# taz.de -- Freihandelsabkommen Ceta: Freie Hand für Änderungen? | |
> Das Ceta-Abkommen könnte nachträglich erweitert werden – am Parlament | |
> vorbei. Die Regierung sieht das mal als Problem, mal nicht. | |
Bild: Gemeinsam gegen Ceta und TTIP. Am Samstag soll in Berlin demonstriert wer… | |
BERLIN taz | Das umstrittene Freihandelsabkommen Ceta, das die EU mit | |
Kanada abschließen will und gegen das an diesem Samstag mehrere 10.000 | |
Menschen in Berlin demonstrieren wollen, hat möglicherweise sehr viel | |
weitergehende Folgen als bisher bekannt. Davor warnen Grüne und Linke im | |
Bundestag unter Bezug auf ein völkerrechtliches Gutachten. Die | |
Bundesregierung reagiert widersprüchlich auf die Frage, ob sie diese | |
Einschätzung teilt. | |
Das fertig verhandelte Ceta-Abkommen, das als Vorbild für das zwischen der | |
EU und den USA geplante TTIP gilt, enthält eine Reihe von Ausnahmen, für | |
die keine Liberalisierungspflicht gelten soll. Dazu gehören etwa | |
öffentliche Dienstleistungen im Bildungs- und Kulturbereich sowie | |
Umweltdienstleistungen, zu denen die Wasserversorgung gehört. Geregelt | |
werden solche Ausnahmen in Anhängen zum eigentlichen Vertragstext. | |
Doch diese Anhänge können später möglicherweise ohne parlamentarische | |
Kontrolle geändert werden, warnt ein Rechtsgutachten der Universität | |
Göttingen ([1][PDF]), das im Auftrag der Arbeiterkammer Wien erstellt | |
wurde. Denn Ceta ist – wie auch das Pendant TTIP – als „lebendiges | |
Abkommen“ definiert: Nach der Ratifizierung tagt regelmäßig der sogenannte | |
Hauptausschuss, in dem Vertreter von EU-Kommission und kanadischer | |
Regierung sitzen. | |
Und dieses Gremium hat weitreichende Kompetenzen, schreiben die Gutachter. | |
„Durch den Hauptausschuss können völkerrechtlich verbindliche | |
Entscheidungen getroffen werden“, heißt es. „Davon umfasst sind auch | |
Änderungen der Anhänge, Anlagen, Protokolle und Anmerkungen.“ Das | |
EU-Parlament müsse solchen Änderungen nicht zustimmen. | |
Zwar sei der vorliegende Vertragstext „sehr schlecht formuliert“ und darum | |
in dieser Frage teilweise widersprüchlich, sagte der Völkerrechtler Till | |
Patrik Holterhus als einer der Autoren des Gutachtens der taz. „Aber diese | |
Unklarheit bietet ein Missbrauchspotenzial.“ | |
## Daseinsvorsorge sichern | |
Die Oppositionsfraktionen von Grünen und Linken im Bundestag sind darum | |
alarmiert. „Für einen so sensiblen Bereich wie die kommunale | |
Daseinsvorsorge muss absolute Rechtssicherheit herrschen“, sagt die | |
kommunalpolitische Sprecherin der Grünen, Britta Haßelmann. Die | |
Bundesregierung müsse alles daran setzen, „dass die Daseinsvorsorge | |
nachhaltig gesichert ist“. Mit Anfragen haben beide Parteien beim | |
zuständigen Bundeswirtschaftsministerium um eine Einschätzung zum brisanten | |
Gutachten gebeten. | |
Die Antworten aus dem Ministerium unter Leitung von SPD-Chef Sigmar Gabriel | |
fielen dabei extrem widersprüchlich aus. Am 10. September schrieb | |
Staatssekretärin Brigitte Zypries an die Linksfraktion, der Hauptausschuss | |
habe „keinerlei Befugnis“, verbindliche Änderungen am Vertrag vorzunehmen: | |
„Er kann lediglich Empfehlungen an die Vertragsparteien aussprechen.“ | |
([2][PDF des Schreibens]) | |
Bei einer mündlichen Befragung im Bundestag durch die Grünen klang das zwei | |
Wochen später ganz anders. Da sprach Zypries von einer „möglicherweise | |
missverständlichen Passage“, die im Rahmen der letzten Überarbeitung, der | |
sogenannten Rechtsförmlichkeitsprüfung, noch „angepasst“ werden solle. | |
Auf eine schriftliche Nachfrage hin, ob Deutschland den Vertrag ablehnen | |
werde, falls diese Änderung nicht durchsetzbar sei, ruderte das Ministerium | |
wieder zurück: Am 1. Oktober erklärte Staatssekretär Uwe Beckmeyer, der | |
Ausschuss habe „nach dem Verständnis der Bundesregierung [...] keine | |
generelle Möglichkeit für die Änderung sämtlicher Anhänge“. Spätere | |
Anpassungen könne er nur in einem eng definierten Rahmen vornehmen. | |
## „Der Vertrag ist ein Abgesang auf die Demokratie“ | |
Auch auf taz-Anfrage erklärte das Wirtschaftsministerium, die hauseigenen | |
Juristen teilten die Einschätzungen der Göttinger Gutachter nicht. Es sei | |
„sichergestellt, dass der Ceta-Hauptausschuss keine bindenden | |
Entscheidungen, sondern nur Empfehlungen ausspricht“. Diese würden nur | |
verbindlich, wenn beide Vertragsparteien „nach ihren jeweiligen internen | |
Vorschriften und Verfahren zugestimmt haben“. Andernfalls würde die | |
Regierung dem Abkommen nicht zustimmen, schreibt das Ministerium. | |
Linken-Fraktionsvize Klaus Ernst hält die Widersprüche für inakzeptabel. | |
„Minister Gabriel eiert rum und wirft die Nebelkanone an.“ Für ihn steht | |
fest: „Der Vertrag ist ein Abgesang auf die Demokratie.“ | |
Auch die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch warnt davor, dass die | |
geplanten Freihandelsabkommen die Demokratie aushöhlten. „Ohne jede | |
parlamentarische Kontrolle könnten Technokraten und Beamte in Zukunft über | |
weitreichende Regulierungsvorhaben entscheiden“, kritisierte | |
Foodwatch-Expertin Lena Blanken. | |
8 Oct 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://media.arbeiterkammer.at/wien/PDF/studien/Regulierungszusammenarbeit_… | |
[2] http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/P-R/Parlamentarische-Anfragen/2015/18… | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
## TAGS | |
Schwerpunkt TTIP | |
CETA | |
Schwerpunkt TTIP | |
Schwerpunkt TTIP | |
Schwerpunkt TTIP | |
Schwerpunkt TTIP | |
Schwerpunkt TTIP | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Katholiken uneinig: Bischöfe kritisieren TTIP-Gegner | |
Die Bischofskonferenz hält das Freihandelsabkommen unter bestimmten | |
Bedingungen für positiv. Im Gegensatz zu anderen katholischen | |
Organisationen. | |
Kommentar Freihandelsabkommen TTIP: Im Abgasnebel | |
Die Befürworter des umstrittenen TTIP-Abkommens werben ausgerechnet mit dem | |
VW-Skandal. Damit verkehren sie die Fakten ins Gegenteil. | |
Proteste gegen TTIP: Die Angst vor der Volksentmachtung | |
VW-Skandal und Facebook-Urteil zeigen, dass auch die großen Player Gesetze | |
achten müssen. Doch was passiert, wenn TTIP in Kraft treten sollte? | |
Foodwatch leakt Dokument: Geheimes Ceta-Mandat veröffentlicht | |
Die umstrittenen Schiedsgerichte waren der EU zunächst gar nicht so | |
wichtig. Das zeigt ein von Foodwatch veröffentlichtes Papier zum | |
Ceta-Abkommen. | |
Kommentar EU-Vorstoß Investorenschutz: Keine Extrawürste für Konzerne | |
TTIP ist ein undemokratisches Abkommen und die Schiedsgerichte sind völlig | |
überflüssig. Die staatlichen Rechtssysteme reichen aus. |