| # taz.de -- Mikroplastik in Kosmetika: Ein Problem wird wegdefiniert | |
| > Angeblich haben sich die Kosmetikhersteller verpflichtet, bis 2020 auf | |
| > Mikroplastik zu verzichten. Sie entscheiden selbst, was unter die Zusage | |
| > fällt. | |
| Bild: Nein, das ist nicht lecker | |
| Berlin taz | Winzige Plastikteilchen aus Kosmetikprodukten, die in Gewässer | |
| gelangen und sich in den Mägen von Fischen sammeln, sind als Problem schon | |
| lange bekannt. Doch wenn man dem Umweltministerium und der Industrie | |
| glaubt, ist das Problem so gut wie gelöst. „Viele große international | |
| tätige Hersteller von kosmetischen Mitteln haben angekündigt, auf die | |
| Verwendung von Mikrokunststoffpartikeln in kosmetischen Mitteln freiwillig | |
| zu verzichten“, heißt es auf der Webseite des von Barbara Hendricks | |
| geführten Ministeriums. Und dabei gebe es Fortschritte, schreiben die | |
| Ministeriumsmitarbeiter in der Antwort auf eine aktuelle Anfrage der | |
| Grünen-Bundestagsfraktion: Um 70 Prozent sei die Menge an | |
| Kunststoffpartikeln von 2012 bis 2015 zurückgegangen. | |
| Diese Zahl ist allerdings mit Vorsicht zu genießen. Denn zum einen beruht | |
| sie auf Angaben der Kosmetikbranche selbst, die von der Regierung bisher | |
| noch nicht überprüft wurden. Zum anderen bezieht sie sich nicht auf | |
| sämtliche Mikroplastikpartikel in Kosmetikprodukten, sondern nur auf „feste | |
| Kunststoffpartikel in abzuspülenden kosmetischen Produkten“. Darunter | |
| fallen etwa Zahnpasta sowie Duschgels und Peeling-Cremes, die direkt nach | |
| dem Auftragen wieder abgespült werden. Mittel, die länger am Körper | |
| verbleiben, etwa Schminke, Lippenstift oder Sonnencreme, werden nicht | |
| erfasst. | |
| Bis zum Jahr 2020 hat sich die Branche sogar zu einem „Komplettausstieg aus | |
| Mikroplastik“ verpflichtet, teilte das Ministerium der taz mit. Ein | |
| schriftliches, von beiden Seiten unterzeichnetes Dokument gibt es dazu aber | |
| nicht. Das Ministerium verweist lediglich auf eine Empfehlung des | |
| Dachverbands Cosmetics Europe an seine Mitglieder. Dieser schränkt den | |
| Ausstieg allerdings noch weiter ein – auf Plastikpartikel, die für „Peeling | |
| und Reinigung“ eingesetzt werden. | |
| In Deutschlands oberster Umweltbehörde, dem Umweltbundesamt, sorgt das für | |
| Verwunderung. „Eine Beschränkung seitens der Industrie allein auf diese | |
| Anwendungsbereiche ist nicht nachvollziehbar“, sagte Chemieexperte Marcus | |
| Gast der taz. „Denn Mikroplastikpartikel werden auch als Trübungsmittel | |
| eingesetzt.“ | |
| ## Jeder definiert selbst | |
| Von der Industrie wird die Verpflichtung locker interpretiert; jedes | |
| Unternehmen definiert selbst, was es unter Mikroplastik versteht. Der | |
| größte deutsche Hersteller Beiersdorf erklärt auf seiner Webseite unter der | |
| Überschrift „Pflege ohne Mikroplastik“ etwa, dass man „keine | |
| Polyethylen-Artikel“ mehr einsetze. Andere Kunststoffe, etwa Nylon, werden | |
| aber weiterhin genutzt. | |
| Der Umweltverband Greenpeace hält die Selbstverpflichtung darum für einen | |
| „löchrigen Deal“, der die „Plastikflut aus unseren Badezimmern kaum | |
| stoppen“ kann. Notwendig sei stattdessen ein „umfassendes Verbot von | |
| Mikroplastik“. Das sehen auch die Grünen so. „Andere Länder wie Kanada, d… | |
| USA oder Großbritannien sind hier schon viel weiter und haben Verbote auf | |
| den Weg gebracht“, erklärt der umweltpolitische Sprecher Peter Meiwald. | |
| Darüber wird im Umweltministerium auch schon nachgedacht – bisher aber nur | |
| im Konjunktiv. „Sollte die Selbstverpflichtung nicht zu dem vereinbarten | |
| Ergebnis führen, würden wir andere Maßnahmen erwägen“, teilte ein Sprecher | |
| mit. | |
| 29 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
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