# taz.de -- Machtkampf bei irakischen Kurden: Probe aufs Exempel | |
> Die Amtszeit von Präsident Barsani ist abgelaufen. Die Opposition | |
> verlangt eine Neuwahl. Der Konflikt könnte zur Spaltung des Landes | |
> führen. | |
Bild: Massud Barsani bei einer Pressekonferenz in Erbil (Archivbild, 2014). | |
ISTANBUL taz | Sicher, demokratisch und frei – mit diesem Dreiklang preisen | |
die irakischen Kurden ihren Teilstaat im Nordirak im Westen gerne an. Dass | |
die Region Kurdistan sicherer als der Rest des Irak ist, steht außer Frage. | |
In Sachen Freiheit und Demokratie ist die Bilanz freilich allenfalls | |
gemischt. Auf welch wackligen Beinen ihre Demokratie steht, können die rund | |
fünf Millionen irakischen Kurden derzeit am Streit über die Präsidentschaft | |
von Masud Barsani erleben. | |
Barsanis Amtszeit als Regionalpräsident ist am Donnerstag abgelaufen. Der | |
69-Jährige besteht jedoch auf einer Verlängerung, und laut seiner Partei, | |
der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP), ist er weiterhin im Amt. | |
Barzanis Gegner sind dagegen der Auffassung, dass Parlamentssprecher Yussuf | |
Mohammed interimistisch den Posten übernimmt, bis in sechzig Tagen | |
Neuwahlen abgehalten werden. | |
Die USA haben bereits Brett McGurk, den stellvertretenden Sondergesandten | |
im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS), nach Erbil entsandt, um in der | |
Krise zu vermitteln. In gleicher Mission schickten die Iraner kürzlich | |
General Kassem Soleimani, Teherans Mann gegen den IS, nach Kurdistan. | |
Für Washington wie Teheran sind die Kurden ein wichtiger Verbündeter im | |
Kampf gegen die Extremisten. Die gemeinsame Grenze zwischen Kurdistan und | |
dem IS ist mehr als 1.000 Kilometer lang und sie reicht von der Grenze mit | |
Iran ganz im Osten bis zur irakisch-syrischen Grenze im Westen. | |
## Spaltung bis zum Bürgerkrieg | |
Bei dem Streit geht es im Kern um die Frage, ob Kurdistan eine | |
parlamentarische oder präsidiale Demokratie werden soll. Auf der einen | |
Seite stehen dabei Barzani und seine KDP, auf der anderen seine vier | |
Koalitionspartner – Goran, die Patriotischen Union Kurdistans (PUK) und | |
zwei islamische Parteien. Vor allem Goran, die seit der Wahl 2013 | |
zweitstärkste Fraktion im kurdischen Parlament ist, hat sich dabei zum | |
Vorreiter einer parlamentarischen Demokratie gemacht. Die erst 2009 | |
gegründete Bewegung Goran steht dabei auch ihren Wählern gegenüber im Wort, | |
alte Zöpfe in Kurdistan abzuschneiden und alle wichtigen Entscheidungen aus | |
den politischen Hinterzimmern ins Parlament zu holen. | |
Die Rechtslage ist freilich unklar. Barsani ist seit 2005 Präsident des | |
Regionalstaats. Gemäß der kurdischen Verfassung stehen dem Präsidenten zwei | |
Amtszeiten von jeweils vier Jahren zu. Die Verfassung wurde jedoch nicht | |
verabschiedet, und da sich die Parteien nicht auf eine neue einigen | |
konnten, billigten sie Barzani vor zwei Jahren eine einmalige Verlängerung | |
von 24 Monaten zu. | |
Mittlerweile gibt es aber einen neuen Entwurf. Die KDP lehnt ihn ab, weil | |
er die Wahl des Präsidenten durch das Parlament vorsieht und seine | |
Autorität stark beschneidet. Als die Parlamentarier am vergangenen Mittwoch | |
abstimmten, verpassten die Barsani-Gegnern die nötige Mehrheit um ganze | |
drei Stimmen. | |
Der Konflikt ist deshalb so heikel, weil der gesamte Sicherheitsapparat in | |
Kurdistan unter der Kontrolle der Parteien steht und entweder von der KDP | |
oder der PUK kontrolliert wird. Sollten die Rivalen keine Lösung finden, | |
könnte Kurdistan bald schon wieder so gespalten sein wie während des | |
Bürgerkriegs vor zwanzig Jahren. | |
23 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Inga Rogg | |
## TAGS | |
Nordirak | |
Kurden | |
Masud Barzani | |
„Islamischer Staat“ (IS) | |
Kurden | |
Schengen-Abkommen | |
Schwerpunkt Syrienkrieg | |
Schwerpunkt Türkei | |
Schwerpunkt Syrienkrieg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Spannungen im Nordirak: Kurden protestieren gegen Barsani | |
Deutschland liefert Waffen und bildet Peschmerga aus. Doch ein Machtkampf | |
unter Kurden schwächt die Front im Kampf gegen den IS im Nordirak. | |
Eine Reise durch das neue Kurdistan: Die Gewinner des Krieges | |
Die Region zwischen der syrischen Stadt Kobane und der irakischen Stadt | |
Kirkuk steht derzeit unter kurdischer Kontrolle. Ein Besuch. | |
Illegitime Grenzkontrollen: Zum Bleiben gezwungen | |
Die Bundespolizei kontrolliert vor der dänischen Grenze Züge auf der Suche | |
nach Flüchtlingen. Kritiker sehen darin einen Verstoß gegen Schengen. | |
Kurdische Regierung im Nordirak: Verloren zwischen PKK und Ankara | |
Durch den Krieg gegen die PKK sehen die Kurden im Irak ihre Beziehungen zur | |
Türkei gefährdet. Ein Albtraum für den Präsidenten im Nordirak. | |
Stellungen im Irak: Türkei setzt Luftangriffe auf PKK fort | |
Weit mehr als 100 Ziele hat die Türkei in den vergangenen Tagen | |
angegriffen. Die irakisch-kurdische Regierung der Region fordert die PKK | |
auf, die Stützpunkte zu räumen. | |
Die Türkei und die Kurden: Im unwegsamen Kandilgebirge | |
Türken und Kurden kämpfen gegen den Islamischen Staat – nur nicht | |
gemeinsam. Aber auch die Kurden sind sich nicht einig. |