# taz.de -- Beschluss des Bundesverfassungsgerichts: Anspruch auf Urteile | |
> Medien haben das Recht, Gerichtsurteile im Wortlaut nachzulesen. Das gilt | |
> auch, wenn diese noch nicht rechtskräftig sind. | |
Bild: Her mit dem Urteil. | |
FREIBURG taz | Gerichte müssen ihre Urteile der Presse auf Anfrage zur | |
Verfügung stellen. Das entschied jetzt eine Kammer des | |
Bundesverfassungsgerichts. Die gelte auch für Urteile, gegen die | |
Rechtsmittel eingelegt wurden. | |
Gestritten wurde um ein Urteil des Landgerichts Meiningen, mit dem der | |
Thüringer Ex-Innenminister Christian Köckert (CDU) im Januar 2014 | |
verurteilt worden war. Köckert hatte sich als Mitglied im Stadtrat von | |
Eisenach sowie als Stellvertreter des OB für einen Elektrofachmarkt und für | |
ein Windkraftunternehmen eingesetzt - während beide Firmen ihn gleichzeitig | |
per Beratervertrag bezahlten. | |
Das Landgericht sah darin eine Vorteilsannahme und Abgeordnetenbestechung | |
und verurteilte Köckert zu einer Bewährungsstrafe von 15 Monaten. Dagegen | |
legte Köckert Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) ein (die inzwischen im | |
Kern abgelehnt wurde). | |
Das Handelsblatt hatte über den Fall berichtet und wollte Näheres über die | |
Begründung des Landgerichts erfahren - schon vor der BGH-Entscheidung. Der | |
Präsident des Landgerichts verweigerte jedoch die Herausgabe des Urteils, | |
ebenso das später angerufene Thüringer Oberverwaltungsgericht. | |
## Verfassungsbeschwerde | |
Begründung: Das Meininger Urteil sei noch nicht rechtskräftig. Falls der | |
Prozess neu aufgerollt werden müsste, könnte eine Veröffentlichung des | |
ersten Urteils zur Beeinflussung von Zeugen führen. Gegen die Verweigerung | |
erhob das Handelsblatt Verfassungsbeschwerde. Mit Erfolg. | |
Die Verweigerung der Thüringer Justiz hat die Pressefreiheit verletzt, | |
entschied nun das Bundesverfassungsgericht. Zwar gewähre der | |
presserechtliche Auskunftsanspruch nicht stets ein Recht auf Akteneinsicht, | |
sondern nur auf die Beantwortung von Fragen. | |
Bei Gerichtsurteilen gehe der Anspruch aber weiter, weil das gerichtliche | |
Verfahren ohnehin in der Regel öffentlich ist und diese Öffentlichkeit auch | |
zum Rechtstaatsprinzip gehört. Es gebe deshalb eine „Rechtspflicht zur | |
Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen“ und einen | |
entsprechenden Anspruch von Medienvertretern. | |
Die Publikationspflicht besteht, so die Karlsruher Richter, auch bei | |
Urteilen, die noch nicht rechtskräftig sind - jedenfalls wenn es um eine | |
„Person des öffentlichen Lebens“ geht und die strafrechtlichen Vorwürfe v… | |
„öffentlichem Interesse“ sind. Der abstrakte Hinweis auf die mögliche | |
Beeinflussung von Zeugen genüge nicht. | |
Eine Verweigerung des Urteils wäre nur möglich, wenn es „konkrete | |
Anhaltspunkte“ für eine Gefährdung des weiteren gerichtlichen Verfahrens | |
gebe. | |
29 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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