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# taz.de -- Start der Internationalen Funkausstellung: Der gehackte Herzschritt…
> Computer, der Mensch und sein Heim verschmelzen zusehends. Das ist das
> Thema auf der IFA 2015 – und es birgt große Risiken.
Bild: Eine Gamingbrille aus der Zukunft? Nein: von der IFA.
Das Deutsche ist um einen Anglizismus reicher: „Wearables“. Technik, die
man am Körper trägt, von der intelligenten Uhr bis zur telefonierenden
Jacke. Sie sind das nächste große Konsumargument, mit dem die
Elektronikbranche von Freitag bis zum 9. September auf [1][der
Internationalen Funkausstellung] (IFA) in Berlin aufwartet.
„Das Internet der Dinge und insbesondere Wearables erobern nicht nur die
Wirtschaft, sondern auch den Alltag der Menschen“, glaubt Werner Ballhaus,
Leiter des Bereichs Technologie, Medien und Telekommunikation bei der
Unternehmensberatung PwC. Das sei die größte Chance für die
Halbleiterindustrie seit dem Internetboom. So sollen 2019 weltweit mehr als
126 Millionen am Körper zu tragende Computer verkauft werden, sechs mal so
viele wie 2014, glaubt der Marktforscher IDC.
Die Anwendungen reichen dabei von Spielereien über Verbesserung der
Lebensqualität bis hin zu Gesundheit. Die Kunden des Bekleidungsherstellers
Sympatex können ihr Telefon via Bluetooth mit einer „Multifunktionsjacke“
koppeln und mittels der Jacke telefonieren.
Wissenschaftler der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen
glauben, dass die Technik künftig mit Fasern und Garnen verwoben sein wird.
Damit können Kardiologen permanent Körperdaten von Hochleistungssportlern
und Herzpatienten von ihrer Praxis aus verfolgen. Der Sicherheitsberater
Kaspersky will Mitarbeitern auf der IFA Chips einpflanzen. So könnten
Menschen einfach und sicher identifiziert werden – glaubt Kaspersky.
## Die Geräten messen – und handeln
Zu den messenden Sensoren kommen jetzt noch „Aktoren“ hinzu – Regler, die
Kleidung im Sommer kühlen und im Winter wärmen können. Diabetikern sollen
eine künstliche Bauchspeicheldrüse verpasst bekommen, die permanent den
Blutzuckerspiegel misst und dann die notwendige Menge Insulin zuführt.
Kaufen soll das alles die Generation Smartphone. „Die selbstverständliche
Nutzung von smarten mobilen Endgeräten und die Möglichkeit, immer online zu
sein, fördern den Wunsch nach mehr Steuerung des Zuhauses auch in der
Breite, schreibt der Zentralverband Elektrotechnik- und
Elektronikindustrie.
Doch die Risiken sind nicht zu unterschätzen: Der IT-Konzern Hewlett
Packard glaubt, dass 70 Prozent der „intelligenten“ Geräte verwundbar sind.
Die Firma Vaillant musste bereits Kunden empfehlen, das Datenkabel ihrer
vernetzten Heizung vom Internet abzuziehen.
Die Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit warnt vor
Spionage- oder Erpressersoftware in Komponenten vernetzten Häuser. Spione
könnten aus der Ferne herausfinden, wo eine alleinerziehende Mutter mit
Kleinkindern wohnt. Erpresser könnten drohen, die Heizung im Sommer auf-
oder im Winter abzudrehen.
## Die Sorge vor dem „Massenmord“
Die Europäische Polizeibehörde Europol warnt vor einer „kriminellen
Onlineindustrie“, die danach trachte, elektronische Implantate wie
Herzschrittmacher zu manipulieren. Der Softwarespezialist SAS befürchtet
sogar einem „Massenmord“, sollten Herstellerdatenbanken gehackt werden.
Was ist zu tun? Jeder Chip, jede Software ist schließlich angreifbar. Als
Gegenmittel hat das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik
einen „IT-Grundschutz-Katalog“ formuliert, der 4.849 Seiten umfasst. Kleine
und mittelständische Unternehmen von Ärzten bis hin zu Zeitarbeitsfirmen
sollten wenigstens eine abgespeckte Version dieser IT-Grundschutzkataloge
anwenden.
Wer das umsetzen will muss nicht nur seine Mitarbeiter sensibilisieren.
Dazu gehören die Entscheider in Politik und Wirtschaft genauso wie die, die
auf Basis der gefällten Entscheidungen anschließend Software entwickeln,
implementieren, administrieren oder nutzen, um vernetzte Geräte zu steuern
oder damit personenbezogene Daten zu verarbeiten.
Das soll der Verhaltensänderung der Beteiligten dienen. Beispiel Bundestag:
Nach dem Angriff auf die Informationstechnik des Gesetzgebers in Berlin
übte der CDU Abgeordnete Wolfgang Bosbach Selbstkritik: „Wir Abgeordnete
müssen uns auch selbstkritisch fragen, ob wir durch unser Verhalten den
Datenabfluss nicht erleichtert haben. Viele schließen auch ihre privaten
Geräte an und sind zudem während laufender Sitzungen online“.
Abgeordnete mit mehr IT-Bewusstsein wären vorsichtiger, bevor sie auf Links
klicken. Und derart sensibilisierte Abgeordnete wären womöglich auch beim
Verabschieden von IT-Gesetzen vorsichtiger.
Bislang aber scheint die Bereitschaft zu Investitionen in die Kleincomputer
für überall nicht sonderlich ausgeprägt zu sein: So würde etwa der TÜV Süd
gern tragbare Computer auf Datensicherheit prüfen. Allerdings sei die
Nachfrage gering, weil Aufwand und Kosten zu hoch seien angesichts ständig
neuer Apps.
3 Sep 2015
## LINKS
[1] http://www.ifa-berlin.de/
## AUTOREN
Joachim Jakobs
## TAGS
Datenschutz
Netzsicherheit
Smartphone
Hewlett Packard
Roboter
Schwerpunkt Überwachung
Gesundheit
Privatsphäre
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