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# taz.de -- Schulschwänzer-App in Frankreich: Petzen in Echtzeit
> Digitales Hausaufgabenheft: Per Smartphone-App sollen Eltern künftig
> informiert werden, wenn ihre Kinder die Schule schwänzen.
Bild: Dabei ist es doch so schön in der Schule
Paris taz | Frankreichs Schuljugend wird schon bald über die sonst so heiß
geliebten Mobiltelefone fluchen. Der Grund dafür ist eine Innovation des
Erziehungsministeriums. Eine Smartphone-App soll in Frankreich die
Schulschwänzer künftig das Fürchten lehren und für einen weit fleißigeren
Besuch des Unterrichts sorgen. Die Schuldirektionen nutzen so ein
technologisch zeitgemäßes digitales Mittel, um die Eltern sofort und quasi
in Echtzeit über die unentschuldigten Absenzen ihrer Sprösslinge zu
informieren.
Das funktioniert dann laut Le Monde ganz einfach und schnell: „Ihre Tochter
Valentine ist heute Morgen nicht zur Englischstunde erschienen. Bitte
kontaktieren Sie die Schulleitung“, solche oder ähnliche SMS-Mitteilungen
werden demnächst auf dem Bildschirm des Smartphones manche Eltern bestürzt
vernehmen, die ihre Kinder sonst wohlbehalten und eifrig lernend im
Unterricht gewähnt hätten.
Die App heißt „Vie scolaire“ und wird nun zuerst versuchsweise von mehreren
Mittelschulen der Stufen Collège und Lycée getestet. Welche Schulen das
genau sind, bleibt vorerst geheim. Bisher wurden die Eltern von der Schule
nur ausnahmsweise und meistens bei schweren Disziplinverstößen angerufen.
Die Abwesenheit im Unterricht ist ein Gesellschaftsproblem und gilt als
eine der wichtigsten Ursachen für die im europäischen Vergleich
unbefriedigenden Leistungen der französischen Jugendlichen und für die
überdurchschnittlich hohe Zahl der Schulabbrecher. Die Schulbehörden setzen
auf den Dialog und hoffen jetzt auf mehr Unterstützung.
## Eltern positiv gestimmt
In Zukunft können jedenfalls die Väter und Mütter oder anderen
Erziehungsberechtigten nicht mehr sagen, sie hätten nichts gewusst. Die
elektronische Denunzierung gelegentlicher oder oft sogar notorischer
Schulschwänzer soll in doppelter Hinsicht dem guten Zweck dienen: Die
Jungen können nicht mehr verheimlichen, wenn sie sich herumtreiben, statt
im Klassenzimmer zu sitzen; für die Eltern ergibt sich so die Möglichkeit,
nicht zuletzt auch im Interesse der Sicherheit der Kinder und Jugendlichen,
sofort intervenieren zu können.
Die Schulleitung kann anschließend auch mitteilen, welche Sanktionen
gegebenenfalls gegen die Schulschwänzer ausgesprochen wurden. Auch das
wussten nämlich viele Eltern bisher nicht, weil es leicht war, das
schriftliche Absenzenheft „Carnet scolaire“, das die Kinder durch ihre
Schulzeit begleitet, zu verstecken oder zu „verlieren“.
Die beiden in Frankreich sehr präsenten Elternorganisationen stehen deshalb
dem Vorhaben, den Kontakt zur Schuldirektion notfalls auch hinter dem
Rücken mit der elektronischen Kommunikation zu verbessern, eher positiv
gegenüber. Da sie nicht nur über unentschuldigtes Fehlen informiert werden,
sondern laufend auch über alle möglichen Disziplinprobleme und dafür
verhängte Tadel und Strafen, erleben die Eltern nicht erst mit dem
halbjährlichen Zeugnis eine böse Überraschung wegen alarmierender
Betragensnoten.
Dennoch wird natürlich noch vor der praktischen Erprobung des neuen
Absenzen-Warnsystems heiß über seinen Nutzen und seine Verhältnismäßigkeit
diskutiert. Eine Schwachstelle könnten in diesem neuen System vor allem die
Datensicherung und der Datenschutz sein. Denn jede SMS, in der der volle
Name und die Klasse der Betroffenen erwähnt werden, hinterlässt Spuren und
soll auch für das ganze Schuljahr gespeichert bleiben. Die für Datenschutz
zuständige „Commision nationale de l‘informatique et des libertés“ (CNI…
hat darum in ihrem Gutachten gefordert, es müsse sichergestellt sein, dass
diese Angaben nur für das befugte Lehrpersonal zugänglich sein werden.
31 Aug 2015
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
Schwerpunkt Frankreich
Schwänzen
Schwänzen
Schule
Datenschutz
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