# taz.de -- Kommentare Vorratsdatenspeicherung: Von Anfang an verhunzt | |
> Die Vorratsdatenspeicherung kommt. Die taz hat die Debatte über Monate | |
> kommentiert. Eine Chronologie. | |
Bild: Bekommt endlich seine Vorratsdaten: Bundesinnenminister Thomas De Maiziè… | |
Nun ist sie wieder da: die Vorratsdatenspeicherung, wenn auch unter einem | |
anderen Namen. Polizei und Behörden können anlasslos und | |
verdachtsunabhängig Daten über die digitale und mobile Kommunikation aller | |
Bundesbürger speichen – Verbindungsdaten zehn Wochen lang, Standortdaten | |
vier. Mit der Vorratsdatenspeicherung lässt die Bundesregierung alte, | |
bereits gescheiterte, Gesetze wieder aufleben. Die taz hat sich daher | |
entschieden, auch ihre Kommentare zur Vorratsdatenspeicherung zu recyclen | |
und hier in Auszügen zusammenzustellen: | |
[1][Die Sicherheitspolitiker sind nach den Anschlägen von Paris ratlos und | |
verunsichert.] Halt suchen viele von ihnen – vor allem diejenigen der | |
CDU/CSU – in eingeübten Routinen. Hierzu gehört der Ruf nach | |
Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Alle Telefon- und | |
Internet-Verkehrsdaten aller Bürgerinnen und Bürger sollen mindestens sechs | |
Monate lang gespeichert werden, damit die Polizei im Bedarfsfall darauf | |
zugreifen kann. | |
Allerdings haben die verunsicherten Sicherheitspolitiker in ihrem spontanen | |
Bedürfnis übersehen, dass die Anschläge ja in Frankreich stattfanden und es | |
dort seit Jahren schon eine derartige Vorratsdatenspeicherung gibt. Besser | |
kann man kaum illustrieren, dass die Massenüberwachung kein effizientes | |
Mittel ist, um solche furchtbaren Anschläge zu verhindern. | |
[2][Die SPD hat in dieser Frage keine Linie und keine nachvollziehbare | |
Position.] Stets hängt sie ihr Fähnchen in den Wind, reagiert auf | |
Ereignisse oder versteckt sich hinter Gerichtsurteilen, die dann doch nicht | |
so eindeutig sind wie behauptet. | |
Im Koalitionsvertrag mit der Union stimmte man der Vorratsdatenspeicherung | |
[...] zu. Als der Europäische Gerichtshof die EU-Richtlinie letztes Jahr | |
kippte, profilierte sich SPD-Justizminister Maas als Gegner der | |
Vorratsdatenspeicherung. Nach den Charlie-Hebdo-Attentaten in Frankreich | |
sprach sich Parteichef Gabriel wieder dafür aus. | |
## Für die SPD nur Kanonenfutter | |
[3][Sigmar Gabriel hat sich in der SPD durchgesetzt, die generelle | |
Speicherung von Telefon- und Internetdaten soll kommen.] Will die Union so, | |
wollen die Geheimdienste so. Die SPD-Mitglieder und die Bürger wollen sie | |
eigentlich nicht, diese Vorratsdatenspeicherung. Aber im Zweifel geht die | |
gefühlte Sicherheit vor und Umfragen zeigen: Es ist kein wirklich wichtiges | |
Thema für die Wähler und damit klassisches Kanonenfutter, um den | |
Koalitionspartner zu besänftigen. | |
[4][Die Symbolik war eindeutig. Justizminister Heiko Maas (SPD) trat für | |
ein kurzes Statement vor die Presse, ließ drei Fragen zu und ging.] | |
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) nahm sich dagegen dreimal so viel | |
Zeit und erläuterte das Vorhaben ausführlich. De Maizière ist zwar nicht | |
federführend, aber er hat sich überwiegend durchgesetzt. | |
Überwachungskritiker Maas hatte eine schwache Position, weil ihn SPD-Chef | |
Gabriel zum Einlenken verdonnert hatte. | |
[5][Sich Zeit [mit einem Gesetzentwurf] zu nehmen wäre [...] hilfreich:] | |
Denn ob das Vorhaben überhaupt verfassungsgemäß ist, ist nicht so | |
eindeutig, wie es die zuständigen Ministerien gern darstellen. Das | |
Bundesverfassungsgericht hatte die Vorratsdatenspeicherung, wenn auch in | |
deutlich umfassenderer Form, schließlich schon einmal gekippt. | |
Weiter ging der Europäische Gerichtshof, der im vergangenen Jahr die | |
entsprechende EU-Richtlinie verwarf. Und dass es keinen Beweis für | |
bahnbrechende Ermittlungserfolge durch die Überwachungsmaßnahme gibt, ja | |
eher Belege dafür, dass Strafverfolger trotz Vorratsdatenspeicherung im | |
Dunkeln tappten, scheint auch noch nicht bei jedem Abgeordneten angekommen | |
zu sein. | |
## So denkt ein Überwachungsstaat | |
[6][Die Regierung will, dass die Telefon- und Internet-Verbindungsdaten von | |
80 Millionen Menschen in Deutschland vorsorglich zehn Wochen lang | |
gespeichert werden], die Standortdaten aller Handys vier Wochen lang. Und | |
das alles nur für den Fall, dass die Polizei die Daten vielleicht brauchen | |
könnte. Erst sollen also anlasslos Daten von allen Bürgern gesammelt werden | |
und dann schaut man, was wirklich relevant ist. So denkt ein | |
Überwachungsstaat. [...] | |
Nun heißt es, zehn Wochen seien doch nicht so schlimm. Die kurze | |
Speicherfrist sei ein Erfolg der SPD. Dank Sigmar Gabriel darf sich die SPD | |
also wieder Mal als kleineres Übel präsentieren. Doch NSA und russischen | |
Geheimdiensten dürften auch zehn Wochen genügen, die Daten abzugreifen. | |
[7][Auch Daten über netzinterne und über Flatrate abgerechnete | |
Kommunikation], die derzeit teilweise noch zeitnah gelöscht werden, würden | |
dann verpflichtend gespeichert werden müssen. Eine verhältnismäßig kleine | |
Lücke im Überwachungspuzzle. Und eine, die das offizielle Hauptargument für | |
eine Vorratsdatenspeicherung – eine höhere Aufklärungsquote bei Verbrechen | |
– noch unplausibler macht. | |
16 Oct 2015 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
Svenja Bergt | |
Reiner Metzger | |
Ronny Müller | |
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