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# taz.de -- Steven Levy über Macht und Ethik: „Der Hackergeist kann helfen“
> Vor 30 Jahren erschien in den USA das Buch „Hackers“ von Steven Levy.
> Darin wurde zum ersten Mal eine Hackerethik formuliert.
Bild: Auch der Thriller „Wargames“ lenkte Anfang der 1980er den Blick der �…
In der schnelllebigen Techwelt ist es eine Seltenheit, dass ein 30 Jahre
altes Buch immer noch Relevanz besitzt. Doch Steven Levys Buch „Hackers –
Heroes of the Information Revolution“ ist bis heute ein Klassiker der
Computerliteratur. Zum ersten Mal hat Levy darin eine „Hacker-Ethik“
formuliert: eine Art Philosophie des Hackens, zusammengefasst in sechs
Grundsätzen. Der Geist dieser Hackerethik steckt in vielen der technischen,
kulturellen und sozioökonomischen Entwicklungen der letzten Jahre – von der
Wikipedia bis hin zum Programm der Piratenpartei.
taz: Herr Levy, das Erscheinen von „Hackers“ jährt sich zum 30. Mal. Wie
sind Sie damals dazu gekommen, das Buch zu schreiben? Sie waren ja
eigentlich Musikjournalist.
Steven Levy: Es wäre mir nie eingefallen, ein Buch über Hacker zu
schreiben, wenn mich nicht ein Verlagslektor gefragt hätte, nachdem ich
einen Artikel für den Rolling Stone über dieses Thema geschrieben hatte.
Ich sagte: „Klar“, denn ich wollte ein Buch schreiben, und das Thema war
mir im Grunde egal.
Hatten Sie damals selbst überhaupt schon einen Computer?
Als ich von der Recherche für den Rolling-Stone-Text aus Kalifornien
zurückkam, sagte ich mir: „Ich brauche einen Computer, und zwar genau
jetzt.“ Das war 1981, und damals machte man sich Gedanken darüber, ob man
sich einen Computer oder eine elektrische Schreibmaschine anschaffen sollte
– diese Dinger, die sich nur eine Zeile merken konnten. Der Artikel über
Hacker wurde auf einer Schreibmaschine geschrieben, aber das Buch auf einem
Apple II.
Hätten Sie damals gedacht, dass Sie etwas schreiben, das 30 Jahre später
noch gedruckt wird?
Auf gar keinen Fall. Ich habe einfach nur gehofft, dass der Verlag das
Manuskript akzeptiert.
Als Urgemeinde der Hackerszene identifizierte Levy in seinem Buch den Tech
Model Railroad Club, einen obskuren Verein von studentischen
Eisenbahnbastlern, der an der amerikanischen Eliteuniversität MIT in Boston
in den 1960er Jahren den Computer als neues Spielzeug entdeckte. Dort
entstanden unter anderem das erste Schreibprogramm, das erste Computerspiel
und frühe computergesteuerte Roboteranwendungen – unglaubliche Ideen in
einer Zeit, als Computer noch in klimatisierten Laboren standen und von
Technikern in weißen Kitteln bedient wurden. In den 1970er Jahren
verbreitet sich die Hackerszene an Unis in den gesamten USA. Besonders
einflussreich wurde der Homebrew Computer Club, der sich Mitte der 1970er
Jahre im Silicon Valley formierte und dem unter anderem die beiden
Apple-Gründer Steve Jobs und Steve Wozniak angehörten. In all diesen Szenen
recherchierte Levy – als einer der ersten Journalisten überhaupt.
Wie haben Sie von dem Tech Model Railroad Club am MIT erfahren?
Ursprünglich sollte das MIT gar nicht in dem Buch vorkommen. Ich wollte
eigentlich mit dem Homebrew Computer Club anfangen, und dann sollte ein
Teil über Computerspiele folgen. Aber während ich für das Buch
recherchierte, wurde mir klar: Moment mal – es gibt einen Ort, wo das
Hacken begann. Ich hörte immer wieder davon, also entschied ich mich, mir
diese ganze Szene am MIT vorzunehmen. Mit diesen Leuten zu reden war
geradezu magisch, denn ihre unglaubliche Geschichte war noch nie irgendwo
erzählt worden. Sie haben die Computerkultur erfunden, die ganze Art, wie
wir mit Computern umgehen. Manchmal kam ich von Interviews zurück und sagte
mir: „Wow, mit diesem Menschen hat noch nie jemand gesprochen.“
Viele Leute halten Hacker für Verbrecher, die Computer knacken und Daten
stehlen. Waren solche Vorstellungen damals schon im Umlauf?
Nein. Es gab noch keine Definition dieses Wortes. Die meisten Leute kannten
es überhaupt nicht. Und wenn Leute, die nicht zur Szene gehörten, es
benutzen, war es ein abwertender Ausdruck für jemanden, der ein
Computersüchtiger ohne soziale Kompetenz war. In der Szene hatte das Wort
natürlich eine sehr positive Bedeutung, und es war ein Kompliment, wenn man
jemanden einen Hacker nannte. Erst als der Film „War Games“ herauskam,
setzte sich der Eindruck durch, dass ein Hacker jemand ist, der Daten
stiehlt. Die heute gebräuchliche Definition ist eine Pervertierung der
ursprünglichen Bedeutung des Wortes. Das passierte, als mein Buch schon
erschienen war.
Wie ist die Hackerethik, die Sie im Buch formulieren, entstanden? Besteht
sie aus Statements, die Sie Ihren Interviews mit Leuten aus der Szene
entnommen haben? Oder war das Ihre Formulierung von Dingen, die Sie
beobachtet hatten?
Während ich recherchierte, wurde mir klar, dass es verschiedene
Generationen von Hackern gab. Es gab erst mal die MIT-Gruppe, dann die
Homebrew-Computer-Club-Hardware-Hacker und dann diese jungen
Computerspielhacker, die die Computerei auf den Maschinen lernten, die die
Homebrew-Computer-Leute erfunden hatten. Einerseits waren sie ganz
verschieden, aber gleichzeitig teilten sie auch durchaus Werte und
unausgesprochene Grundannahmen. Sie hatten eine gemeinsame Geisteshaltung.
Also entschied ich mich, diese Regeln zu kodifizieren und sie „Hackerethik“
zu nennen. Ich fasste sie zusammen, und erklärte sie im zweiten Kapitel des
Buchs.
Das erste Prinzip der Hackerethik lautet: „Der Zugang zu Computern und
allem, was einem zeigen kann, wie diese Welt funktioniert, sollte
unbegrenzt und vollständig sein.“ Wie sind Sie darauf gekommen?
Ich weiß noch, wie ich einmal mit einem meiner Gesprächspartner im Auto
darüber redete, wie man Ampeln programmieren könnte, ob es möglich wäre,
ihre Schaltkästen zu öffnen, um daran herumzubasteln. Da wurde mir klar,
dass Hacker wirklich alles in ihre Finger bekommen wollen! Nicht nur, aber
ganz besonders Computer. Und ich dachte an die MIT-Leute, die ganze Nächte
durchmachten, um an den Computern zu arbeiten. Manchmal knackten sie sogar
Schlösser, um in die Rechenzentren zu kommen.
Eine andere Doktrin der Hackerethik lautet: „Misstraue Autoritäten –
fördere Dezentralisierung.“
Hacker betrachteten Autoritäten als Leute, die Geheimnisse behalten und sie
von Computern fernhalten wollen. Wenn diese Art von Macht zentralisiert
ist, kann sie auch immer missbraucht werden, dachten sie. Computer
verleihen Leuten, die sie besitzen, Macht. Wenn man sie verbreitete,
verteilt man die Macht.
Levy hat mit „Hackers“ nicht nur der Szene Aufmerksamkeit verschafft, auch
ihn selbst machte das Buch berühmt. Bis heute ist der 63-Jährige einer der
renommiertesten Techjournalisten der USA, jüngst wechselte er von der
Techzeitschrift „Wired“ zur Blogging-Plattform [1][medium.com].
Was halten Sie von Gruppen wie Anonymous? Folgen auch diese der
Hackerethik?
Ich halten nichts von Leuten, die ihre Computer dazu benutzen, einfach aus
Gaudi zu stehlen oder zu zerstören. Aber Leute, die so etwas aus legitimen
politischen Motiven machen, sind für mich Aktivisten. Ich bin in den 1960er
Jahren groß geworden, daher habe ich großen Respekt vor zivilem Ungehorsam.
Ich bin aber nicht mit allem einverstanden, was Anonymous tut. Wenn man zum
Beispiel eine Nachrichtenwebsite hackt, weil einem nicht gefällt, was die
schreiben, ist das Zensur.
Sie haben im Laufe der Jahre Bücher über Apple und Google geschrieben, die
beide aus dem Hackermilieu heraus entstanden. Haben diese Firmen ihre
Wurzeln in der Hackerszene verraten?
Witzigerweise schreibe ich schon in „Hackers“ darüber, wie Apple sich von
einer Hackerfirma wegentwickelt, wie sie anfangen, Geheimnisse zu hüten.
Was irgendwie auch unvermeidlich ist: Wenn man eine große, an der Börse
gehandelte Firma hat, kann man sie nicht wie ein Hacker führen.
Andererseits beginnen die großen Technologiefirmen auch einzusehen, dass
der Hackergeist wirklich helfen kann.
27 Nov 2014
## LINKS
[1] http://www.medium.com
## AUTOREN
Tilman Baumgärtel
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