# taz.de -- Tourismus-Manager über Nachhaltigkeit: „Tourismus kann Identitä… | |
> Die Reiseerfahrung prägt das Interesse für die Welt. Und auch in der | |
> Tourismuswirtschaft dient die Ökologie nicht nur dem Marketing, sagt | |
> Christian Baumgartner. | |
Bild: Reiseplakat am Mailänder Dom. | |
taz: Herr Baumgartner, zahlt sich Nachhaltigkeit im Tourismus aus? | |
Christian Baumgartner: Ich glaube, dass man mit Nachhaltigkeit und | |
GreenJobs Geld verdienen kann. Es geht darum, das Thema weiterzubringen, | |
und das machen nicht nur NGOs, sondern inzwischen auch kleine und mittlere | |
Unternehmen. Nachhaltigkeit ist in der Wirtschaft angekommen. | |
Auch bei den Global Playern, den großen Tourismuskonzernen? | |
Es ist natürlich leichter, einen kleinen oder mittleren Veranstalter auf | |
Nachhaltigkeit umzupolen, als diese großen, touristischen Tanker. Aber | |
einige große Veranstalter haben heute eine eigene Umwelt- oder | |
Nachhaltigkeitsabteilung, die nicht mehr Teil der Marketingabteilung ist. | |
Bei Futouris, der Nachhaltigkeitsinitiative im Tourismus, sind auch viele | |
große Veranstalter dabei. | |
Nachhaltigkeit als Feigenblatt: Die Veranstalter zahlen ein bisschen Geld | |
für kleine Projekte und vermarkten dies laut? | |
Ich bin bei Futouris im Wissenschaftsbeirat und sehe die schwierige | |
Diskussion, weil natürlich der wirtschaftliche Aspekt bei den Großen enorm | |
ist, weil bei diesen globalen Strukturen der kleine deutsche Teil oft wenig | |
Chancen hat. Aber ich sehe, dass sie zunehmend die eigene Performance | |
verändern. Ein Beispiel: Thomas Cook hat ein größeres Projekt mit | |
Wissenschaftlern gemacht, um vor allem in ihren Hotels in trockenen | |
Gebieten den Wasserverbrauch zu senken. | |
Das könnte man auch als Selbsterhaltungsmaßnahme werten. Und es hat auch | |
ökonomische Vorteile für das Unternehmen. | |
Natürlich gibt es dabei auch wirtschaftliche Argumente. Ergebnis ist | |
jedoch, dass der Wasserverbrauch gesenkt wird. Ein anderes Thema zurzeit | |
ist Sustainable Food. Die Frage, wie kann in Hotelketten mit Büfettbetrieb | |
so gewirtschaftet werden, dass weniger Abfall anfällt. Auch auf | |
Kreuzfahrten. Da gibt es wichtige Ansätze. | |
Eine Art Qualifizierung des Tourismus also. Interessant wird es doch dann, | |
wenn es nicht um ökologische, sondern um soziale Fragen geht. Das gehört | |
doch zur Nachhaltigkeit, die heute jeder in seinen Leitlinien führt. | |
Das stimmt, es werden in erster Linie ökologische Fragen versucht zu | |
beantworten. Die sozialen Bedingungen, egal ob in der Kreuzfahrtindustrie | |
oder der All-Inclusive-Anlage wird nicht angerührt. Das ist ein großes | |
Tabu. Man diskutiert nur zaghaft über Arbeitsbedingungen oder | |
Menschenrechte im Tourismus. | |
Haben Sie ein konkretes Beispiel für Menschenrechtsverletzung im Tourismus? | |
Tansania im entwicklungspolitischen Zusammenhang. Dort wird ein | |
ökologischer Korridor geplant zwischen dem Serengeti- und dem | |
Masai-Mara-Nationalpark, um den Ökotourismus zu fördern, gleichzeitig | |
sollen die dort lebenden Massai umgesiedelt werden. Das ist ein ganz klares | |
Menschenrechtsthema. Ein anderer Konflikt geht häufig um das Wasser, wenn | |
der Tourismus der einheimischen Bevölkerung das Wasser regelrecht abgräbt. | |
Die Tourismusindustrie hier, sagen Sie, beachtet zunehmend ökologische | |
Prinzipien. Wie sieht es mit dem massiv wachsenden Tourismus beispielsweise | |
aus den asiatischen Ländern aus? | |
Ich unterrichte regelmäßig in China junge Touristikstudenten. Wenn ich dort | |
mit dem Thema Nachhaltigkeit ankomme, etwa Wasser sparen, machen sie große | |
Augen. Die Erkenntnis, dass Tourismus auch Probleme bereiten kann, wird | |
überhaupt nicht mitgedacht. Ich sehe da massive Probleme. | |
Was finden Sie am Tourismus spannend? | |
Tourismus fasziniert mich in seiner Vielfältigkeit und Komplexität. Sowohl | |
die Sicht der Reisenden und deren Möglichkeiten, etwas Neues zu sehen, zu | |
lernen, zu erfahren, als auch die Sicht der Destination. Wenn ich eine | |
Schuhfabrik irgendwohin setze, dann mache ich nichts mit der regionalen | |
Identität. Wenn ich aber eine Region über touristische Maßnahmen entwickle, | |
dann schaffe ich auch eine kulturelle Dynamik in der Region. | |
Das steht konträr zu der Meinung, dass Tourismus einheimische Kultur | |
folklorisiert und kommerzialisiert. | |
Es hängt immer vom Wie ab. Nehmen wir die Alpen: kleinstrukturierte, | |
schwierig zu bewirtschaftende Bergwiesen wurden von Touristen geschätzt und | |
haben so auch wieder in den Augen der Einheimischen an Wert gewonnen. Oder | |
nehmen wir das Beispiel Saharatourismus. Die Tuareg, beispielsweise in | |
Libyen, konnten unter den gegebenen Bedingungen kein nomadische Leben mehr | |
führen. Damit ging viel altes Wissen verloren. Es wollte ja keiner mehr in | |
die Wüste hinaus. Und dann kommen Touristen und wollen in die Wüste. | |
Plötzlich interessieren sich auch wieder junge Tuareg für das alte Wissen. | |
Die Alten, die dieses Wissen noch haben, bekommen einen höheren Stellenwert | |
in der Dorfgemeinschaft. Es ist ganz klar: Tourismus kann Identitäten | |
schaffen. | |
Welche Rolle spielt die eigene Reiseerfahrung, um sich mit dem Thema | |
Tourismus auseinander zu setzen? | |
Eine ganz wichtige. Wenn man sich anschaut, welche Veranstalter, welche | |
Betriebe innovative Ideen haben im sozialen Bereich, dann hat man fast | |
immer Geschäftsführer oder Besitzer, die diese persönliche Erfahrung | |
hatten, die in ihrer Jugend mit dem Rucksack irgendwo gereist sind und aus | |
einem persönlichen Antrieb etwas verbessern wollen. Die persönliche | |
Erfahrung ist gerade im Tourismus eine ganz wichtige Triebfeder, um etwas | |
weiterzubringen – in Richtung Nachhaltigkeit. | |
5 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Edith Kresta | |
## TAGS | |
Tourismus | |
Nachhaltigkeit | |
James Bond | |
Konsum | |
Nachhaltigkeit | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bergsteigerdorf Obertilliach: Von James Bond geadelt | |
Das Dorf im österreichischen Lesachtal zeigt, dass Wintersport auch ohne | |
Investoren geht. Und es erweist sich als gute Kulisse fürs 007-Abenteuer. | |
Fachgeschäft für Weltreisende in Berlin: „Die Gespräche werden mir fehlen�… | |
Vor 40 Jahren reisten Bettina Stauch und Georg Bannat mit einem VW-Bus | |
durch Afrika. Dann gründeten sie Berlins erstes Geschäft für | |
Globetrotterbedarf. Nun ist der Laden dicht. | |
Globale Ziele zur Nachhaltigkeit: Entwicklungshilfe für Berlin | |
Auf die Bundesregierung warten große Aufgaben: Armut bekämpfen, Konsum | |
fairer machen, Biolandbau fördern. Doch bisher bleibt sie schwammig. |