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# taz.de -- Bedenkliche „Schlamperei“: Aktenfresser​
> Aus der SPD-Staatskanzlei in Hannover verschwindet eine Regierungsakte
> zur VW-Affäre. Gefunden wird sie vom ehemaligen FDP-Wirtschaftsminister​.
Bild: Ziemlich nah: Ministerpräsident Weil und VW-Chef Müller
HANNOVER taz | Manchmal muss man einfach Glück haben: Da verschlampt die
Regierungszentrale des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil
(SPD) irgendwann zwischen dem 9. und dem 12. Oktober eine sogenannte
Handakte – ausgerechnet eine zum Abgas-Skandal bei Volkswagen.
„Schlamperei“ sei das, ärgert sich der ehemalige FDP-Wirtschaftsminister
Jörg Bode prompt: Es sei „wirklich bedenklich, wenn Akten aus der
Staatskanzlei einfach so verlorengehen“. In Sachen Seriosität steht es in
Hannover damit eins zu null für die Opposition.
Doch der Ex-Minister ist wirklich ein Mann des Glücks. Drei Wochen später
findet ausgerechnet Bode die verlorene Akte wieder – einfach so im Landtag,
wo die Regierung und das wegen Diebstahlsverdacht eingeschaltete
Landeskriminalamt schon intensiv nach dem guten Stück gesucht hatten. Er
sei einfach einer Meldung des Spiegel nachgegangen, sagt Bode. Der hatte in
einer Kurzmeldung berichtet, die Handakte „kursiere“ im Landesparlament.
Besonders brisant ist deren Inhalt offenbar nicht: Neben E-Mails von Weils
Sprecherin Anke Pörksen finden sich in dem Ordner handschriftliche Notizen
und Arbeitspapiere zur VW-Affäre, die irgendein Geheimniskrämer in der
Regierungszentrale als „vertraulich“ gestempelt hat. FDP-Mann Bode aber
sauste trotzdem in den Landtag, machte ein paar Fotos von der Akte und
schickte die an Journalisten. Stunden später tauchte dann auch
CDU-Fraktionsvize Dirk Toepffer auf – in Begleitung eines Lokalreporters
und zweier Polizeibeamten. Eine als gestohlen gemeldete Akte könne er
schließlich „nicht einfach abgeben“, so Jurist Toepffer zur Begründung.
Spätestens jetzt soll es in Hannover also zwei zu null für die Opposition
stehen. Doch das Affärchen zielt direkt auf die Glaubwürdigkeit von
SPD-Ministerpräsident Weil. Wie vertrauenswürdig, wie ernst zu nehmen ist
Weil in seiner Rolle als selbsternannter Chefaufklärer im Abgas-Skandal
eigentlich? Das ist der Subtext der Aufregung um die verschwundene VW-Akte.
Niedersachsen hält 20 Prozent der Anteile an dem Autobauer. Regierungschef
Weil sitzt im Präsidium des VW-Aufsichtsrats, macht dort eine erstaunlich
gute Figur: „Im Kreis der Kontrolleure“ habe er „gewaltig an Format
gewonnen“, schreibt etwa die Deutsche Presseagentur. Im Interview mit der
Süddeutschen Zeitung konnte sich Weil mit Forderungen nach einer anderen
Unternehmenskultur profilieren.
Der Opposition in der Landeshauptstadt Hannover kann das nicht gefallen.
Nicht nur Sozialdemokraten halten deshalb Verlust und Wiederauftauchen der
VW-Akte für inszeniert – Hendrik Tonne, parlamentarischer Geschäftsführer
der SPD-Fraktion, sieht CDU und FDP bereits im Verdacht, eine
„Schmierenkomödie“ aufgeführt zu haben: „Unbeteiligte Dritte finden nic…
aber die Opposition will die Akte rein zufällig gesehen haben“, fragt
Tonne: „Das kann doch keiner wirklich glauben.“ Verdächtig sei selbst der
Fundort des Ordners: Aufgespürt haben will FDP-Mann Bode die Akte in
unmittelbarer Nähe des FDP-Fraktionssaals.
3 Nov 2015
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Dieselskandal
Niedersachsen
Hannover
Stephan Weil
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