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# taz.de -- Alenka Zupancics „Geist der Komödie“: Das Loch in der Endlichk…
> Alenka Zupancic zählt zu der „Ljubljaner Schule für Psychoanalyse“. Im
> „Geist der Komödie“ entwickelt sie eine eigene Theorie des Komischen.
Bild: Als Beispiel nennt Zupancic einen hochmütigen Baron, der auf einer Banan…
Ljubljana und Philosophie reimen sich seit den neunziger Jahren auf den
Namen Slavoj Zizek: Dass Theorie aus Slowenien heute als feste Größe im
internationalen Wissenschaftsbetrieb gilt, hat in erster Linie mit der
ureigenen Mischung aus Lacan, Hegel, Marx und Popkultur zu tun, die Zizek
erfolgreich als Marke etabliert hat.
Zizek ist lediglich der sichtbarste unter den Theoretikern aus Ljubljana.
Zur „Ljubljaner Schule für Psychoanalyse“ gehören ebenso Philosophen wie
Miran Bozovic, Mladen Dolar und Alenka Zupancic. Letztere ist eine gute
Generation jünger als Zizek und hat bei ihm promoviert, pflegt aber einen
weit weniger sprunghaften Denkstil.
Während Zizeks große Stärke darin liegt, die verschlungenen und kryptisch
formulierten Theorien des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan
schlaglichtartig mit Beispielen aus Pop, Zeitgeschichte oder
Toilettensoziologie auf den Punkt zu bringen, kultiviert Zupancic in ihren
Texten eine „akademischere“ Herangehensweise, arbeitet einzelne Gedanken
gründlicher heraus – wobei sie klarer und eleganter schreibt als ein
Großteil heutiger Berufsphilosophen.
Ein anderer Unterschied zu Zizek ist Zupancics Produktivität. Statt wie
dieser mehrere Bücher pro Jahr in die Welt zu entsenden, lässt sie sich mit
ihren Veröffentlichungen lieber Zeit. Auf Deutsch erschienen von ihr bisher
vier Titel, darunter „Ethik des Realen“ (1995) und „Das Reale einer
Illusion“ (2001), in denen sie sich mit Kants Ethik aus der Perspektive
Lacans beschäftigt, und zuletzt „Der Geist der Komödie“. Nach Zizek ist s…
damit immer noch die am häufigsten ins Deutsche übersetzte Vertreterin der
Ljubljaner Schule.
Mit dem „Geist der Komödie“ präsentiert Zupancic nicht nur eine Theorie d…
Komischen, sondern plädiert zugleich für eine weniger „herablassende
Einstellung der Philosophie zur Komödie“, die, wie sie mutmaßt, daher
rühren könnte, dass der philosophische Gründungstext der Komödie, das 2.
Buch von Aristoteles’ „Poetik“, verschollen ist. Tatsächlich haben sich
Philosophen der Komödie und des Komischen eher nur in Ausnahmefällen
angenommen.
## Das Abstrakte und Konkrete
Zu Unrecht, so Zupancic. Schließlich teilen Philosophie und Komödie die
„Weigerung, dann aufzuhören, sobald Dinge keinem unmittelbaren Zweck mehr
dienen“, beide werden gleichermaßen als nutzlos belächelt, können dafür
jedoch den Blick auf die Dinge entscheidend verändern. In der Komödie
geschieht dies etwa dadurch, dass das Abstrakte und das Konkrete „die
Plätze getauscht“ haben.
Als Beispiel nennt Zupancic einen hochmütigen Baron, der auf einer
Bananenschale ausrutscht, nur um sich sofort wieder zu erheben, ohne in
seiner Arroganz beeinträchtigt zu werden. Der unerschütterliche Glaube an
sich selbst, sein Hochmut, sei es, was ihn konkret und menschlich mache,
nicht der Umstand, dass „auch“ ein Adliger den Gesetzen der Schwerkraft
unterworfen ist: „Bananenschalen, Schlammpfützen und all die anderen
Mittel, durch welche die Realität den komischen Charakter an seine Existenz
erinnert, sind letztlich viel abstrakter […] als der sehr lebhafte und
deutliche Glaube des Barons an sein eigenes aristokratisches Selbst.“
Zupancic unterscheidet zwischen „wahren“ und „falschen“ Komödien. Um b…
dem Baron zu bleiben: Eine wahre Komödie müsse darauf hinauslaufen, dass
der universale Aspekt der Aristokratie seine eigene „Menschlichkeit,
Körperlichkeit und Subjektivität“ produziert. Die Pointe sei nicht, „dass
ein Aristokrat auch ein gewöhnlicher Mensch ist.
Er ist gerade als ein Aristokrat, auf dem Gipfel seiner Aristokratie, ein
gewöhnlicher Mensch.“ Auf die Gegenwart übertragen, besteht die Komödie
eines George W. Bush nicht darin, dass er sich über sein „Präsidenten-Ich“
lustig macht, sondern genau in den Momenten, in denen er versucht, sich als
ein „ernster amerikanischer Präsident“ zu geben.
## Endlichkeit und Unendlichkeit
Ein paar der Zizek-typischen dialektischen Volten bietet auch Zupancic auf,
am prägnantesten in ihrer Diskussion der Beziehung der Komödie zu
Endlichkeit und Unendlichkeit: Menschliche Leidenschaften hätten immer eine
Dimension, die über die bloße Endlichkeit hinausweise und so treffe die
Komödie mit ihrem Insistieren auf dem „Unzerstörbaren“ – komische
Charaktere überstehen die heftigsten Katastrophen fast immer unbeschadet –
einen realen Kern.
Denn „die menschliche Endlichkeit hat ein Loch“. Dialektisch gesagt: „Nic…
nur sind wir nicht unendlich, wir sind nicht einmal endlich.“ Der Stoff,
aus dem die Komödien sind, sei genau dieses „Loch in der Endlichkeit“ –
siehe den Baron und seine Bananenschalen, auf denen er immer wieder das
Gleichgewicht, aber nie seinen Hochmut verliert. Ein allemal ungewohnter
Blick auf die Komödie.
1 Dec 2014
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Buch
Philosophie
Komödie
Slowenien
Paris
Marquis de Sade
Literatur
Anonymous
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