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# taz.de -- Verschlüsselte Kommunikation: Filtern, abblocken, Hintertür einba…
> Die EU-Kommission startet ein Dialog-Forum zu Terror im Netz und
> verschlüsselter Kommunikation. Nutzer werden nicht beteiligt.
Bild: Immer mehr Menschen verschlüsseln ihre Kommunikation.
Berlin taz | Nein, ein geheimes Treffen sei es nicht, sagt die Sprecherin
der EU-Kommission. Zwar gebe man nicht bekannt, wer genau dabei ist, was am
Ende des Tages herauskommt, und die Öffentlichkeit sei auch nicht
zugelassen. Aber geheim ist es tatsächlich nicht, dass sich in dieser Woche
Politiker und Vertreter von Europol mit mehreren Internetkonzernen
getroffen haben und solche Treffen in Zukunft öfter stattfinden sollen. Um
zu reden. Über unerwünschte Inhalte im Netz. Und über Verschlüsselung.
Es sind zwei Themen, die schon lange auf der Agenda stehen, aber jetzt,
durch die Anschläge in Paris, auf einmal ganz weit nach oben gerückt sind.
Strafverfolger, Ermittlungsbehörden, Geheimdienste haben sie dort drauf
gesetzt: einen kurzen Draht zu Internetkonzernen, wenn es etwa darum geht,
Inhalte, mit denen Terroristen um Anhänger werben, aus dem Netz
verschwinden zu lassen. Und Zugriff auf Inhalte, auch wenn diese
verschlüsselt gespeichert oder übertragen wurden. Zum Beispiel mittels
Hintertüren in Software, mit der sich Daten verschlüsseln lassen.
„Terroristen missbrauchen das Internet, um ihre vergiftete Propaganda zu
verbreiten“, sagte EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos vor dem Treffen und
liefert auch gleich die Lösung: Kooperation mit den Internetkonzernen.
Microsoft, Facebook, Google, Twitter und das Portal Ask.fm waren beim
ersten Treffen dabei, so viel verrät die Kommission und dass das nicht alle
sind. Darüber hinaus gibt es nicht einmal eine Aussage über die Anzahl der
Teilnehmer.
Intransparenz ist dann auch das Erste, was Maryant Fernández Pérez von der
europäischen Bürgerrechtsgruppe European Digital Rights (EDRi) an der
Zusammenkunft stört.
## Die Frage der Definitionshoheit
Das Zweite: die Frage der Definitionshoheit. Dass es darauf ankommt, ist
selbst der Kommission bewusst. „Das Problem Hatespeech anzugehen ist
schwierig, weil man klar definieren muss, wo Meinungsfreiheit aufhört und
wo Hassreden anfangen“, sagt EU-Kommissarin Věra Jourová. Die
Bürgerrechtlerin Fernández Pérez würde da nicht widersprechen. Und sie
fordert: Gerade weil es hier um Abgrenzungen gehe, gehöre so eine
Diskussion nicht in eine Runde zwischen Politik, Wirtschaft und der
europäischen Polizeibehörde, bei der die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist.
Eine informelle Allianz werde dazu führen, dass auch legale, aber
unerwünschte Inhalte aus dem Netz getilgt würden.
Es ist nicht das erste Mal, dass die EU-Kommission in diesen Fragen mit
IT-Konzernen kooperiert. 2011 war bereits das „Clean IT Projekt“ gestartet,
das ebenfalls in Kooperation mit Unternehmen dazu führen sollte „den
Einfluss der Terroristen auf das Internet zu reduzieren“, so die
Selbstbeschreibung.
Dass es schon damals anscheinend nicht nur um terroristische Einflüsse
ging, zeigte ein geheimes Arbeitspapier, dass die EDRi veröffentlichte.
Darin fand sich eine Liste von Vorschlägen, die sich wie ein Wunschzettel
von Überwachungsenthusiasten las: ein Verbot von Pseudonymen in sozialen
Netzwerken, Überwachung von Angestellten durch ihre Arbeitgeber,
Filtersysteme, mit denen Provider unerwünschte Inhalte blockieren sollen.
Auch wenn sich die EU-Kommission schnell distanzierte und die Beteiligten
betonten, es habe sich nur um eine Ideensammlung gehandelt – es zeigt, wie
sehr der Wunsch nach politischer Kontrolle über das Netz verankert ist.
## Ein kleiner Schritt zum Blocken von Inhalten
Wozu eine Blockade von Inhalten führen kann, verdeutlicht das Beispiel
Großbritannien: Dort sind – wenn die Anschlussinhaber nicht widersprechen –
standardmäßig Filter aktiv, die pornografische Inhalte herausfiltern
sollen. Hängen blieben darin nicht nur Dateien, die zufällig die
Buchstabenfolge „sex“ enthielten. Auch die Webseite des Chaos Computer Club
(CCC) wurde schon geblockt. Der Schritt vom Sperren illegaler zum Blocken
unbequemer Inhalte ist klein.
Und dann ist da noch die Sache mit der Verschlüsselung. „In Kooperation mit
den IT-Unternehmen wird das Forum auch die Bedenken von
Strafverfolgungsbehörden angesichts neuer Verschlüsselungstechnologien
sondieren“, heißt es in einem Papier der EU-Kommission.
Es wäre der Traum von Strafverfolgern und Geheimdiensten: Hintertüren, also
absichtlich eingebaute Lücken in Verschlüsselungssoftware, die staatlichen
Stellen Zugang zu verschlüsselter Kommunikation und verschlüsselt
gespeicherten Inhalten bieten. Nach den Anschlägen in Paris wurde der
skeptische Blick auf Kryptotechnologien wieder populär: So nahm das
Europaparlament in der vergangenen Woche einen Resolutionsentwurf der
Europäischen Volkspartei, der größten Fraktion, an, in dem auch
Verschlüsselungstechnik in Frage gestellt wurde.
## Horrorszenario für Bürgerrechtler
Für Bürgerrechtler ein Horrorszenario: denn gibt es erst einmal eine
Hintertür, können sowohl Kriminelle als auch alle anderen Nutzer damit
überwacht werden. Möglich ist zudem, dass Unbefugte die Lücke finden und
selbst ausnutzen. Und dass Verschlüsselung insgesamt als unsicher
wahrgenommen wird. Wer will schon Onlinebanking machen, wenn nicht sicher
ist, ob Dritte mitlesen oder sich ein bisschen Geld abzweigen können?
„Verschlüsselung ist ein Werkzeug, um Menschen zu schützen“, sagt Fernán…
Pérez. Bankkunden wie Oppositionelle, Diplomaten wie Whistleblower. Und: Es
sei nicht belegt, das die Attentäter von Paris eine verschlüsselte
Kommunikation nutzten, um die Anschläge zu planen. Bekannt ist bislang,
dass sie sich per SMS abstimmten – mitlesbar ganz ohne Hintertür.
## Führt Verschlüsselung zu Überwachung?
Auch ein Europol-Bericht vom September analysiert, dass immer mehr Nutzer
Verschlüsselung verwenden, sie sich damit verbreitet und mit der
Verbreitung auch Kriminelle verschlüsseln, was es Strafverfolgern schwerer
mache, die Nutzer vor den Kriminellen zu schützen. Verwirrend? Eine Lösung
bietet Europol dann auch nicht, dafür aber der US-Autor James Bamford:
„Wenn Sie Ende-zu-Ende verschlüsseln, zwingt das die Regierung dazu,
spezifische Überwachung einzusetzen, zum Beispiel, in dem sie Tastaturen
verwanzen“, sagte er kürzlich auf einer Konferenz [1][gegenüber dem
Onlineportal Heise.de]. Also: weniger Massenüberwachung, dafür gezieltere
Observation.
Dass ein standardmäßiger staatlicher Zugriff auf verschlüsselt versendete
oder gespeicherte Inhalte tatsächlich geplante Straftaten im Vorfeld
auffliegen lässt, ist dagegen eher unwahrscheinlich. Er erhöht vor allem
die Hürde, der alltäglichen Massenüberwachung etwas entgegenzusetzen.
Welche Alternativen sich finden, wenn es wirklich darauf ankommt,
beschreibt zum Beispiel der Verschlüsselungsexperte [2][Klaus Schmeh] auf
Scienceblogs: Demnach kommunizierten zwei in Deutschland lebende russische
Spione mit einer Kontaktperson über Kommentare, die sie unter Fußballfilmen
des Videoportals YouTube hinterließen – ganz öffentlich. Was ihre Sätze zu
den Toren von Cristiano Ronaldo wirklich bedeuten sollten, ist bis heute
unbekannt.
5 Dec 2015
## LINKS
[1] http://www.heise.de/newsticker/meldung/Duncan-Campbell-Verbot-von-Verschlue…
[2] http://scienceblogs.de/klausis-krypto-kolumne/2015/11/29/agentenehepaar-kom…
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Verschlüsselung
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