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# taz.de -- Urteil des Bundesgerichtshofs: Internetsperren sind „zumutbar“
> Illegale Musik- und Filmportale sind im Netz bald schwerer auffindbar. So
> will es der Bundesgerichtshof. Ein Erfolg für Musikfirmen und die Gema.
Bild: Nichts zu hören? Musikfirmen können bald Internetsperren durchsetzen
KARLSRUHE taz | Musikfirmen können Internetprovider dazu zwingen, illegale
Download-Angebote im Internet zu sperren. Das entschied an diesem
Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil. Zunächst
müssen die Musikfirmen allerdings - wenn möglich - gegen die Musikpiraten
selbst vorgehen.
Der BGH hatte zwei ähnliche Fälle zu entscheiden. Im ersten Fall hatte die
Verwertungssgesellschaft GEMA die deutsche Telekom verklagt. Sie solle für
ihre Kunden den Zugang zur Seite 3dl.am sperren, weil dort Links zu
illegalen Downloadangeboten auf so genannten Filehostern wie Rapidshare
gelistet sind.
Im zweiten Fall klagten EMI und andere Plattenfirmen gegen den
Internetprovider Telefonica. Er solle für seine Kunden den Zugang zur Seite
goldesel.to sperren, weil sich dort Links zu Musikdateien fanden, die im
Filesharing-Netzwerk eDonkey hochgeladen wurden.
Die verklagten Internetprovider weigerten sich jedoch, die Seiten zu
sperren. Sie hätten mit den Urheberrechtsverletzungen nichts zu tun.
## Störerhaftung als Rechtsgrundlage
Der BGH entschied nun, dass die Internetprovider grundsätzlich zu solchen
Internetsperren verpflichtet werden können. Es gebe zwar keine gesetzliche
Regelung hierfür, diese wäre aber nur für staatliche Eingriffe
erforderlich. Da es hier um den Streit zwischen Privatunternehmen gehe,
genüge die vom BGH entwickelte Rechtsprechung zur Störerhaftung als
Rechtsgrundlage.
Internetprovider können demnach zur Sperrung von illegalen Musikpartalen
verpflichtet werden, weil ohne ihre Vermittlung die Urheberrechtsverletzung
nicht möglich ist. Sie gelten deshalb als „Störer“ und können grundsätz…
zur Unterlassung verpflichtet werden.
Die Verpflichtung zu solchen Internetsperren sei „zumutbar“, so der BGH,
solange auf die Firmen keine unverhältnismäßigen Kosten zukommen, womit der
BGH jedoch nicht rechnet.
Sperren seien auch möglich, wenn die Inhalte der betroffenen Seiten
teilweise legal sind, solange die legalen Anteile „nicht ins Gewicht
fallen“, erklärte der Vorsitzende Richter Wolfgang Büscher. „Wenn nur vier
Prozent der Inhalte auf einer solchen Seite legal sind, kann trotdem
gesperrt werden.“
Gegen die Zulässigkeit der Sperrverpflichtung spreche auch nicht, dass
„Sperren“ relativ leicht umgangen werden können. Es genüge, wenn die
Maßnahmen der Internetprovider den Zugriff auf die illegalen Inhalte
zumindest erschweren.
## Zuerst gegen Betreiber vorgehen
Eine Sperrverpflichtung ist allerdings nur dann verhältnismäßig, wenn die
Musikfirmen zunächst gegen die Akteure vorgehen, die an den
Urheberrechtsverletzungen näher dran sind. Zunächst müssten die Musikfirmen
also gegen die Betreiber von Seiten wie 3dl.am und goldesel.to aktiv
werden. Wenn diese nicht greifbar sind, müssten die Musikfirmen auch gegen
die Hostprovider vorgehen, auf deren Servern die kriminellen Seiten
gespeichert sind. Erst wenn diese auch nicht erreichbar sind, können die
Musikfirmen die Internet-Accessprovider in die Pflicht nehmen, damit keine
„Rechtsschutzlücken“ entstehen.
Der BGH machte auch Vorgaben, wieviel Aufwand die Musikfirmen betreiben
müssen, wenn sie gegen illegale Musikportale vorgehen. So genüge es nicht
festzustellen, dass die Postadresse der Kriminellen nicht bekannt sei oder
dass Webseiten auf Tonga (.to) anonym registriert werden können. Die
Musikfirmen müssten in solchen Fällen zumindest eine Detektei oder eine auf
solche Recherchen spezialisierte Firma beauftragen. Je nach Sachverhalt
kann auch eine Strafanzeige und damit die Einschaltung staatlicher
Ermittlungsbehörden erforderlich sein, bevor die Internetprovider in
Anspruch genommen werden dürfen.
Insgesamt fiel das BGH-Urteil für die Musikwirtschaft also recht erfreulich
aus. Bisher lehnten die Gerichte solche Internetsperren ab, weil eine
Rechtsgrundlage fehle oder weil die Sperren nicht zumutbar seien.
Trotz des grundsätzlichen Erfolgs wurden die konkreten Klagen von GEMA und
EMI beim BGH nun aber abgewiesen. Denn die Musikfirmen hätten hier nicht
genügend Aufwand betrieben, um die eigentlichen Rechtsverletzer ausfindig
zu machen. Mit den jetzigen BGH-Vorgaben wissen die Musikfirmen aber, wie
sie künftig vorgehen können. Es wird bald also nicht mehr so einfach sein,
illegale Musikangebote im Netz zu finden.
Das Urteil dürfte ohne weiteres auch auf illegale Filmangebote übertragbar
sein. Auch bei anderen zivilrechtlichen Streitigkeiten, zum Beispiel um
Persönlichkeitsrechts-Verletzungen, dürfte es künftig Internetsperren
geben. Dagegen gibt das Urteil keinen Hebel, um die Sperrung von Seiten zu
rechtfertigen, die nur strafrechtlich relevant sind, etwa Seiten mit
islamistischer Terrorpropaganda. (Az.: I ZR 3/14 u.a.)
26 Nov 2015
## AUTOREN
Christian Rath
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