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# taz.de -- Kommentar Freihandelsabkommen TTIP: Im Abgasnebel
> Die Befürworter des umstrittenen TTIP-Abkommens werben ausgerechnet mit
> dem VW-Skandal. Damit verkehren sie die Fakten ins Gegenteil.
Bild: Gerade die VW-Ereignisse sind gute Argumente gegen TTIP und CETA
Für die Fans von TTIP sind es schwere Zeiten: Der Widerstand gegen das
Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA wird nicht geringer,
sondern stärker. Die europäische Bürgerinitiative gegen TTIP verzeichnet
eine Rekordbeteiligung, in Deutschland gehen an diesem Samstag Zehntausende
gegen das Abkommen auf die Straße – mit intensiver Unterstützung durch die
einflussreichen Gewerkschaften, die nach einem zwischenzeitigen
Kompromisskurs zu einer klaren Ablehnung zurückgefunden haben.
Die TTIP-Befürworter reagieren darauf mit verstärkter Werbung für das
Abkommen – und sie schrecken dabei auch vor noch so absurden
Fehlinformationen nicht zurück. Schon in der Vergangenheit argumentierten
Industrieverbände und Bundesregierung mit angeblichen Arbeitsplatz- und
Wachstumseffekten von TTIP, für die es keinerlei Belege gab. Nun soll
ausgerechnet der Abgasbetrug von VW dazu dienen, den Deutschen das Abkommen
mit den USA schmackhaft zu machen.
Schließlich, so lautet das neue Argument, waren es ja die US-Behörden, die
dem deutschen Konzern auf die Schliche gekommen sind – da kann der
Verbraucherschutz in den USA wohl nicht so schlecht sein, wie die Europäer
gern behaupten. „Und, äh, was ist der aktuelle Abgas-Skandal?“, höhnte et…
die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström in der Süddeutschen Zeitung.
„Wer hat die höheren Abgasstandards?“ Ähnlich argumentieren viele
konservative Politiker und Kommentatoren in Deutschland: Durch TTIP, das
zeige das entschlossene Vorgehen der USA gegen VW, würde der
Verbraucherschutz in Europa nicht geschwächt, sondern gestärkt.
Mit der Realität hat das allerdings nichts zu tun. Vorerst hätte das
Freihandelsabkommen auf Abgaswerte von Autos gar keine Auswirkungen, denn
über dieses Thema ist im Rahmen von TTIP – soweit bekannt – noch überhaupt
nicht verhandelt worden. Und wenn das in Zukunft passiert, wird es
natürlich nicht so sein, dass die Abgaswerte und Kontrollen in Europa an
die der USA angepasst werden.
## TTIP verringert Kontrollen
Denn das wichtigste Prinzip, mit dem TTIP sogenannte Handelshemmnisse
abbauen will, ist die „gegenseitige Anerkennung“ von Standards. Jedes
Produkt, das auf der einen Seiten des Atlantiks zugelassen wurde, soll
automatisch auch auf der anderen Seite akzeptiert werden. Damit werden
faktisch die jeweils strengeren Anforderungen ausgehebelt und Kontrollen
verringert.
Genau aus diesem Grund gehört die deutsche Autoindustrie ja zu den
entschiedensten Befürwortern von TTIP. „Wenn wir unsere Regeln und
Vorschriften gegenseitig anerkennen und perspektivisch sogar angleichen,
dann wird dieses Abkommen zu einem Motor des Wirtschaftsstandorts Europa“,
hatte Martin Winterkorn, seinerzeit noch VW-Chef, im Januar verkündet. Noch
klarer benannte Rupert Stadler, Chef der VW-Tochter Audi, das langfristige
Ziel der Industrie: „Entscheidend ist, dass sich die EU und die USA mit
TTIP darauf verständigen, künftige Vorschriften im Automobilsektor in
gegenseitigem Einvernehmen zu verabschieden und auch anzuwenden.“
Und dabei wird die Autoindustrie viel mitzureden haben. Denn über künftige
Standards soll unter TTIP ein „regulatorischer Rat“ mit Vertretern aus
EU-Kommission und US-Regierung entscheiden, und zwar in enger Abstimmung
mit der jeweils betroffenen Industrie.
Genau jene Konzerne, die schon bisher alles daran setzen, Gesetze erst
abzuschwächen und – wie zumindest bei VW erwiesen – diese anschließend mit
hoher krimineller Energie zu unterlaufen, sollen in Zukunft also eine
entscheidende Rolle bei der Festlegung gemeinsamer Standards spielen. Und
wenn ihnen die Entscheidungen nicht passen, können sie die Staaten auch
noch verklagen. Dass der Widerstand gegen TTIP nicht nachlässt, ist
angesichts dessen wirklich nicht verwunderlich.
9 Oct 2015
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
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