# taz.de -- Entschädigung bei Unglücksfällen: Unternehmen drücken sich | |
> Weltweit werden Menschen Opfer des Profitstrebens deutscher Konzerne. | |
> Diese zur Verantwortung zu ziehen, ist jedoch sehr schwer. | |
Bild: Die Einsturzstelle des Rana Plaza ist mit Stacheldraht abgesperrt. | |
BERLIN taz | Beim Einsturz des Fabrikkomplexes Rana Plaza in Bangladesch | |
starben über 1.100 ArbeiterInnen. 254 Menschen verloren ihr Leben beim | |
Brand der Textilfabrik Ali Enterprises in Pakistan. Als der Merowe-Staudamm | |
am Nil im Sudan geschlossen wurde, vertrieb das steigende Wasser 4.700 | |
Bauernfamilien von ihrem Land. | |
In allen Fällen waren deutsche Unternehmen involviert – als Auftraggeber | |
oder als Ingenieure. Die Opfer haben es jedoch schwer, ihre Rechte | |
gegenüber den Firmen durchzusetzen. | |
Juristen fordern deshalb nun Gesetzesänderungen. Vor allem geht es darum, | |
dass hiesige Konzernzentralen mehr Verantwortung übernehmen für ihre | |
ausländischen Tochterfirmen und Zulieferbetriebe in aller Welt. Um das | |
durchzusetzen, sollten die „Sorgfaltspflichten“ der Firmen im Bürgerlichen | |
Gesetzbuch und Handelsgesetzbuch besser definiert werden, sagt Miriam | |
Saage-Maaß von der juristischen Menschenrechtsorganisation ECCHR. Unter dem | |
Titel „Viele Hürden, wenig Haftung“ fand dazu am Dienstag ein Kongress in | |
der Berliner Humboldt-Universität statt, den auch die kirchlichen | |
Hilfswerke Misereor und Brot für die Welt unterstützten. | |
Heute reden sich die Unternehmen oft heraus. Textilhändler argumentieren | |
dann, sie könnten gar nicht genau wissen, ob jede der zahlreichen | |
Zulieferfabriken in Entwicklungsländern sicher gebaut sei und die | |
Beschäftigten ausreichende Löhne bekämen. Das liege in der Verantwortung | |
des jeweiligen Staates und der dortigen Firmen. Gern präsentieren die | |
hiesigen Konzerne auch wenig aussagekräftige Prüfzertifikate, die | |
bescheinigen sollen, dass die Produktionsbedingungen in der Lieferkette in | |
Ordnung waren. | |
## Außergerichtliche Einigungen | |
„Organisierte Verantwortungslosigkeit“ nennt so etwas Saage-Maaß. Deutsche | |
Firmenzentralen sollten genauer nachweisen müssen, dass sie sich um die | |
Gebäudesicherheit, die Gesundheitsvorsorge und die Bezahlung der | |
Beschäftigten in den Betrieben, die für sie fertigen, gekümmert haben. Das | |
würde den ArbeiterInnen in Bangladesch, Pakistan und anderen Staaten | |
bessere Möglichkeiten eröffnen, die hiesigen Unternehmen auf Schadenersatz | |
zu verklagen. | |
Heute dagegen haben solche Verfahren meist schlechte Aussichten. Die | |
Familien der Opfer sind deshalb darauf angewiesen, außergerichtlich mit den | |
Unternehmen über Schadenersatz zu verhandeln. So streiten sich die durch | |
den Brand bei Ali Enterprises betroffenen Familien auch nach zwei Jahren | |
noch mit dem deutschen Textilhändler KiK darüber, wie viel Entschädigung | |
dieser zu zahlen bereit ist. | |
Eine weitere Verbesserung im deutschen Zivilrecht bestünde darin, den | |
Klägern auf Schadenersatz eine umfangreichere Einsicht in die Unterlagen | |
des Unternehmens zu ermöglichen. Heute können die Konzerne die Ansprüche | |
oft dadurch abwehren, dass sie Akten nicht herausrücken. Auch Sammelklagen | |
auf Schadenersatz könnten die Situation verbessern. Zurzeit können nur | |
Individuen solche Ansprüche geltend machen, was bei Fällen mit Tausenden | |
Geschädigten zu hohen Kosten führt. | |
Solche konkreten Verbesserungen stehen nicht in dem Antrag „Gute Arbeit | |
weltweit“, den die Große Koalition demnächst im Bundestag verabschieden | |
will. Jedoch sehen auch Union und SPD die Notwendigkeit, dass die | |
Unternehmen mehr tun, um die Verhältnisse in ihren Produktionsketten zu | |
verbessern – allerdings vornehmlich freiwillig. Am Donnerstag startet die | |
Bundesregierung den Beratungsprozess für einen Nationalen Aktionsplan für | |
Wirtschaft und Menschenrechte. | |
6 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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