# taz.de -- Kommentar de Maizière zu Flüchtlingen: Dieser Minister ist widerl… | |
> Thomas de Maizières Äußerungen über das ungebührliche Benehmen von | |
> Flüchtlingen sind präzis kalkulierte Hetze. | |
Bild: Bundesinneminister de Maizière gibt den harten Hund. | |
Klären wir erst einmal das Wesentliche: Was Thomas de Maizière am | |
[1][Donnerstag zum Thema „Dankbarkeit“] und Benehmen geflüchteter Menschen | |
von sich gegeben hat, ist widerlich, niederträchtig, verlogen, arrogant, | |
menschenfeindlich, ressentimentgeladen und so dumm, dass man sich damit | |
eigentlich nicht weiter beschäftigen möchte. | |
Geht aber nicht. Denn de Maizière ist ja nicht irgendein Pegida-Vollpfosten | |
oder anonymer PI-News-Kommentator. Er ist noch nicht einmal CSU-Chef. Wie | |
auch immer es dazu kommen konnte, der Mann ist amtierender | |
Bundesinnenminister, zuständig für die Sicherheit aller in Deutschland | |
lebenden Menschen. | |
Schon qua Amt sollte ihm also aufgefallen sein, dass nahezu jeden Tag in | |
Deutschland Flüchtlinge angegriffen werden. Und zwar nicht, weil sie durch | |
ihr Verhalten provozieren. Sondern weil die Angreifer genau den Mist im | |
Kopf haben, dem de Maizière am Donnerstag das Wort redete. | |
„Jetzt gibt es schon viele Flüchtlinge, die glauben, sie können sich selbst | |
irgendwohin zuweisen“, empört sich der Minister. Na sowas, sie kümmern sich | |
um ihr eigenes Schicksal! Wo kommen wir da nur hin! „Sie gehen aus | |
Einrichtungen raus, sie bestellen sich ein Taxi, haben erstaunlicherweise | |
das Geld, um Hunderte von Kilometern durch Deutschland zu fahren.“ Woher | |
zum Teufel, haben die Geld? Wir erklären andauernd, dass es sich bei „einem | |
Großteil“ um Armuts- und Wirtschaftsflüchtlinge handelt, und die fahren | |
einfach Taxi? Das muss geklaut sein, da haben wir‘s. | |
## Wie kommen diese Leute dazu? | |
Und wie kommen diese Leute überhaupt dazu, nicht dankbar die | |
Massenunterkunft für 1.000 Geflüchtete, ohne Privatsphäre, mit 30 Duschen | |
und schlechtem Essen zu akzeptieren, sondern sich einfach selbstständig | |
etwas besseres zu suchen? | |
Machen ja nicht alle, möchte man de Maizière beruhigen, die meisten bleiben | |
brav, wo der deutsche Staat sie hinbringt, und manche versuchen sogar, sich | |
dort für bessere Bedingungen einzusetzen. Ach, das hat der Minister auch | |
schon gemerkt: „Sie streiken, weil ihnen die Unterkunft nicht gefällt, sie | |
machen Ärger, weil ihnen das Essen nicht gefällt.“ Ist also auch nicht | |
recht. | |
Eine „Ankommenskultur“ fordert De Maizière: Die Flüchtlinge hätten die | |
deutschen Rechtsnormen und Werte zu akzeptieren, sagt er im Bundestag mit | |
besorgtem Oberlehrerblick. | |
Das ist ungefähr so, wie wenn sich jemand hinstellt und fordert, in | |
deutschen Sternerestaurants müsse gefälligst mit Messer und Gabel gegessen | |
werden. „Jawoll!“ möchte man rufen – bis man kurz überlegt und merkt, d… | |
es dort eigentlich meist recht gesittet zugeht. Jedenfalls merken das die, | |
die es sich leisten können, in Sternerestaurants zu essen. Bei allen | |
anderen bleibt hängen, dass es dort offenbar Zustände herrschen wie bei | |
Hempels unterm Sofa. | |
Und was sind denn bitte die deutschen Werte und Rechtsordnung? Richtig, zum | |
Beispiel die Verfassung. Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. | |
Wer in den letzten Wochen auch nur einen einzigen Tag lang beobachtet hat, | |
wie das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales die Registrierung | |
von Flüchtlingen (nicht) organisiert, gerät bei diesem Artikel in | |
hysterisches Kreischen. | |
Oder Artikel 5: Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung | |
durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. „Lügenpresse auf die Fresse“ | |
brüllen jene, die sich durch de Maizières Äußerungen bestärkt fühlen, | |
zuletzt am [2][Mittwoch Abend in Erfurt], wo dann gleich noch im Anschluss | |
an die AfD-Kundgebung Gegendemonstranten von Nazis durch die Straßen | |
geprügelt wurden. Mit Vorsatz übrigens, nicht aus einem Lagerkoller heraus, | |
wie die Streits in manchen Flüchtlingsunterkünften entstehen. | |
## Mitläufer de Maizière | |
Aber es nutzt nichts, de Maizière zu widerlegen. Der Mann hat zwar keine | |
Doktorarbeit abgeschrieben, aber er ist ja trotzdem nicht dumm. Er weiß, | |
was er tut. | |
Er ist Teil jener, die ein Gespür dafür haben, dass die Stimmung in | |
Deutschland zuungunsten der Kanzlerin und vor allem der Flüchtlinge kippen | |
könnte. Und da will er dabei sein und auch gern ein bisschen mithelfen. | |
Die Vorschläge aus seinem Haus – strengere Sicherung der EU-Grenzen, | |
Verlängerung des Aufenthalts in Erstaufnahmestellen auf sechs Monate, | |
Asylschnellverfahren an den Außengrenzen – bedeuten tatsächliche Eingriffe | |
in die deutschen Verfassungsrechte, gravierende Menschenrechtsverletzungen | |
bzw. erschweren jegliche Integrationsbemühungen. Sie schaffen jene | |
Probleme, deren Existenz dann wieder besorgt beklagt und wiederum gegen die | |
Flüchtlinge eingesetzt wird. | |
Eigentlich müsste ein deutscher Innenminister den Rechtsstaat gegen den Mob | |
verteidigen und nicht andersherum. De Maizière aber zündelt. Die Kanzlerin | |
müsste ihn eher heute als morgen hinauswerfen. Macht sie aber nicht. Da ist | |
zu viel Angst vor den rechten Dumpfköppen – auf der Straße und in der | |
eigenen Koalition. | |
Und tatsächlich ist diese Angst, anders als jene vor geflüchteten Menschen, | |
nur allzu berechtigt. | |
2 Oct 2015 | |
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## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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