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# taz.de -- Geschlechterspezifische Schulleistungen: Zu faul fürs Gymnasium
> Nicht die Lehrer sind schuld, dass Jungs schlechtere Zensuren haben als
> Mädchen, sagt Bildungsforscher Marcel Helbig. Sondern sie selbst.
Bild: Lernen gilt als uncool – Unterricht an einer Gemeinschaftsschule in Be…
Berlin taz | Nicht weil männliche Lehrer fehlen, sind Jungs in der Schule
schlechter als Mädchen. Schuld sind ausschließlich die Jungs selbst. Das
ist – zugespitzt formuliert – das Fazit, das der Bildungsforscher und
-soziologe [1][Marcel Helbig] zieht, nachdem er 42 Studien mit Daten zu 2,4
Millionen SchülerInnen aus 41 Ländern ausgewertet hat.
„Mädchen profitieren nicht von Lehrerinnen, Jungen nicht von Lehrern“,
sagte Helbig zur taz. Mädchen bekommen also von Lehrerinnen keine besseren
Zensuren und Jungen keine schlechteren, hat Helbig, 34, herausgefunden.
Ebenso wenig bevorzugen Lehrer ihre jüngeren Geschlechtsgenossen und
vernachlässigen dagegen die Mädchen.
Auch bei Empfehlungen für weiterführende Schulen, beispielsweise fürs
Gymnasium, entscheidet nicht das Geschlecht der Lehrkraft, ob ein Kind
befördert wird, sondern ausschließlich das Wissen der Schülerin oder des
Schülers.
Helbigs Erkenntnisse werfen die jahrzehntealte These, dass Jungs in der
Schule benachteiligt werden und deshalb schlechtere Zensuren bekommen,
komplett über den Haufen. Schon gegen das Wort „These“ verwahrt sich
Helbig. Er spricht lieber von Behauptungen. So sei es stets eine Behauptung
gewesen, dass LehrerInnen SchülerInnen des eigenen Geschlechts besser
bewerten würden. Ebenso sei es eine Behauptung und keine belegbare These
gewesen, dass Jungs in der Schule verstärkt Männer als Lehrer brauchen, um
sich besser orientieren zu können.
## Mädchen schlicht besser
Fakt also ist: Mädchen sind mehrheitlich schlicht besser in der Schule als
Jungs. Und das ist kein neues Phänomen, hat Helbig herausgefunden: „Das war
schon immer so.“ So belegten Dokumente von 1911, dass die Mädchen damals
schon bessere Noten hatten. In einer Zeit also, als Wissen, Lernen und
Erfolg keine „Mädchensache“ waren, sondern in erster Linie Männern
zugeschrieben worden sind.
Wenn heute 130 Mädchen Abitur machen, schaffen das nur 100 Jungen. Vor 20
Jahren war die Lücke noch größer, vor allem im Osten. Damals betrug das
Verhältnis 180 zu 100. Also auf 180 Mädchen mit Abitur kamen 100 Jungen mit
Abitur.
Deswegen sind Jungen jedoch nicht per se doofer als Mädchen. Es käme
vielmehr darauf, so Helbig, wie ein Kind seine Kompetenzen nutze. Macht es
Hausaufgaben? Lernt es Vokabeln? Rechnet es noch mal nach? Und hier
unterscheiden sich Mädchen und Jungen eklatant: Mädchen sind eher
leistungsbereit und Jungen eher faul.
Das wiederum hat mit dem Geschlechterbild zu tun. Helbig sagt: „Lernen gilt
unter Jungs als uncool, ein Streber will keiner sein, das gilt als
unmännlich.“ Bei Mädchen indes wird Fleiß nicht sanktioniert, sondern eher
erwartet. Außerdem gilt nach wie vor: Sich anzustrengen, etwa beim
Vokabellernen, gilt als Mangel an Begabung. Erfolg ohne Mühen ist nach wie
vor männlich konnotiert.
Braucht es da nicht erst recht Vorbilder, die diesem antiquierten
Rollenbild widersprechen? Unbedingt, findet Helbig. Aber das sei eine
Aufgabe nicht speziell für die Schule, sondern für die gesamte
Gesellschaft. „Es ist ein Paradox: Da, wo Frauen auf dem Arbeitsmarkt
gleichgestellt sind, strengen sich die Männer richtig an“, sagt Helbig.
An einem Punkt könnten Lehrerinnen jedoch sehr wohl einen Einfluss auf
Mädchen haben, so in naturwissenschaftlichen Fächern: Wenn Mädchen in der
Schule erlebten, wie cool eine Physik- und eine Chemielehrerin
experimentiert, würden sie eher dazu animiert, ebenfalls ein sogenanntes
MINT-Fach zu wählen. Also irgendwas mit Mathe, Ingenieurswesen,
Naturwissenschaft und Technik.
10 Sep 2015
## LINKS
[1] http://www.wzb.eu/de/personen/marcel-helbig
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Schule
Bildung
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Schwerpunkt Krise in Griechenland
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