# taz.de -- Kampagne gegen IS-Inhalte im Netz: Löschen, sperren, hacken | |
> Sowohl Hacker als auch Unternehmen versuchen, IS-Inhalte zu tilgen. Doch | |
> die Probleme beginnen schon beim Aufspüren. | |
Bild: Der Mann mit der Maske des Attentäters Guy Fawkes kündigt Aktionen gege… | |
BERLIN taz | Die Computerstimme klingt nach Bahnhofsansage und passt so gar | |
nicht zur Botschaft des Videos: „Wir werden euch finden und wir werden | |
nicht nachlassen“, spricht die Stimme in einem der Videos des | |
Hackerkollektivs Anonymous. „Wir werden die wichtigste Operation gegen euch | |
starten, die je gegen euch geführt wurde.“ Es ist nicht das erste Mal, dass | |
AktivistenInnen von Anonymous ankündigen, Onlinepräsenzen des IS | |
lahmzulegen. Und die HackerInnen sind auch nicht die Einzigen, die daran | |
arbeiten, dieser Präsenz etwas entgegenzusetzen. | |
Das Problem für alle, die IS-Inhalte im Netz tilgen wollen, beginnt schon | |
beim Aufspüren. Hinweise auf die Kommunikationsstrukturen der | |
Terrororganisation sind derzeit lediglich Fragmente, nur Weniges ist | |
bekannt. So errechnete etwa das US-amerikanische Brookings-Institut, dass | |
zwischen 46 000 und 70 000 Twitter-Accounts existieren, über die | |
IS-Sympathisanten Propaganda verbreiten. | |
Diese Zahlen stammen vom März. Das Netz ist schnell. Und oft schneller als | |
staatliche Stellen. So können deutsche Ermittlungsbehörden direkt nur tätig | |
werden, wenn auch die beanstandeten Inhalte auf Servern in Deutschland | |
liegen – und etwa beim Provider die Herausgabe von Nutzerdaten verlangen. | |
Hacker dagegen können Wege gehen, die staatlichen Stellen nicht | |
offenstehen. Anonymous-Aktivisten mehrerer Gruppierungen geben an, daran zu | |
arbeiten, Social-Media-Accounts, und Webseiten lahmzulegen. Auf Twitter | |
gibt es Wasserstandsmeldungen: 5 500, 8 250, 11 000 Twitter-Konten mit | |
IS-Bezug, die stillgelegt seien worden. | |
## Legitime Zusammenarbeit mit Behörden? | |
Videos, angeblich Tausende gelöschte Twitter-Konten: Ist es das? Im | |
Kollektiv selbst laufen Diskussionen darüber, ob die jüngst | |
veröffentlichten Ankündigungen mehr als PR waren – und wie so ein Vorgehen | |
gegen den IS eigentlich aussehen darf. Ist es zum Beispiel legitim, mit | |
Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten? Denn Nachrichtendienste diverser | |
Regierungen waren in der Vergangenheit durchaus selbst im Fokus der | |
HackerInnen von Anonymous – unter dessen Namen jeder auftreten kann, der | |
sich eine der schwarz-weißen Guy-Fawkes-Masken aufsetzt. | |
Neben Twitter ist ein kleineres Unternehmen in den Blick gerückt: Telegram, | |
eine Firma von Pawel Durow, der einst das russische Facebook-Pendent | |
Vkontakte gründete. Das britische Unternehmen, das – Äußerungen Durows | |
zufolge – einen Sitz in Berlin haben soll, bietet eine App zum Austausch | |
von Nachrichten an. Telegram veröffentlichte in den vergangenen Tagen immer | |
wieder Zahlen zu gelöschten Nutzerkonten. 78 am Mittwoch, 164 am | |
Donnerstag. | |
Anfragen dazu, nach welchen Kriterien Accounts gelöscht werden, wie sie | |
Nutzerhinweise überprüfen, beantwortet das Unternehmen nicht. Die meisten | |
für die Masse an Nutzern sichtbaren IS-Inhalte befinden sich sowieso bei | |
den großen Anbietern. Videos auf YouTube, die Links werden über Twitter und | |
Facebook geteilt. | |
Die Entscheidung darüber, welche Inhalte gelöscht werden und welche nicht, | |
treffen die Firmen selbst. Eine Facebook-Sprecherin teilt mit, dass man | |
speziell geschulte Mitarbeiter habe, die Inhalte oder Kommentare, in denen | |
der IS oder andere gewalttätige Gruppen verherrlicht oder unterstützt | |
werden, löschen. Wie lange es von der Meldung bis zur Löschung dauert, wo | |
genau die Grenze gezogen wird, wie viele Accounts beanstandet und wie viele | |
gelöscht werden – keine Antwort. | |
Zahlen zu gemeldeten und gelöschten Inhalten gibt auch YouTube nicht | |
bekannt. Lediglich das Verfahren: Nutzer können Videos melden, dann werden | |
sie geprüft und gegebenenfalls gelöscht. Wird ein Video gesperrt und wieder | |
hochgeladen, muss erneut ein Nutzer den Inhalt als problematisch melden. | |
Twitter lässt eine Anfrage zu den Löschungsmodalitäten gleich ganz | |
unbeantwortet. | |
## Konzerne stehen in der Kritik | |
Dass sich die Konzerne bei der Frage, ob, in welchen Fällen und wie häufig | |
gelöscht oder gesperrt wird, eher bedeckt halten, stößt auf Kritik. „Es ist | |
fraglich, ob es sinnvoll ist, so eine Entscheidung Wirtschaftsunternehmen | |
zu überlassen“, sagt Volker Tripp vom Verein Digitale Gesellschaft. „Die | |
Probleme werden sicher nicht auf Twitter gelöst, das muss an anderer Stelle | |
passieren“, sagt auch Linus Neumann vom Chaos Computer Club. Tripp fordert | |
daher, den Fokus weg von der Technik zu lenken. Den sozialen und | |
politischen Ursachen auf den Grund zu gehen, werde Terror effektiver | |
bekämpfen als eine Löschung von Inhalten im Netz. | |
23 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
Jonas Seufert | |
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