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# taz.de -- Globale Ziele zur Nachhaltigkeit: Entwicklungshilfe für Berlin
> Auf die Bundesregierung warten große Aufgaben: Armut bekämpfen, Konsum
> fairer machen, Biolandbau fördern. Doch bisher bleibt sie schwammig.
Bild: Beispiel für Nachhaltigkeit: essbare Kleidung
Berlin taz | Ein neues Gesetz erhöht den Mindestlohn, stockt das Wohngeld
auf und hebt die Hartz-IV-Sätze an. Eine breit angelegte Kampagne wirbt in
Schulen und Kitas für gesunde Ernährung und bekämpft die grassierende
Fettleibigkeit. Deutschland verdoppelt seine Ausgaben für die
Entwicklungshilfe. In Schulen und Behördenkantinen gibt es nur noch fair
gehandelten Kaffee und Tee, die Bundeswehr bestellt ihre Uniformen aus
Bio-Baumwolle. Und der Import von Rohstoffen wie Soja, Leder, Kakao oder
Palmöl geht drastisch zurück.
So könnte Deutschland im Jahr 2030 aussehen. Nein, falsch: So müsste
Deutschland im Jahr 2030 aussehen, wenn die Bundesregierung die
internationalen „Ziele zur nachhaltigen Entwicklung“ (Sustainable
Development Goals, kurz SDG) ernst nimmt, die sie mit den anderen 192
UN-Staaten im September in New York beschließen will. Denn anders als die
„Millennium Development Goals“, die den Entwicklungsländern etwa die
Bekämpfung der Armut, bessere Gesundheitsversorgung und mehr Bildung
versprachen, gelten die SDG für alle Staaten – auch für die reichen
Industrieländer.
„Auch Deutschland ist ein Entwicklungsland“, sagt etwa Bernd Bornhorst vom
katholischen Hilfswerk Misereor und Vorstandschef von Venro, dem
Zusammenschluss von rund 120 deutschen Entwicklungsorganisationen.
Die SDG haben es in sich: In den 17 Zielen mit insgesamt 169 Unterzielen
verpflichten sich die Staaten zwar auch zu Punkten, die für Deutschland
kaum relevant sind: Für ein Ende der absoluten Armut, des Hungers oder für
eine Basisversorgung mit Medizin, Strom und Wasser. Und bei anderen Zielen
wie der globalen Energiewende, dem Bau sicherer Städte, dem Kampf gegen den
Klimawandel und dem Aufbau von effizienten Behörden gilt Deutschland bei
vielen Ländern weltweit durchaus als Vorbild.
Doch bei anderen Zielen der SDG wird es auch für reiche Länder brisant: Bei
der Armutsbekämpfung etwa soll auch der Anteil der Menschen drastisch
reduziert werden, die nach nationalen Definitionen als arm gelten – in
Deutschland etwa 12 Millionen Menschen, 15,5 Prozent der Bevölkerung. Dann
wollen die Staaten die wachsende Ungleichheit bekämpfen – in Deutschland
wird seit Jahren die Kluft zwischen großen und kleinen Einkommen größer.
Und auch bei „nachhaltiger Industrialisierung“, zukunftsfähigen
Konsummustern, nachhaltigem Wirtschaftswachstum, den Ausgaben für
Entwicklungshilfe oder beim Schutz der Ozeane gibt es für Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland noch einiges zu tun.
## Was das für Deutschland bedeutet? Unklar
Die Bundesregierung bleibt in ihren Plänen schwammig. Das zuständige
Entwicklungsministerium verweist auf Nachfrage auf die deutsche
Nachhaltigkeitsstrategie, die in Zukunft internationaler werden solle. Auch
solle „der Fokus verstärkt auf die soziale und ökonomische Dimension der
Nachhaltigkeit gelegt werden, um die bisher primär ökologische Dimension zu
erweitern.“ Kampf gegen die Armut, für fairen Konsum und für den
Klimaschutz seien die Prioritäten. Was das für Deutschland bedeutet, bleibt
unklar.
„Die zentrale Herausforderung der SDG für uns ist zu zeigen: Unser Modell
ist kein Modell“, sagt Venro-Chef Bornhorst. „Wenn alle wie wir Hamburger
essen oder Auto fahren, dann geht die Welt zugrunde.“ Deswegen seien die
Ziele ein gutes Instrument, „unser Land umzubauen und zukunftsfähig zu
gestalten“.
Dann müsse man die extremen Unterschiede bei den Einkommen abbauen, die
Gleichstellung von Frauen vorantreiben, aber auch den „Flächenrucksack“
verringern, der anzeigt, wie viel Ackerland und Wasser die Ananas und
Avocado aus Übersee verschlingen, die im Supermarkt liegen. Auch müsse
diskutiert werden, welche Zusammenhänge es zwischen „dem Tierwohl, dem
Import von Soja und der Fettleibigkeit bei uns gibt“, sagt Bornhorst. Er
fordert für das Thema mehr Bedeutung in der Politik, jenseits des
parlamentarischen Beirats, der Runde der Staatssekretäre und des
Nachhaltigkeitsrats: „Warum nicht einen eigenen Ausschuss des Bundestags
für die Umsetzung der SDG einrichten?“
## Rat für Nachhaltigkeit fordert neue Strategie
Der Nachhaltigkeitsrat, der die Bundesregierung berät, hat jedenfalls
bereits reagiert. In einem 25-seitigen Schreiben fordert er die Regierung
auf, die SDG stärker zu berücksichtigen, wenn sie im nächsten Jahr eine
neue Nachhaltigkeitsstrategie aufstellt. „Das wird der stärkste Schub für
die Fortschreibung der Ziele seit dem Beginn des Rates 2002“, sagt Günther
Bachmann, Generalsekretär des Rats.
Detailliert hat Bachmann vorgeschlagen, dass die 20 Ziele und 38
Indikatoren der nationalen Strategie um manche SDG-Ziele erweitert werden
sollen: Armutsbekämpfung unter anderem, die Berechnung des ökologischen
Rucksacks von Produkten, Verantwortung von Unternehmen entlang der
Lieferketten ihrer Produkte und bessere Integration von Flüchtlingen.
Ratsmitglied Olaf Tschimpke, Chef des Naturschutzbundes Nabu, stößt ins
gleiche Horn: „Wir brauchen für 2020 ohnehin neue Ziele für die
Nachhaltigkeitsstrategie. Da wären die Umweltziele wie Ökolandbau und
Flächenschonung sehr wichtig, aber auch Armutsbekämpfung und die
Verankerung der Nachhaltigkeit in den Unternehmen.“
Bachmann und Tschimpke plädieren beide auch dafür, die Bundesländer und
Kommunen besser in die Strategie des Bundes zur Nachhaltigkeit einzubauen.
Bachmann lobt Hessen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen
als positive Beispiele, „aber Niedersachen, Hamburg, Bremen, Berlin und das
Saarland haben bisher nichts“.
Wenn die Bundesregierung den Bundesrat in dieser Frage ins Boot holt,
könnte sie sich das sogar als Erfüllung des folgenden SDG-Ziels auf ihre
Fahnen schreiben: „Die Mechanismen stärken für formelle und informelle
Lösung von Streitigkeiten auf allen Ebenen.“
8 Sep 2015
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Entwicklungszusammenarbeit
Schwerpunkt Armut
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