungsfonds hat mehr als 5.000 Geschädigte ermittelt –
ArbeiterInnen, Angehörige der Toten und dauerhaft Behinderte. Bisher hat
der Fonds – verwaltet von der Arbeitsorganisation der UNO – knapp 20
Millionen Dollar an sie ausgezahlt.
Hunderte Opfer haben zudem von Nichtregierungsorganisationen (NGO)
Trainings erhalten, die sie befähigen sollen, andere Arbeiten aufzunehmen
oder Kleingewerbe zu gründen. Doch den meisten Betroffenen geht es so wie
Shafiqul Islam: sie sind noch immer arbeitslos, weil arbeitsunfähig oder
traumatisiert. Einer [1][Umfrage der NGO ActionAid zufolge] haben 55
Prozent der Überlebenden keine neue Arbeit. Immerhin: vor einem Jahr waren
es noch 74 Prozent.
## Firmen wollen nicht zahlen
Der Fonds hat unterdessen andere Probleme. Bisher konnten erst 70 Prozent
der Ansprüche ausgezahlt werden, denn [2][mehr ist im Fonds nicht
vorhanden]: Von den benötigten 30 Millionen Dollar sind erst 24 Millionen
eingegangen. Viele der Firmen haben sich lange gesträubt, einzuzahlen
[3][oder dies noch immer nicht getan].
So zahlte der Modekonzern Benetton erst auf öffentlichen Druck vor wenigen
Tagen ein. Drei deutsche Firmen, Adler Modemärkte, Kanz – Kids for Fashion
und NKD haben noch gar nicht eingezahlt. „Es gibt keinen Grund für diese
Krise“, sagt Ineke Zeldenrust von der Kampagne für Saubere Kleidung. „Statt
einen winzigen Teil ihrer Profite auszugeben, denken sich diese Modefirmen
immer fadenscheinigere Ausreden aus.“
Der Einsturz des Rana Plaza war das schlimmste Industrieunglück in
Bangladesch – auch wenn es schon davor regelmäßig zu Bränden und Einstürz…
mit Dutzenden Todesopfern kam. In den vergangenen zwei Jahren hat sich
allerdings an den Bedingungen der Arbeit wenig geändert. In einer kurzen
Phase des Aktionismus hob die Regierung eine frühere Verschärfung des
Arbeitsrechts wieder auf und der Mindestlohn wurde angehoben, allerdings
unter der Inflationsrate, sodass der Reallohn unter dem der letzten
Anhebung 2010 zurückblieb. Ohnehin ist der Mindestlohn von rund 60 Euro für
eine ausgebildete Näherin so niedrig, dass ArbeiterInnen freiwillig
Überstunden machen, um diesen aufzubessern.
## Initiativen für Arbeitssicherheit
Auf öffentlichen Druck gründeten internationale Modekonzerne nach dem
Einsturz zwei Initiativen, um die Arbeitssicherheit in Fabriken in
Bangladesch zu verbessern. Seitdem hat es an knapp 1.500 Zulieferfabriken
[4][Inspektionen] gegeben, 17 wurden geschlossen, während an den anderen
rund 50.000 Mängel festgestellt wurden. Von ihnen sind bislang 800 behoben
worden. Die Fabrikbesitzer in Bangladesch beschweren sich, dass sie auf den
Kosten der Verbesserungen sitzen bleiben, obwohl die Initiativen vorsehen,
dass diese geteilt werden.
Die Initiativen beabsichtigen auch, dass Gewerkschaftsarbeit in den
Fabriken verbessert und unterstützt wird. Einer am Mittwoch erschienenen
[5][Studie von Human Rights Watch] zufolge ist es aber bei
Lippenbekenntnissen geblieben. ArbeiterInnen aus 44 Zulieferfabriken
berichteten weiterhin von Schlägen und Beschimpfungen, erniedrigenden
Strafen wie Toilettenverbot sowie Schikanen gegen
GewerkschaftsaktivistInnen. Erst im März hatte ein Lidl-Zulieferer im
Besitz eines Deutschen zwei Fabriken geschlossen, nachdem
GewerkschafterInnen dort Sicherheitsbedenken geäußert hatten.
22 Apr 2015
## LINKS
[1] http://www.dhakatribune.com/business/2015/apr/05/survey-over-half-rana-plaz…
[2] http://www.ranaplaza-arrangement.org/fund/donors/donors
[3] http://www.cleanclothes.org/ranaplaza/who-needs-to-pay-up
[4] http://bangladeshaccord.org/progress/
[5] http://www.hrw.org/news/2015/04/22/bangladesh-2-years-after-rana-plaza-work…
## AUTOREN
Lalon Sander
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