# taz.de -- Müll im Meer: Makrelen mit Mikroplastik | |
> Speisefische aus Nord- und Ostsee sind mit Kunststoff belastet. Die | |
> Auswirkungen sind unklar. Umweltschützer und Wirtschaft fordern Ende der | |
> Verschmutzung. | |
Bild: Schmackhaft geräuchert, aber vielleicht bedenklich: Makrelen aus der Ost… | |
HAMBURG taz | Kim Detloff sieht seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt: | |
„Diese Ergebnisse sind beunruhigend“, sagt der Meeresexperte des | |
[1][Naturschutzbundes (Nabu) Deutschland]. Denn in Speisefischen aus Nord- | |
und Ostsee haben Wissenschaftler des [2][Alfred-Wegener-Instituts (HWI)] in | |
Bremerhaven Plastikteilchen nachgewiesen. Und die könnten nicht nur die | |
Fische kontaminieren, sondern auch Menschen, auf deren Tellern sie landen. | |
„Das muss genauer untersucht werden“, fordert Detloff im Einklang mit | |
Matthias Keller, Geschäftsführer des Hamburger | |
[3][Fisch-Informationszentrums (FIZ)] der deutschen Fischwirtschaft: „Die | |
Auswirkungen auf den Menschen müssen erforscht werden“, sagt Keller. | |
In zwei jetzt veröffentlichten Studien haben AWI-Biologen nachgewiesen, | |
dass auch Fische in Nord- und Ostsee sowie Meeresschnecken die Plastikteile | |
fressen. Dafür untersuchten sie Mageninhalt und Verdauungstrakt von 290 | |
Makrelen, Flundern, Heringen, Dorschen und Klieschen. Dabei stellten sie | |
fest, dass Makrelen deutlich häufiger Mikroplastik verschlucken als Heringe | |
oder Plattfische. „Die Ursache dafür liegt vermutlich im Fressverhalten“, | |
sagt Studienleiter Gunnar Gerdts. Mikroplastik treibe oft in hoher Dichte | |
an der Wasseroberfläche und ähnele damit frisch geschlüpften Seenadeln, auf | |
die Makrelen Jagd machen. | |
Ob die verschluckten Plastikreste die Fische krank machen, können die | |
Forscher nicht sagen, auch Folgen für den Menschen lassen sich noch nicht | |
abschätzen. Viele Partikel befinden sich in den Verdauungsorganen, vor dem | |
Verzehr nehme man aber die Fische aus. Denkbar sei jedoch, dass sich im | |
Fischdarm schädliche Chemikalien aus dem Kunststoff lösen und dadurch in | |
den Körper des Tieres gelangen könnten. „Wir sind mit der Erforschung der | |
Effekte noch ganz am Anfang“, sagt AWI-Forscher Lars Gutow. | |
Mikroplastik sind fast unsichtbare Teilchen von weniger als fünf | |
Millimetern Größe – vor allem aus Polyethylen, Polypropylen, Polyester und | |
Polyamid. Viele dieser winzigen Partikel stammen direkt aus Duschgels, | |
Zahnpasta oder sonstigen Artikeln mit Peeling-Effekt. Auch Bruchstücke von | |
Plastiktüten sowie Fasern, die durch Abrieb und Zersetzung von | |
Plastikgegenständen oder Fleecekleidung entstehen (siehe Kasten), zählen | |
zur Mikroplastik. Im Wasser treibend zieht Mikroplastik wie ein Magnet | |
hochgiftige Schadstoffe wie Polychlorierte Biphenyle (PBC) oder das | |
Insektizid DDT an. Diese können nachweislich bei Muscheln Zellveränderungen | |
nach sich ziehen, ob das bei Verzehr auch auf Menschen zutrifft, ist offen. | |
Von einem „riesigen Problem“ spricht Kim Detloff, der beim Nabu das Projekt | |
„Fishing for Litter“ leitet. Dabei werfen Fischer auf Nord- und Ostsee den | |
Müll, der sich in ihren Netzen findet, nicht mehr wie bisher ins Meer | |
zurück, sondern bringen ihn an Land. In den Häfen kümmern sich die | |
Umweltschützer vom Nabu um Entsorgung oder Recycling. Allein im vorigen | |
Jahr wurden auf diese Weise laut Detloff 17.000 Tonnen Müll abgefischt. | |
Der Müll besteht „bis zu 25 Prozent aus Textilfasern“, sagt Detloff. Vor | |
allem Fleecestoffe drohen zu einem ökologischen Desaster zu führen. Der | |
erste Schritt wäre es, Waschmaschinen mit sehr viel effektiveren | |
Fusselsieben als bisher auszustatten, sagt Detloff. In den Kläranlagen | |
müssten die Abwässer noch strenger gesäubert werden. Und der belastete | |
Klärschlamm dürfe nicht weiterhin als Dünger auf die Äcker kommen, sondern | |
müsse als Sondermüll in die Verbrennungsanlage gebracht werden, fordert | |
Detloff. | |
Fische gehörten zu den am besten untersuchten Lebensmitteln, sagt hingegen | |
Claus Ubl vom [4][Deutschen Fischereiverband] in Hamburg: „Es gibt keine | |
Erkenntnisse, dass Fische aus Nord- und Ostsee nicht zum Verzehr geeignet | |
sind.“ Keller vom FIZ weist darauf hin, dass Fänge jetzt schon | |
stichprobenartig auf Belastungen mit Blei, Cadmium oder Quecksilber | |
untersucht würden. „Wenn die Wissenschaft uns sagt, nach welchen Stoffen | |
gesucht werden soll, geht das“, so Keller. Die sicherste Methode sei aber | |
zu verhindern, dass Kunststoffe aller Art überhaupt ins Wasser gelangten. | |
12 Jan 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nabu.de | |
[2] https://www.awi.de | |
[3] http://www.fischinfo.de/ | |
[4] http://www.deutscher-fischerei-verband.de/ | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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