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# taz.de -- Raus aus dem Heim: Doppelt gestrafte Senioren
> Wegen massiver Pflegemängel will die Bremer Heimaufsicht eine
> Seniorenresidenz schließen. Die BewohnerInnen protestieren.
Bild: Kann trotz Verständnis wenig versprechen: Sozialsenatorin diskutiert mit…
BREMEN taz | Gegen die Schließung der Bremer Seniorenresidenz Kirchhuchting
protestierten BewohnerInnen und Angehörige am Dienstag vor dem Rathaus. In
ihrer „Petition“ forderten sie Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) auf,
das Heim nicht wie angekündigt am Donnerstag zu schließen.
Die rund 50 BewohnerInnen wären dann zum Umzug in andere Einrichtungen
gezwungen. Gruppensprecher Matthias Träger sagte, so würden sie noch einmal
„dafür bestraft, dass sie in den vergangenen Jahren schlecht gepflegt
wurden“.
Beschlossen wurde die Schließung vor zwei Wochen von Bremens Wohn- und
Betreuungsaufsicht – wegen massiver Mängel in Hygiene, Versorgung und
Dokumentation. Die das Heim betreibende Mediko-Gruppe wurde bereits im
Januar aufgefordert, diese Mängel zu beheben, ist dem aber nicht
nachgekommen.
## Keine Alternative mehr
Leicht habe man es sich mit der Schließung nicht gemacht, beteuerte
Stahmann gegenüber den aufgebrachten Protestierenden. Nach zweijährigen
Kontrollen und Mahnungen habe es aber keine andere Möglichkeit mehr
gegeben.
Doch für die Demonstrierenden sind diese Mängel Schnee von gestern. 2013
sei die Situation im Heim unerträglich gewesen, sagte Notburga Kuke, eine
BewohnerInnen-Sprecherin der Residenz. Doch inzwischen sei die Lage besser.
„Die Senatorin will ein Exempel statuieren“, so Kuke.
Gruppensprecher Träger betonte, dass es hier nicht um Klinikbetten gehe,
die man mal eben irgendwo hin schieben könne. „Das sind ihre Wohnungen“,
sagte er. Gerade hätten die BewohnerInnen ihren Weihnachtsschmuck
aufgehängt und jetzt sollten sie raus.
## Kein Auge zudrücken
Träger forderte Stahmann auf, die Betreuungsstandards vorübergehend
auszusetzen, bis die Verhandlungen mit dem möglichen neuen Betreiber, der
Düsseldorfer „Curata Gruppe“, unter Dach und Fach seien. „Scheißen Sie …
auf die Gesetze!“, rief ein aufgebrachter Heimbewohner dazwischen.
Stahmann kann kein Auge zudrücken, da die Behörde für die Sicherheit
verantwortlich ist. Für die Not der Alten zeigte sie durchaus Verständnis.
Darum arbeite man mit Hochdruck daran, das Übernahmeangebot der Curata zu
prüfen, sagte sie. Die Entscheidung könnte laut Sozialbehörde bereits am
heutigen Mittwoch fallen.
Dass es überhaupt soweit kam, ist laut Stahmann dem bisherigen Betreiber
anzulasten. Die Mediko hatte gegen den Beschluss der Heimaufsicht einen
Eilantrag gestellt und sich bis zu dessen Scheitern vor Gericht mit
Lösungen zurückgehalten. „Hier ist auf Kosten der Bewohnerinnen und
Bewohner taktiert worden“, so Stahmann.
## Umstrittenes Heimgesetz
Die gesetzliche Grundlage der Heimunterbringung wird am Mittwoch auch in
der Bürgerschaft Thema sein. Die Abgeordneten werden über das Bremische
Wohn- und Betreuungsgesetz (BremWoBeG) entscheiden. Ein Bündnis von
Pflege-ExpertInnen um die Bremer „Heim-Mitwirkung“ hat die Fraktionen in
einem offenen Brief zum Nein aufgerufen.
Das Gesetz, so die Kritik des Bündnisses, schreibe der ohnehin überlasteten
Heimaufsicht vor, mangelhafte Einrichtungen zeitaufwendig und zudem
kostenlos zu beraten, statt sie zu schließen, sagte Initiator Reinhard
Leopold von der Heim-Mitwirkung. Unterzeichnet wurde der Brief unter
anderem von Ver.di, dem Gesundheitsladen Bremen und Netzwerk Selbsthilfe.
Die Linke wird gegen das Gesetz stimmen. Allerdings nicht in erster Linie
wegen der strittigen Beratungspflicht, sondern weil das derzeit testweise
gültige Gesetz gar nicht evaluiert wurde. Dabei zeige der Fall
Kirchhuchting gerade, dass es bei der Heimaufsicht dringenden
Klärungsbedarf gebe, sagte Peter Erlanson, der gesundheitspolitischer
Sprecher der Linksfraktion zur taz. Ohne Evaluation ließe sich über Sinn
und Unsinn der Regelungen gar nicht urteilen. Auch die CDU-Fraktion
diskutiert darüber, dem Gesetz am Mittwoch die Zustimmung zu verweigern.
8 Dec 2015
## AUTOREN
Jan-Paul Koopmann
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