# taz.de -- Pro & Contra Deutscher Syrien-Einsatz: Auf in den Kampf? | |
> Die Bundeswehr soll den Kampf gegen die Islamisten in Syrien | |
> unterstützen. Ist das – trotz aller Risiken – ein richtiger Schritt? | |
Bild: Tornados, Tankfllugzeuge und eine Fregatte soll die Bundeswehr einsetzen. | |
## Ja | |
Um es vorab klar zu sagen: Die Beteiligung Deutschlands mit Streitkräften | |
an der Bekämpfung des IS ist keine Lösung für den syrischen Bürgerkrieg. | |
Sie leistet einen Beitrag zu mehr Sicherheit in der Region. Politische | |
Lösungen gibt es nur auf dem Weg diplomatischer Verhandlungen. Klar ist | |
auch, dass ein Aufbau Syriens nach Assad nur mit Teilen seiner | |
Administration und seines Sicherheitsapparates gelingen kann. Assad selbst | |
kann und darf keine Rolle mehr spielen. Unser Außenminister hat viel dazu | |
beigetragen, den Prozess von Wien zu installieren, wo unter anderem | |
Russland, der Iran und Saudi-Arabien mit an einem Tisch sitzen. Ohne sie | |
wird eine Lösung der Konflikte nicht zu erreichen sein. | |
Warum sollten wir uns trotzdem am Kampf gegen den sogenannten „Islamischen | |
Staat“ beteiligen? Seit Jahren beobachten wir mit wachsender Besorgnis das | |
Erstarken des IS im Nahen und Mittleren Osten. Über 6.000 Morde gingen | |
allein 2014 auf sein Konto. Der IS verfügt mittlerweile über ein | |
staatsähnliches Gebilde und kontrolliert große Gebiete im Irak und in | |
Syrien. Der islamische Terrorismus ist mittlerweile eine ernste Bedrohung | |
für Europa und Nordafrika. Lange Zeit über haben die Nachbarländer, auch | |
wir Deutschen, diesem Treiben fassungslos zugesehen, niemand hat sich dem | |
Terror entschieden entgegengestellt. | |
Aus drei Gründen beteiligen wir uns jetzt militärisch mit 1.200 Soldatinnen | |
und Soldaten der Bundeswehr im Kampf gegen den IS: | |
1. Die Ausbreitung des IS hat einen Nimbus von Unbesiegbarkeit erzeugt, dem | |
zunehmend junge Männer aus Westeuropa verfallen, über 3.000 sind es | |
mittlerweile, davon sind rund 800 aus Deutschland. Ein weiterer Zustrom | |
sollte in unserem ureigenen Sicherheitsinteresse verhindert werden. | |
2. Die Franzosen haben in diesem Jahr zwei schreckliche Anschläge erleben | |
müssen, der letzte ist gerade drei Wochen her. Frankreich, unser engster | |
Verbündeter, hat jetzt die Europäer durch Artikel 42 Absatz 7 der EU-Charta | |
um Hilfe gebeten. Dieser Bitte sollten wir nachkommen. Europa ist derzeit | |
in einer tiefen Krise, von der europäischen Solidarität ist wenig zu sehen. | |
In dieser Situation ausgerechnet die besonders enge Partnerschaft zwischen | |
Deutschland und Frankreich aufzukündigen, würde Europa großen Schaden | |
zufügen. | |
3. Der islamistische Terror ist nicht erst seit den furchtbaren Anschlägen | |
von Paris eine Bedrohung der freien Welt. New York, London, Madrid, Ankara, | |
Sousse, Beirut – drei Resolutionen haben die Vereinten Nationen | |
mittlerweile gegen den islamistischen Terror verabschiedet, die wir | |
mittragen. Dabei geht es nicht um einen Kreuzzug des Westens gegen die | |
muslimische Welt, wie der IS selbst propagiert: Der selbsternannte | |
„Islamische Staat“ will vernichten, wer nicht in sein totalitäres Weltbild | |
passt. Die meisten Opfer, die auf sein Konto gehen, sind Muslime. Wir | |
müssen mit dazu beitragen, dass die Terroristen zurückgedrängt werden. | |
Jeder Einsatz von Streitkräften hat politische und militärische Risiken. | |
Die Mittel, die die Bundeswehr einbringt, sind deshalb mit Bedacht | |
ausgewählt. Es sind alles Fähigkeiten, die der Koalition gegen den IS | |
nützen – Aufklärung, Luftbetankung und der Schutz des französischen | |
Flugzeugträgers. All dies ist völker- und verfassungsrechtlich abgedeckt. | |
Nichthandeln birgt ebenfalls Risiken, auch für die Sicherheit in | |
Deutschland. Wir sind schon seit längerem im Fadenkreuz des IS. Als Teil | |
der internationalen Allianz gegen den Terror, bilden wir in Mali | |
Regierungstruppen aus, im Nordirak schulen wir kurdische Peschmerga und | |
beliefern sie mit Waffen, damit sie den IS bekämpfen können. | |
Der Anschlag in dem Pariser Stadion war auch ein gezielter Anschlag gegen | |
uns Deutsche. Kein Staat wird mit den Herausforderungen des extremistischen | |
Terrors alleine fertig. Sollten auch wir in Deutschland Anschläge nicht | |
verhindern können, werden wir auf Unterstützung durch unsere Partner | |
angewiesen sein. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Auch dies gilt es zu | |
bedenken. | |
VON RAINER ARNOLD | |
*** | |
## Nein | |
Wer fühlt angesichts der extremen Gräueltaten der Terroristen von Daesch | |
nicht Ohnmacht, Trauer und Wut? Wir alle wollen Frankreich beistehen und | |
den Menschen in Syrien und im Irak helfen. Aber Gefühle und Solidarität | |
reichen alleine nicht aus, um einen Militäreinsatz zu rechtfertigen. Die | |
Solidarität mit Frankreich, sie ist ein wichtiges und gewichtiges Argument. | |
Sie darf aber weder das alleinige sein, noch bedeutet sie, dass man allem | |
Folge leisten muss, worum man gebeten wird. Wir Grüne sagen daher weder | |
leichtfertig „Ja“, noch reflexartig „Nein“, wenn unsere französischen | |
Partner uns um Hilfe bitten. Gerade wenn es um Auslandseinsätze der | |
Bundeswehr geht, muss jede Anfrage im Einzelfall sorgfältig und | |
gewissenhaft geprüft werden. | |
Bei diesen schwierigen Abstimmungen sind für uns Grüne die zentralen | |
Kriterien der Einklang mit dem Völkerrecht und vor allem die Entwicklung | |
einer stimmigen politischen Strategie, die bei den Konfliktursachen | |
ansetzt. Fehlt diese, ist die Gefahr sehr groß, dass ein Militäreinsatz | |
scheitert oder gar noch mehr Schaden anrichtet. Darüber geben nicht nur die | |
im Kern gescheiterten großen Militärinterventionen im Irak, in Libyen und | |
Afghanistan ein trauriges Zeugnis. Insbesondere der „War on Terror“ und der | |
Drohnenkrieg haben den Nährboden für noch mehr Gewalt und Radikalisierung | |
bereitet. | |
Das aktuelle Syrien-Mandat ist gefährlich vage und lässt viele | |
entscheidende Frage offen – für diesen Kriegseinsatz gibt es kein klares | |
Ziel, keine politische Strategie, keine klare völkerrechtliche Legitimation | |
durch ein Mandat der Vereinten Nationen und keine Exitstrategie. Die Lage | |
in Syrien ist extrem unübersichtlich, zahlreiche Staaten mit | |
widersprüchlichen Interessen treiben dort ihr perfides Machtspiel ohne | |
Rücksicht auf Menschenleben und die politische Stabilität in der Region. | |
Wer genau wird denn unter welchen Begrenzungen Zugriff auf die | |
Aufklärungsdaten der deutschen Tornados haben und wie wird sichergestellt, | |
dass beispielsweise die Türkei sie nicht missbraucht, um gegen die Kurden | |
zu agieren? | |
Was passiert mit den von Daesch befreiten Gebieten? Wer übernimmt dort die | |
Kontrolle? Das Assad-Regime? Oder die Rebellen? Wären diese dann sicher vor | |
russischen Luftangriffen und Assads Fassbomben? Wird es eine Kooperation | |
mit Russland geben, das in erster Linie mit seinem militärischen Vorgehen | |
die Rebellen und nicht den Daesch im Visier hat? | |
Wer meint, der Massenmörder Assad sei im Hinblick auf den Kampf gegen | |
Daesch das geringere und notwendige Übel, irrt gewaltig. Dabei geht es | |
nicht nur um Moral und Glaubwürdigkeit, vor allem würde Daesch jede | |
Kooperation sofort für seine Rekrutierungspropaganda ausnutzen. | |
Daesch wird man nicht militärisch, sondern nur politisch besiegen können. | |
Das sagen auch Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der | |
Leyen. Trotzdem tut die Bundesregierung im Kampf gegen den Terrorismus | |
politisch viel zu wenig und handelt gefährlich inkonsequent, während sie | |
die Entscheidung für den Bundeswehreinsatz wieder einmal schnell und | |
unüberlegt fällt. | |
Sie schaut bei der schwierigen Rolle der Türkei weg und schließt | |
Waffengeschäfte mit Staaten wie Katar und Saudi-Arabien ab, die zulassen, | |
dass einflussreiche Personen aus diesen Ländern den Daesch-Terror | |
finanzieren und fördern. Sie geht bestenfalls halbherzig die politischen, | |
sozialen und wirtschaftlichen Ursachen an, um der ekelhaften und | |
gefährlichen Ideologie von Daesh den Nährboden zu entziehen. | |
Die Bundesregierung könnte viel mehr tun beispielsweise für den | |
Versöhnungsprozess im Irak, wo viele Sunniten seit Jahren politisch und | |
wirtschaftlich ausgeschlossen wurden und sich daher Daesch angeschlossen | |
haben. Sie müsste sich für die Umsetzung der UN-Resolutionen einsetzen, die | |
ein Ende der grausamen Fassbomben-Bombardements und humanitären Zugang zu | |
den Gebieten in Syrien verlangen. | |
All das wären wichtige und sinnvolle Beiträge im Kampf gegen Daesch und für | |
die Menschen in Syrien und im Irak – ein Militäreinsatz ohne klares Ziel, | |
voller offener Fragen und mit zahlreichen Risiken ist es nicht. | |
VON AGNIESZKA BRUGGER | |
3 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Rainer Arnold | |
Agnieszka Brugger | |
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