| # taz.de -- Recht auf Asyl: Willkürliche Ungleichbehandlung | |
| > Um seiner Abschiebung zu entgehen, flüchtete ein Eritreer ins | |
| > Kirchenasyl. Sein Anwalt sagt: Er müsste bleiben dürfen wie derzeit ein | |
| > Syrer. | |
| Bild: Für Syrer ist das Dublin-Verfahren ausgesetzt, für Eritreer nicht: Das … | |
| BREMEN taz | Hayat H.* stammt aus Eritrea. Also soll er abgeschoben werden, | |
| in diesem Falle nach Italien. Käme er aus Syrien, dürfte er bleiben. Das | |
| ist eine Ungleichbehandlung, die „nicht gerechtfertigt“ ist, sagt sein | |
| Anwalt Sven Sommerfeldt. Deshalb hat er nun in Karlsruhe | |
| Verfassungsbeschwerde erhoben. Unterdessen hat die niedersächsische | |
| Verdener Zionsgemeinde dem Eritreer Kirchenasyl gewährt. | |
| Für alle Syrer hat Deutschland das sogenannte Dublin-Verfahren ausgesetzt. | |
| Das heißt: Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland sollen nicht mehr in jenen | |
| EU-Staat zurückgeschickt werden, in dem sie zuerst registriert wurden. Die | |
| Begründung: Es ist damit zu rechnen, dass die Syrer hier bleiben dürfen. | |
| Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurden zuletzt 85 Prozent | |
| der über 31.000 Asylanträge syrischer Flüchtlinge positiv entschieden. Doch | |
| auch 73 Prozent der Eritreer dürfen bleiben, gemessen an etwas mehr als | |
| 2.100 Anträgen. Allerdings stehen 22 Millionen Syrern nur etwa fünf | |
| Millionen Eritreer gegenüber. | |
| Deren Anerkennungsquote ist indes deutlich größer als bei allen übrigen | |
| Staaten dieser Welt: Abgesehen von Irak und Afghanistan liegt die | |
| Schutzquote bei keinem Land jenseits der 40 Prozent. Für Sommerfeldt ist | |
| damit klar: Was für Syrer gilt, muss auch für Eritreer gelten. Das gebietet | |
| der Gleichheitsgrundsatz. Also hat er das Bundesverfassungsgericht | |
| angerufen. Eine Entscheidung von dort steht aber noch aus. | |
| Laut den Vereinten Nationen fliehen jeden Monat rund 5.000 Eritreer ins | |
| Ausland. Die Menschenrechtslage in dem ostafrikanischen Land ist „äußerst | |
| prekär“, hat auch die UNO jüngst in einem 500-seitigen Bericht | |
| festgestellt. Es gibt zahlreiche Berichte, wonach in dem autokratischen | |
| Regime Menschen willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und getötet | |
| werden oder verschwinden. | |
| Das Verwaltungsgericht in Stade sah dennoch keine „sachlichen Erwägungen“, | |
| die dafür sprechen, Eritreer wie Syrer zu behandeln – und dagegen, Hayat H. | |
| nach Italien abzuschieben. Zumal, so das Gericht weiter, auch nicht davon | |
| auszugehen sei, dass eine Abschiebung „unzulässig“ sei – das aber behaup… | |
| Sommerfeldt. Seine Begründung: Die derzeit „völlig unzureichende“ | |
| Unterbringung von Flüchtlingen in Italien. Dabei hat das Verwaltungsgericht | |
| Hannover dies jüngst genauso gesehen wie der Anwalt. | |
| Sollte H. am 1. Dezember noch immer in Deutschland sein, ist die | |
| Abschiebung erst mal hinfällig. Dann liefe das Asylverfahren des Eritreers | |
| weiter und er bekäme eine „Aufenthaltsgestattung“, erklärt Sommerfeldt. | |
| „Dann hätte er gute Chancen, dauerhaft in Deutschland bleiben zu können.“ | |
| So wie die Syrer auch. | |
| Deshalb hat der Kirchenvorstand der Verdender Zionsgemeinde H. vorerst | |
| Unterschlupf gewährt. Es gehe darum, „Zeit zu gewinnen“, sagt Pastor | |
| Carsten Voß, zumal der Flüchtling „gesundheitlich in keiner guten | |
| Verfassung“ sei. Es ist das erste Mal, dass die Gemeinde ein Kirchenasyl | |
| gewährt, der Kontakt kam über gemeinsame Bekannte zustande. „Als Christen | |
| wollen wir ihm helfen“, sagt Voß. | |
| In Verden ist er „halbwegs sicher“, sagt Sommerfeldt. Die Polizei dürfte H. | |
| zwar in der Kirchengemeinde abholen, um ihn nach Italien zu schaffen. | |
| Polizei und Ausländerbehörde sind auch informiert – „doch bislang kam | |
| keiner zu uns“, sagt Voß. | |
| Der Eritreer habe „positive Aufnahme in der Gemeinde gefunden“, so der | |
| Pastor. Der Umstand, dass das Kirchenasyl nach acht Wochen beendet werden | |
| kann, also zum 1. Dezember, mag das erleichtert haben. | |
| Zwar sei es „eher unwahrscheinlich“, dass Italien den Eritreer in sein | |
| Heimatland abschiebt, sagt Sommerfeldt. Vermutlich bekäme er auch dort | |
| „irgendwann eine Anerkennung“. Solange aber, so der Anwalt, müsste er in | |
| Italien – womöglich „auf der Straße“ – „unter menschenunwürdigen | |
| Bedingungen“ leben. | |
| * Name von der Redaktion geändert | |
| 5 Oct 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Zier | |
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