| # taz.de -- Uni-Experte über Studi-Rekordzahl: „Abbrechen darf kein Scheiter… | |
| > Fast 2,8 Millionen Studierende sind eingeschrieben. Experte Frank Ziegele | |
| > erklärt, was das für Hochschulen und Ausbildungsbetriebe bedeutet. | |
| Bild: Zu viele? Studentinnen in einem Hörsaal. | |
| taz: Herr Ziegele, Bildungsministerin Johanna Wanka wertet den | |
| Studierenden-Rekord als Zeichen der Attraktivität deutscher Hochschulen. | |
| Tatsächlich sinkt seit zwei Jahren die Zahl der Erstsemester. Alles nur PR? | |
| Frank Ziegele: Der leichte Rückgang der Neueinschreibungen ist auf die | |
| doppelten Abiturjahrgänge und das Ende der Wehrpflicht zurückzuführen. Die | |
| Kurve der Studierendenzahlen weist aber trotz gesunkener Erstsemesterzahlen | |
| noch oben. Das hat auch mit der Attraktivität der Hochschule zu tun, aber | |
| nicht nur: Der Studienwunsch ist heute weiter verbreitet. | |
| Mit welchen Folgen? | |
| Wir haben heute mehr Studierende mit Kindern, mit Migrationshintergrund | |
| oder mit abgeschlossener Berufsausbildung – hinzu kommen nun noch die | |
| Flüchtlinge. Der 18-Jährige, der gerade sein Abitur gemacht hat und zu | |
| Hause ausgezogen ist, ist nicht mehr die Norm. Aber egal, wie viele | |
| studieren: Der Arbeitsmarkt scheint die Hochschulabsolventen derzeit alle | |
| integrieren zu können. Wir haben nur 2,5 Prozent | |
| Akademikerarbeitslosigkeit. | |
| Mit zwei Wermutstropfen: die hohen Abbrecherquoten und die prekären | |
| Arbeitsbeschäftigungen für viele Akademiker. | |
| Ja, natürlich haben wir weiterhin unverändert hohe Abbrecherquoten. 2006 | |
| lag die Quote bei 30 Prozent, heute sind wir in den Bachelor-Studiengängen | |
| bei 28 Prozent. An der Stelle gibt es Handlungsbedarf. Ein Studienabbruch | |
| kann auch mit falschen Erwartungen an die Hochschule verbunden sein – dann | |
| muss die Uni dabei helfen, möglichst im ersten Studienjahr eine falsche | |
| Entscheidung zu korrigieren. | |
| Im Handwerk fehlen seit Jahren Auszubildende. Sollte nicht ein Teil der | |
| jungen Leute besser in den Betrieb gehen? | |
| Das ist auf jeden Fall eine Lösung. Nur kann es nicht das Mittel sein, aus | |
| altem Elitedenken den Zugang zu den Hochschulen künstlich zu beschränken. | |
| Wir müssen stattdessen die Ausbildungsberufe attraktiver machen. Man müsste | |
| selbstverständlich zwischen Hochschule, Fachhochschule und beruflicher | |
| Ausbildung wechseln können, ohne dass das als Scheitern empfunden wird. Es | |
| gibt bereits einige Pilotprojekte, in denen Studienabbrecher in die | |
| Ausbildung vermittelt werden. | |
| Das wird nicht mehr als Scheitern angesehen? | |
| Das würde sich ändern, wenn sich Studienabbrecher Leistungen in der | |
| Ausbildung anrechnen lassen können. Es gibt da spannende Gedankenspiele, | |
| wie ein gemeinsames Einstiegsjahr. Danach entscheidet man sich für den | |
| beruflichen oder den akademischen Weg – als gleichwertige Alternativen. | |
| Trotzdem wird so ein duales System nicht den klassischen Bachelor ersetzen. | |
| Dazu fehlt auch die Bereitschaft der Wirtschaftskammern und der | |
| Unternehmen. | |
| Die sind aber zunehmend wichtig. Hochschulen beklagen seit Jahren die | |
| Abhängigkeit von Drittmitteln. | |
| Trotz allgemeiner Spartrends haben Bund und Länder vielfach in den | |
| Hochschulbereich investiert. Der Zuwachs an Studierenden ist jedoch so | |
| groß, dass die Finanzierung nicht mithält. Die Gefahr besteht, dass | |
| kurzfristig zugesagte Gelder wegbrechen, wenn die entsprechenden | |
| Förderprojekte auslaufen. | |
| 6 Dec 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Pauli | |
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