| # taz.de -- PR-Berater über VW-Skandal: „Das muss wehtun“ | |
| > Hasso Mansfeld plädiert für harte Sanktionen bei VW: Der Schmerz müsse | |
| > spürbar werden, Vorstände sollten regelmäßig in der Kantine arbeiten. | |
| Bild: So runtergeranzt, dass es weh tut. | |
| taz: Herr Mansfeld, wie kann VW in den Turbulenzen des Betrugsskandals auf | |
| Kurs bleiben? | |
| Hasso Mansfeld: Was bei VW geschehen ist, ist der Sündenfall der deutschen | |
| Ingenieurskunst. Deshalb muss jetzt die Katharsis folgen. Das muss | |
| nachweislich weh tun. Der Betrachter muss den Schmerz spüren können. Sonst | |
| ist das nicht glaubwürdig. Dass Vorstandschef Martin Winterkorn gegangen | |
| ist, ist Voraussetzung für die Aufarbeitung. | |
| Wie muss die Katharsis aussehen? | |
| VW muss als erstes vollständig aufklären, was geschehen ist, wer dafür | |
| verantwortlich ist und das öffentlich machen. Es muss eine Untersuchung | |
| stattfinden, die auch Herrn Winterkorn einschließt. Die Verantwortlichen | |
| müssen entlassen werden, von ihnen muss VW Schadenersatz fordern – auch | |
| wenn das nur symbolisch ist. Der Schaden hat ja biblische Ausmaße | |
| angenommen, wenn man bedenkt, dass die Marktkapitalisierung von VW in zwei | |
| Tagen um 27 Milliarden Euro gesunken ist. | |
| Was muss sich grundsätzlich bei VW ändern? | |
| Die Vergötterung der Vorstände muss aufhören. VW muss einen Kulturwandel | |
| einleiten. Von den Manipulationen bei Abgastests sind weite Teile der | |
| Produktion betroffen. Dass so etwas möglich ist, hängt mit dem | |
| Gesamtkonstrukt von Volkswagen und der Haltung im Unternehmen zusammen. Die | |
| Vorstände werden von den Mitarbeitern als gottgleich gesehen. Die Vorstände | |
| müssen systematisch geerdet werden, indem sie zum Beispiel regelmäßig in | |
| der Kantine arbeiten. A priori ist jetzt keine PR-Arbeit gefragt, das wäre | |
| nicht glaubwürdig. Jetzt geht es um das Hinterfragen, wie solche Systeme | |
| entstehen können. | |
| Warum erschüttert der Skandal die Öffentlichkeit derart? | |
| Die Wellen schlagen so hoch, weil VW eine so hohe Symbolkraft hat. Es gibt | |
| kein deutscheres Unternehmen als VW. Der Betrug hier ist, als würde | |
| herauskommen, dass der französische Spitzenkoch Paul Bocuse das Essen für | |
| seine Gäste bei Lieferando bestellt hat. Das ist ein Kulturschock. | |
| Wie können die anderen deutsche Autobauer verhindern, dass sie in den | |
| Strudel der VW-Affäre geraten? | |
| Sie müssen in die kritische Selbstreflexion gehen. Sie müssen prüfen, ob es | |
| bei ihnen ähnliche Manipulation gibt und, wenn sie etwas finden, das | |
| öffentlich machen – und zwar bevor es jemand anderes herausbekommt. | |
| Grundsätzlich muss ihre Haltung sein: Wir wollen mithelfen, auszumisten. | |
| Schlägt der Skandal auf die Marke „Made in Germany“ durch? | |
| Die deutsche Ingenieurskunst hat international einen Heiligenschein. Dieser | |
| Heiligenschein ist stark beschädigt. Jetzt stellt sich die Frage: Wo wird | |
| sonst noch gelogen. Die stellt sich auch der Brasilianer, der eine | |
| Miele-Waschmaschine kaufen will. Deshalb muss die deutsche Wirtschaft die | |
| Vorgänge bei VW ächten, ihre Repräsentanten müssen klar Stellung beziehen, | |
| dass sie so etwas nicht dulden. Das kann unter anderem geschehen, indem | |
| etwa Wirtschaftsverbände Ehrentitel der Verantwortlichen streichen und sie | |
| zu Branchentreffen nicht mehr einladen. | |
| Was muss die Politik tun? | |
| Die Politik muss den Vorfall als Frage der nationalen Ehre definieren, der | |
| den Kern unseres Selbstverständnisses berührt. Bisher gelten deutsche | |
| Produkte als verlässlich und dauerhaft. Die Testbedingungen für | |
| Verbrauchswerte für Autos kann man ja in die Tonne kloppen. Wichtige | |
| Konsequenz ist, dass die Automobilhersteller regulativ dazu gezwungen | |
| werden, Testbedingungen einzuführen, die der Realität entsprechen. Dann | |
| hätte der Skandal auch etwas Gutes bewirkt. | |
| Der Korruptionsskandal bei Siemens, Gesetzverstöße in Serie bei der | |
| Deutschen Bank und nun der Betrug bei VW. Sind kriminelle Manager ein | |
| typisch deutsches Problem? | |
| Nein. Wir Deutschen genießen zu Recht einen guten Ruf in der Welt. Wenn | |
| überhaupt, ist das ein Problem von großen Konzernen, die Schwierigkeiten | |
| haben, eine Kultur zu ändern, die über Jahre gewachsen ist. | |
| Wer profitiert von dem VW-Skandal? | |
| Der Skandal ist Wasser auf den Mühlen aller, die es mit unserem | |
| Wirtschaftssystem nicht gut meinen, der Kapitalismuskritiker, die jetzt | |
| sagen können: Seht Ihr, die nehmen in Kauf uns zu vergiften, um Geld zu | |
| verdienen. Das ist der weitere Schaden, der entsteht. Die moralische | |
| Qualität der Marktwirtschaft liegt in ihren Ergebnissen, die sie | |
| hervorbringt. Wenn Produkte nicht erfüllen, was sie vorgeben, scheitern sie | |
| auch moralisch. Das ist der Sargnagel in der Akzeptanz der Marktwirtschaft. | |
| 24 Sep 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Anja Krüger | |
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