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# taz.de -- Bürgerkriegsgefahr in der Türkei: Berlin ist nicht Ankara
> Drohen nach den Anschlägen in der Türkei auch Konflikte zwischen Türken
> und Kurden in Berlin? VerbandssprecherInnen sagen: Verhindern lassen sich
> Auseinandersetzungen nicht.
Bild: Blumen zur Erinnerung an die Toten in Ankara.
Gefahrenpotenzial für Ausschreitungen zwischen Kurden und Türken auf
Berlins Straßen: ja. Gewalt von Kurden: nein. So lautet die Einschätzung
von Erkin Erdoğan. Er ist der Berliner Sprecher der pro-kurdischen
Demokratischen Partei der Völker (HDP), die sich in Berlin als
Bürgerinitiative, in der Türkei als Partei organisiert.
Erdoğan stellt klar: „Ich erwarte keine Gewalt von Kurden. Das wäre auch
gegen unsere Grundsätze.“ Der Berliner Ableger der HDP wolle nur
„friedliche Wahlkämpfe und politische Kampagnen auf den Straßen
durchführen.“ Erdoğan: „Wir berufen uns da nur auf unser demokratisches
Recht.“
Sollte es doch zu Gewalt von oder gegen Kurden in Berlin kommen, sei der
Einfluss der örtlichen HDP „sehr limitiert“, sagt Erdoğan. Die Initiative
arbeite aber eng mit den Sicherheitsbehörden zusammen: „Wir informieren zum
Beispiel die Polizei über unsere Termine und Infostände.“
Die HDP Berlin sieht sich als Opfer: Anfang Oktober hatten bisher
Unbekannte einen Brandanschlag auf das Büro der kurdischen Initiative in
Kreuzberg verübt. Am Wochenende kam ein Drohbrief – in Türkisch. Botschaft:
„Ihr werdet keine Ruhe haben“. Indizien sprächen dafür, dass der Brief von
einer „faschistischen türkischen Partei“ verfasst wurde, sagt Erdoğan.
Bewiesen sei das aber nicht. Gegnern gilt die HDP als PKK-gesteuerte
Organisation.
Am Samstag starben in der türkischen Hauptstadt Ankara bei Bombenanschlägen
auf TeilnehmerInnen einer Friedensdemonstration fast 100 Menschen, 250
wurden verletzt. Danach hatten in Kreuzberg etwa 1.000 Menschen friedlich
demonstriert. Zuvor war es aber auch in Berlin bereits vereinzelt zu
Auseinandersetzungen zwischen nationalistischen Türken und Kurden gekommen
- seit Beginn der Bombardierungen kurdischer Stellungen durch die türkische
Armee im Nord-Syrien.
Vier Verbände türkischer und kurdischer BerlinerInnen riefen am Montag
deshalb zu Besonnenheit und gegen Gewalt auf. „Gewalt, Hass und Inakzeptanz
sind keine demokratischen Mittel und Wege, um Konflikte zu lösen“, heißt es
in der Erklärung des Türkischen Bundes Berlin (TBB), der Kurdischen
Gemeinde, des Kurdistan Kultur- und Hilfsvereins sowie des Humanistischen
Unternehmerverbands, dem überwiegend Geschäftsleute alevitischer Religion
angehören.
„Wir äußern uns zu türkeipolitischen Fragen nur, wenn diese Auswirkungen in
Deutschland haben könnten“, ist Ayse Demir vom TBB-Vorstand wichtig. Denn
dem TBB gehe es um Migrationspolitik: „Persönliche politische Ansichten der
Mitglieder spielen bei uns keine Rolle“, so Demir – ebenso wenig die
Herkunft.
Demir stammt aus einer „alevitisch-kurdisch-armenischen Familie und wuchs
in der Türkei und in Deutschland auf. Dass sich viele der hier lebenden
Türkeistämmigen nicht für die Politik des Herkunftslands ihrer Eltern oder
Großeltern interessierten, zeige sich an der niedrigen Wahlbeteiligung in
Deutschland lebender türkischer StaatsbürgerInnen - 30 Prozent bei den
letzten türkischen Wahlen. „Das hat für viele keine Bedeutung mehr für ihr
Leben hier“, vermutet Demir.
Dass sich andere dennoch für die Politik ihrer Herkunftsländer
interessierten, sei aber „legitim und demokratisch“. Demir findet, es sei
„Aufgabe der Zivilgesellschaft“, dafür zu sorgen, dass es dabei nicht zu
Gewalt komme.
Auch Bekir Yilmaz von der Türkischen Gemeinde Berlin (TGB) hält das
Interesse an der Politik des eigenen Herkunftslandes für legitim. Aber:
„Dortige Konflikte dürfen nicht hier ausgetragen werden.“ Dass es auf
Demonstrationen zu Auseinandersetzungen käme, sei normal: „Das passiert
nicht nur auf türkischen oder kurdischen Demos“, sagt Yilmaz.
Zudem hätten die Verbände nicht „auf jeden Einzelnen Einfluss“. Seine
Organisation hat den gemeinsamen Aufruf der anderen gegen Gewalt nicht
unterschrieben. Man habe zu unterschiedliche Positionen: Für Yilmaz‘ TGB
sind die kurdische PKK und ihr nahe stehende Gruppen
„Terrororganisationen“.
12 Oct 2015
## AUTOREN
Alke Wierth
Andreas Wolf
## TAGS
Parlamentswahl Türkei 2015
Kurden
Schwerpunkt Protest in der Türkei
Ankara
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Terroranschlag
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