Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Zulassung von Glyphosat: Blinde Flecken bei Pestizidprüfern
> UN-Experten halten das Ackergift für „wahrscheinlich krebserregend“. Das
> zuständige Bundesamt hat mehrere Studien über das Mittel ignoriert.
Bild: Das Gift verbieten: Forderung bei einer Kundgebung in Berlin 2014.
Berlin taz | Wie kann das sein? Die deutschen Behörden haben das meist
verkaufte Pestizid Glyphosat als sicher eingestuft. Doch die
[1][Internationale Agentur für Krebsforschung] (IARC) der
Weltgesundheitsorganisation hält das Unkrautvernichtungsmittel für
„wahrscheinlich krebserregend“. Ein Teil der Antwort lautet: Weil die
Prüfer beim [2][Bundesinstitut für Risikobewertung] (BfR) mehrere Studien
nicht berücksichtigten, mit denen die IARC-Experten ihr Urteil über
Glyphosat begründen.
Das BfR hatte die Gesundheitsrisiken in einem bisher nicht publizierten
Bericht von Dezember 2014 für die EU analysiert. Anlass war der Antrag des
US-Herstellers Monsanto auf Wiederzulassung des Pestizids, dessen aktuelle
Genehmigung Ende 2015 ausläuft. Ergebnis: Keine Hinweise auf eine
krebserzeugende Wirkung, Glyphosat sei „nicht giftiger als bisher
angenommen“. Das war der letzte BfR-Bericht, bevor die IARC ihr anders
lautendes Fazit im vergangenen [3][März veröffentlichte].
Nur „die meisten“ epidemiologischen Studien, mit denen die IARC ihre
Einschätzung begründet, habe das BfR in seinem Bericht berücksichtigt,
antwortete die Behörde nun auf eine Frage der taz. Und weiter: „Es wurden
jedoch nicht alle mechanistischen und anderen Studien analysiert, die die
IARC ihrem Bericht in Kapitel 4 zugrunde legt.“ In diesem Abschnitt
untersuchen die Forscher der UN-Agentur in Lyon die [4][Mechanismen der
Krebsentstehung] durch Glyphosat.
Genau welche Studien das BfR berücksichtigt hat, hält das Amt geheim – um
den „behördlichen Entscheidungsprozess auf europäischer Ebene“ nicht zu
behindern.
„Es werden alle diejenigen Studien ausgemustert, die dem Stoff gefährlich
werden können. Das stinkt zum Himmel“, sagte Harald Ebner,
Gentechnik-Experte der Grünen-Bundestagsfraktion, der taz. „Ob Schlamperei
oder interessengeleitet – sachgerecht ist es auf jeden Fall nicht.“ Ebner
wirft dem BfR schon lange personelle Verbindungen zur Industrie vor.
Heike Moldenhauer vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) zeigte sich
„überrascht“ von der Antwort der BfR-Sprecher: „Sie erwecken ja immer den
Eindruck, dass ihnen keine Daten durch die Lappen gehen.“ Tatsächlich
schreibt das Amt auf seiner Internetseite, dass es „[5][grundsätzlich alle
verfügbaren, publizierten Studien]“ einbeziehe – im Falle Glyphosat seien
es mehr als 1.000 Quellen gewesen. „Aber hier sind ihnen offenbar
entscheidende Informationen durch ihr eigenes Raster gefallen“, so
Moldenhauer. Deshalb müsse das BfR dringend die Kriterien überprüfen, nach
denen es vorgehe.
## „Nähe zwischen Industrie und Behörden“
Die Umweltschützerin kritisierte auch, dass die Pestizidhersteller sich
selbst aussuchen dürften, welcher Staat für die EU die Risiken prüft. Bei
Glyphosat habe Deutschland das nun sogar schon bei mehreren
Zulassungsanträgen übernommen. „So kann über Jahre zu viel Nähe zwischen
Industrie und Behördenmitarbeitern entstehen.“
Das BfR erklärte in einer Stellungnahme für die taz, es arbeite „stets
wissenschaftlich fundiert und mit höchster Sorgfalt“. Bei den
mechanistischen und anderen Studien, die das IARC zitiert, werde Glyphosat
„häufig“ nicht allein, sondern in Verbindung mit anderen Chemikalien
verwendet. Glyphosat ist der Hauptwirkstoff, der in handelsüblichen
Pestiziden wie Monsantos [6][RoundUp] kombiniert wird mit anderen
Substanzen. Weil diese Beistoffe giftiger sein könnten als Glyphosat, sei
die Aussagekraft solcher Studien „für die reine Wirkstoffprüfung im Rahmen
des EU-Genehmigungsverfahrens gering“.
„Häufig“ sei aber eben nicht „immer“, sagt Umweltschützerin Moldenhau…
dazu. Ergebnisse aus Versuchen mit glyphosathaltigen Mitteln könnten sehr
wohl Anhaltspunkte für einen ernstzunehmenden Verdacht liefern. „Die
Studien“, so die Aktivistin, „hätten zumindest im Quellenverzeichnis des
BfR-Berichts auftauchen müssen.“
10 Sep 2015
## LINKS
[1] http://www.iarc.fr/
[2] http://www.bfr.bund.de/de/start.html
[3] /Studie-ueber-Pflanzenschutzmittel/!5015595/
[4] http://monographs.iarc.fr/ENG/Preamble/currentb4studiesother0706.php
[5] http://www.bfr.bund.de/cm/343/fragen-und-antworten-zur-gesundheitlichen-bew…
[6] http://www.roundup.de/
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Schwerpunkt Glyphosat
Gift
Schwerpunkt Pestizide
WHO
Schwerpunkt Glyphosat
Umweltgifte
Bundesinstitut für Risikobewertung BfR
Schwerpunkt Pestizide
Schwerpunkt Glyphosat
Schwerpunkt Pestizide
Landwirtschaft
Schwerpunkt Glyphosat
Rock'n'Roll
Schwerpunkt Glyphosat
Landwirtschaft
Rewe
## ARTIKEL ZUM THEMA
Streit über das meistverkaufte Pestizid: Glyphosat: Krebsgefahr im Essen?
Für die Weltgesundheitsorganisation ist der Stoff „wahrscheinlich
krebserregend“, für deutsche Prüfer kein Problem. Was treibt sie?
Report zu Umweltgiften: Blei weltweit die größte Bedrohung
Erkrankungen durch Umweltgifte werden unterschätzt, zeigt eine Studie. Am
schädlichsten sind unter anderem Blei, Chrom und Pestizide.
Neues Zulassungsverfahren für Pestizid: Pflanzengift wird geschont
Hat das Bundesinstitut für Risikobewertung die Gefahren von Glyphosat
heruntergespielt? Wichtige Studien wurden ignoriert, sagen Umweltschützer.
Pflanzenschutzmittel im Hobbygarten: Glyphosat fliegt raus – teilweise
Mehrere Baumärkte wollen den Pestizidwirkstoff aus den Regalen schmeißen.
Genau wie Substanzen, die Bienen schaden sollen.
Streit um Unkrautvernichter Glyphosat: Niederlage für Pestizid-Freunde
Die Unbedenklichkeitserklärung für den Unkrautkiller Glyphosat muss
revidiert werden, sagen Experten der Vereinten Nationen.
Pestizide in der Landwirtschaft: Ackergift soll teurer werden
Forscher raten, Pestizide extra zu besteuern. Der Gebrauch von Chemikalien
würde dadurch teuer und könnte in der Folge stark zurückgehen.
Prozess gegen Agrochemiekonzern: Ein Bauer gewinnt gegen Monsanto
Ein Landwirt erstreitet wegen einer Vergiftung Entschädigung von Monsanto.
Das Urteil in Frankreich macht Geschichte.
Analyse durch UN-Wissenschaftler: Pestizid Glyphosat schädigt Erbgut
Die Chemikalie ist nicht nur „wahrscheinlich krebserregend“, sondern
verändert auch das Erbgut, so Forscher der Weltgesundheitsorganisation.
Neil Youngs Album „The Monsanto Years“: Mit Gitarre gegen Pestizide
Mit der guten alten Gibson gegen Chemie und genetisch verändertes Saatgut:
„The Monsanto Years“ – Neil Young und sein wütendes neues Werk.
Glyphosat in Muttermilch: „Wahrscheinlich krebserregend“
Stillen soll gut fürs Kind sein. Nun finden sich in der Muttermilch
deutscher Frauen Rückstände des Unkrautvernichters Glyphosat.
Kritik an Pestizidwirkstoff Glyphosat: Die Industrie protestierte
Monsanto versucht die WHO zu diskreditieren. Die Forscher hatten Pestizid
als „wahrscheinlich krebserregend“ beurteilt. Diese kontern.
Einsatz von Pflanzengiften: Koks künftig ohne Glyphosat
Das Pestizid ist laut WHO wahrscheinlich krebserregend. Toom-Baumärkte
verbannen das Mittel, Kolumbien will Koka wieder ausrupfen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.