Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Spannungen im Nordirak: Kurden protestieren gegen Barsani
> Deutschland liefert Waffen und bildet Peschmerga aus. Doch ein Machtkampf
> unter Kurden schwächt die Front im Kampf gegen den IS im Nordirak.
Bild: Massud Barsani, Präsident der kurdischen Autonomieregion im Nordirak.
ISTANBUL taz | Irakische Truppen und verbündete schiitische Milizen haben
die Ölraffinerie von Baidschi eingenommen. Sechzehn Monate lang hatten die
Extremisten des Islamischen Staat (IS) die größte Raffinerie des Landes
kontrolliert und ihre Stellungen gegen alle Angriffe verteidigt.
Der Grund dafür ist weniger die wirtschaftliche Bedeutung – die Anlagen
sind inzwischen durch die Kämpfe großteils zerstört – als vielmehr die
militärtaktische Bedeutung der Raffinerie: Von Baidschi führen zentrale
Verkehrsachsen in die irakische IS-Hauptstadt Mossul und die Hochburgen der
Extremisten nahe Kirkuk. Endlich also mal wieder ein Erfolg gegen den IS?
Um den IS im Nordirak zu schlagen, braucht es die Kurden. Das Lob für die
Kampfbereitschaft ihrer Peschmerga ist groß, die USA unterstützen sie mit
Luftangriffen, Deutschland hat Waffen an sie geliefert und
Bundeswehrsoldaten beteiligen sich an ihrer Ausbildung. Trotzdem bewegt
sich an der Nordfront seit Monaten so gut wie nichts mehr. Und es könnte
noch ärger kommen. Die politische und wirtschaftliche Krise, die den
kurdischen Teilstaat erschüttert, hat sich in den letzten Tagen verschärft.
Nicht weniger als die viel gepriesene Einheit und Stabilität von Kurdistan
steht auf dem Spiel.
Die Mischung ist explosiv: Ein Präsident, der sich an seine Macht klammert,
eine Regierung, die die Gehälter von staatlichen Angestellten nicht mehr
bezahlen kann, und eine Bevölkerung, unter der die Unzufriedenheit wächst.
Seit fast zwei Wochen demonstrieren Tausende gegen Regionalpräsident Masud
Barsani. Dabei zogen Demonstranten in mehreren Städten vor die Büros von
Barsanis Demokratischer Partei Kurdistans (KDP) und forderten seinen
Rücktritt. Dabei kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen, in denen mindestens
fünf Demonstranten und ein KDP-Wachmann getötet wurden, Büros der KDP
gingen in Flammen auf. Die Proteste konzentrieren sich vor allem auf die
Großstadt Suleimania und andere Orte in der gleichnamigen Provinz im Osten
des kurdischen Teilstaats.
## Monate ohne Lohn
Lehrer, Ärzte und Pflegepersonal sind in den Streik getreten, weil sie seit
Monaten keine Löhne mehr bekommen haben. Die Regionalregierung macht für
die leeren Kassen den gesunkenen Ölpreis und den Budgetstreit mit der
Zentralregierung in Bagdad verantwortlich.
Einen Rücktritt schließt Barsani, dessen Amtszeit am 20. August abgelaufen
ist, kategorisch aus. Er macht vielmehr Goran für die Proteste
verantwortlich. Die vor sechs Jahren von ehemaligen Führungsmitgliedern der
Patriotischen Union Kurdistans (PUK) gegründete Gruppierung wurde in der
letzten Wahl zweitstärkste Kraft in Kurdistan. Gemeinsam mit der PUK und
zwei islamistischen Parteien lehnte Goran im August eine Verlängerung von
Barsanis Amtszeit ab. Barsani sieht sich jedoch durch ein Urteil eines
Richtergremiums legitimiert, das als Schiedsgericht in Streitfragen im
Kabinett fungiert.
Vorige Woche ist der Konflikt eskaliert. An einem Checkpoint verwehrten
KDP-Kämpfer dem Parlamentspräsidenten Yusuf Mohammed von Goran die
Weiterfahrt nach Erbil. Einen Tag später warf Ministerpräsident Nechirvan
Barsani, ein Neffe des Präsidenten, die vier Goran-Minister aus dem
Kabinett. Zudem habe die KDP in den letzten Tagen Peschmerga entlassen, die
mit Goran sympathisieren, behaupten Goran-Vertreter. Sie werfen Barsani
einen Putsch vor. Viele Kurden fühlen sich an die Zeit kurz vor dem
Ausbruch des kurdischen Bürgerkriegs in den neunziger Jahren erinnert.
19 Oct 2015
## AUTOREN
Inga Rogg
## TAGS
„Islamischer Staat“ (IS)
Masud Barzani
Kurden
Nordirak
Schwerpunkt Türkei
Parlamentswahl Türkei 2015
Kurden
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Syrien
Nordirak
## ARTIKEL ZUM THEMA
Türkei beschießt syrische Kurden: Granaten auf IS-Gegner
Die Kurdenmiliz YPG rückt in Nordsyrien gegen den IS vor. Nun bestätigte
der türkische Ministerpräsident Davotoglu Schüsse auf die kurdischen
Kämpfer.
Kurden demonstrieren in Berlin: Nicht nur ein Trauermarsch
Im Wedding hat die pro-kurdische Partei HDP zu einer
Solidaritätsveranstaltung aufgerufen. Dabei ging es auch um Wählerstimmen.
Nach Absage einer Spendenaktion: Kritik an Drogeriemarktkette
Kritik von den Grünen bis zur CDU: Die Absage einer Aktion zugunsten der
kurdischen Gemeinde in Troisdorf von dm trifft auf wenig Verständnis.
Die Türkei nach dem Anschlag: Ein Land in Trauer
In vielen türkischen Städten gibt es Trauerfeiern. Die Ermittlungen
konzentrieren sich derzeit auf eine IS-Gruppe in Ostanatolien.
PKK-Funktionär über Krieg in Syrien: „Wir kämpfen schon gegen den IS“
Der syrische Kurdenvertreter Aldar Xelil über die internationale
Militärkoalition und den Kampf gegen die Extremisten.
Machtkampf bei irakischen Kurden: Probe aufs Exempel
Die Amtszeit von Präsident Barsani ist abgelaufen. Die Opposition verlangt
eine Neuwahl. Der Konflikt könnte zur Spaltung des Landes führen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.