# taz.de -- Die Türkei nach dem Anschlag: Ein Land in Trauer | |
> In vielen türkischen Städten gibt es Trauerfeiern. Die Ermittlungen | |
> konzentrieren sich derzeit auf eine IS-Gruppe in Ostanatolien. | |
Bild: Noch sind die Hintermänner des Terroranschlags in Ankara nicht gefunden. | |
BERLIN taz | In der gesamten Türkei war der Montag der Tag der Trauer nach | |
dem verheerenden Terroranschlag am Samstag in Ankara. Von den insgesamt 97 | |
Toten wurden viele bereits am Montag beerdigt. Eine der größten | |
Trauerfeierlichkeiten fand im ostanatolischen Malatya statt, wo gleich 11 | |
Mitglieder der Jugendorganisation der sozialdemokratischen CHP zu Grabe | |
getragen wurden. | |
Parteichef Kemal Kılıçdaroğlu reiste nach Malatya, um den Angehörigen | |
persönlich sein Beileid auszusprechen. Keiner der getöteten jungen Leute | |
war älter als 22 Jahre. | |
Auch in vielen anderen Städten der Türkei fanden große Trauerfeiern statt. | |
In Izmir, der Metropole an der Ägäis, gab es im Anschluss an die Beerdigung | |
eine Trauerdemonstration, zu der sich Tausende Protestierende | |
zusammenfanden. An vielen Universitäten blockierten die Studenten die | |
Vorlesungen. Die linken Gewerkschaften hatten zu Solidaritätsstreiks | |
aufgerufen. | |
Die Hintermänner der beiden Selbstmordattentäter, die am Samstagmorgen das | |
Massaker am Bahnhofsplatz in Ankara angerichtet hatten, sind weiterhin noch | |
nicht identifiziert worden. Allerdings verdichten sich wohl die Indizien, | |
die zur Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) führen. Ministerpräsident Ahmet | |
Davutoğlu bestätigte das in einem Interview im Nachrichtenkanal NTV am | |
Montagmorgen, wollte allerdings einen anderen Hintergrund nicht definitiv | |
ausschließen. | |
Die Ermittlungen der Polizei konzentrieren sich nach Medienangaben auf eine | |
seit Langem bekannte IS-Gruppe in der ostanatolischen Stadt Adıyaman. Aus | |
dieser Gruppe stammte auch der Selbstmordattentäter von Suruç, sein älterer | |
Bruder gehört nun zu den Hauptverdächtigen. Insgesamt nahm die Polizei bis | |
Sonntagabend 43 Verdächtige aus dem Umfeld des IS fest. | |
## Versäumnisse beim Geheimdienst | |
Da diese IS-Gruppe seit Langem polizeibekannt ist, wird die Kritik an den | |
Sicherheitsbehörden nun immer lauter. Nicht mehr nur Betroffene, wie etwa | |
die kurdisch-linke HDP, auch unabhängige Terrorismusexperten prangern die | |
mangelhafte Arbeit des Geheimdienstes an. Selbst der frühere | |
stellvertretende Chef des Geheimdienstes MIT, Cevat Önes, sprach im | |
Fernsehen von erheblichen Versäumnissen. | |
Entsprechend mehren sich die Rücktrittsforderungen an Innenminister Selami | |
Altınok. Hatte dieser unmittelbar nach dem Anschlag noch behauptet, die | |
Sicherheitsbehörden hätten alles richtig gemacht, will er nun Lehren aus | |
dem Attentat ziehen. Die Anwaltskammer von Ankara hat bereits Strafanzeige | |
gegen Altınok wegen Verletzung seiner Dienstpflicht erstattet. | |
## Waffenstillstand ist nicht in Sicht | |
Die Hoffnung, der Schock des Terroranschlages möge bei allen politisch | |
Verantwortlichen zu einem Innehalten und einer Neubewertung der bisherigen | |
Positionen führen, hat sich drei Tage später schon weitgehend als Illusion | |
herausgestellt. | |
Der Kovorsitzende der HDP, Selahattin Demirtaş, hat zwar vor Racheakten | |
gewarnt, doch ein Waffenstillstand zwischen der Armee und der kurdischen | |
Guerilla PKK ist weiterhin nicht in Sicht. Im Gegenteil, die Kämpfe in den | |
kurdisch bewohnten Teilen der Türkei gehen mit unverminderter Härte weiter. | |
Noch am Sonntag hatte die Luftwaffe angebliche Stellungen der PKK im | |
Nordirak bombardiert, am Montag wurden angebliche Verstecke der PKK in der | |
Provinz Hakkari angegriffen und nach Militärangaben etliche PKK-Kämpfer | |
getötet, obwohl die PKK angeboten hatte, ihre Angriffe einzustellen, wenn | |
sie selbst nicht angegriffen würde. | |
12 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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