# taz.de -- Fachgeschäft für Weltreisende in Berlin: „Die Gespräche werden… | |
> Vor 40 Jahren reisten Bettina Stauch und Georg Bannat mit einem VW-Bus | |
> durch Afrika. Dann gründeten sie Berlins erstes Geschäft für | |
> Globetrotterbedarf. Nun ist der Laden dicht. | |
Bild: So macht der Urlaub Spaß: Alles, was man braucht, ist immer dabei. | |
taz: Frau Stauch, vor 40 Jahren war Bannat in Berlin das erste Geschäft für | |
Globetrotterbedarf. Nun ist der Laden in der Lietzenburger Straße | |
geschlossen. Was ist passiert? | |
Bettina Stauch: Der Umsatz hat nicht mehr die Kosten gedeckt. Unter diesen | |
Bedingungen konnten wir nicht weitermachen. Die Entscheidung ist im Mai | |
gefallen. Am 31. Juli haben wir den Laden geschlossen. | |
Bis heute ist das kaum bekannt. | |
Wir haben das bewusst nicht publik gemacht. Man schämt sich ja auch, wenn | |
man aufgibt, oder? Dabei haben wir uns die Entscheidung wirklich nicht | |
einfach gemacht. Wir haben sogar überlegt, eine Spendenaktion ins Leben zu | |
rufen. Dass jeder, der möchte, dass Bannat weiter existiert, 50 Cent oder 1 | |
Euro spendet. Im Endeffekt ging es um einige wenige 10.000 Euro. Aber wir | |
haben diese Idee dann doch verworfen. | |
Warum? | |
Meine Mitarbeiter meinten, das würde sich nicht so gut machen. Wir haben | |
alles im Team geregelt. | |
Den Laden gab es seit Mitte der 70er Jahre. Wie ist Ihnen zumute? | |
Gerade löse ich alles auf und packe ein: die Schlafsäcke, die Schuhe, das | |
Besteck. All die schönen Dinge. Es ist so traurig. Die Beratungsgespräche | |
mit den vielen netten Kunden können nun nicht mehr stattfinden. Die | |
Gespräche über die Ware und das Reisefeeling werden mir fehlen. Ich war | |
immer leidenschaftlich dabei, auch wenn ich zum Schluss fast nur noch im | |
Büro war. | |
Was haben Sie falsch gemacht? | |
Ich habe den Onlinehandel unterschätzt, und dass die Kunden ihr | |
Kaufverhalten verändert haben. Ich habe darauf vertraut, dass es noch genug | |
Menschen gibt, die gute Beratung zu schätzen wissen. Vielen Branchen im | |
Einzelhandel geht es schlecht. Die meisten kommen gerade so über die | |
Runden. | |
Wie haben sich die Probleme in in Ihrem Geschäft bemerkbar gemacht? | |
Die Leute kommen zu uns ins Fachgeschäft und lassen sich beraten. Sie | |
probieren die Schuhe aus, lassen sich die Rückenlängen der Rucksäcke | |
ausmessen, fotografieren die Preisschilder des Modells, für das sie sich | |
entschieden haben. Sie lassen sich sogar die Ware zurücklegen. Dann gehen | |
sie nach Hause und gucken im Internet, ob sie es woanders billiger kriegen. | |
Und bestellen es dann online. Samstags war früher der absolute Verkaufstag. | |
Der Laden war brechend voll. Seit zwei Jahren hat sich das komplett | |
verändert. Ein weiterer Auslöser war, dass es drei Jahre in Folge keinen | |
richtigen Winter mehr gab. | |
Was ist daran so schlimm? | |
Das Wintergeschäft ist komplett ausgefallen. Für einen Laden mit | |
entsprechender Kleidung bedeutet das 50 Prozent des Umsatzes. | |
Wie viel spart ein Kunde, der einen guten Rucksack statt im Fachhandel | |
online kauft? | |
Das kann schon einiges ausmachen. | |
Ist so ein Kaufverhalten nicht verständlich, zumal viele Leute ja nicht so | |
viel Geld haben? | |
Durchaus. Enttäuschend finde ich nur, dass die Verbraucher so wenig | |
Charakter zeigen und den Einzelhandel die Vorarbeit machen lassen. | |
In Berlin gibt es viele Outdoor-Läden. Haben die ähnliche Probleme? | |
Ich bin mir sicher, dass auch sie nicht mehr die Umsätze haben, die sie mal | |
hatten. Wir sind nicht die Einzigen, die unter der Entwicklung zu leiden | |
haben. | |
Dabei war Bannat mal eine Goldgrube. | |
Wir haben ganz früh angefangen und waren sehr erfolgreich. Überall in | |
Deutschland kannte man uns. | |
Bitte erzählen Sie ein wenig von den Anfängen. | |
Mein damaliger Lebensgefährte Georg Bannat . . . | |
. . . der Namensgeber des späteren gemeinsamen Geschäfts . . . | |
. . . und ich sind mit einem ausgebauten VW-Bus durch Afrika gefahren. Ein | |
halbes Jahr. Wir sind von Algerien runter bis nach Südafrika. Das ging | |
damals noch. | |
Unvorstellbar aus heutiger Sicht. Damals gab es noch kein Internet, kein | |
GPS und auch die ganze Traveller-Literatur noch nicht. | |
Es gab nur eine gelbe Afrikafibel. Einfach mit Schreibmaschine geschrieben, | |
der Text wurde immer verbessert und kopiert. Die Informationen kamen von | |
den Reisenden. Die Afrikafahrer haben sich unterwegs ausgetauscht: Wo sind | |
die Wasserlöcher? Wo kann man Benzin kaufen, wo nächtigen? In was für einem | |
Zustand sind die Pisten, wo bekommt man Luftlandebleche? | |
Wie bitte, was? | |
Luftlandebleche. Die haben die Militärs früher benutzt, um in der Wüste | |
landen zu können. Aber sie waren aus Stahl und deshalb zu schwer. Später | |
gab es dann leichtere aus Aluminium. | |
Wozu brauchten Sie die Bleche ? | |
In der Wüste waren sie unerlässlich, wenn man sich mit dem Auto | |
festgefahren hatte. Man legte die Bleche unter die Antriebsräder, | |
schrittweise immer weiter voran. Das war irre anstrengend. Aber die Fahrten | |
durch die Wüste waren unbeschreiblich. | |
Und dann haben Sie einen Handel aufgezogen? | |
In erster Linie haben wir das zunächst nur für uns selber gemacht. Das | |
Reisen packt einen. Es ist wie eine Sucht. Wir wollten eine bessere | |
Ausrüstung haben. Unterwegs haben wir Leute mit ähnlichen Bedürfnissen | |
getroffen. Wir haben nachts gefroren im Auto in Afrika. Damals gab es ja | |
nur diese Bundeswehrschlafsäcke, die waren aber viel zu schwer und haben | |
nicht gewärmt. Weil wir wussten, dass es anderen ähnlich ging, haben wir in | |
Tip und Zitty inseriert, dass wir die Dinge besorgen würden. Und da hat | |
sich gezeigt, dass es eine sehr große Nachfrage gibt. Schließlich haben wir | |
in Berlin eine kleine Ladenwohnung gemietet. | |
Wo war das? | |
In der Weisestraße 34 in Neukölln. Hinten haben wir gewohnt, vorne war das | |
Geschäft. „Bannat Globetrotter- und Expeditionsausrüstung“ haben wir es | |
genannt. Meine Bekannten haben mich für bekloppt erklärt: Outdoor, was das | |
soll? Ob das was mit Autoersatzteilen zu tun hat? | |
Was waren Ihre Bezugsquellen? | |
Coleman aus den USA, Camping-Gaz aus Frankreich, Caravan aus Schweden. | |
Autoteile, zum Beispiel Luftfilter, bekamen wir bei entsprechenden | |
Ersatzteilhändlern. Allmählich ist so eine kleine Industrie entstanden. Das | |
war eine Welle, auf der wir unwahrscheinlich schnell nach oben gekommen | |
sind. Wir sind dann in die Brandenburgische Straße. Das war unser zweiter | |
Laden. Später sind wir in die Lietzenburger Straße umgezogen. Dort waren | |
wir 28 Jahre. | |
Wann kam der wirtschaftliche Einbruch? | |
Bis Mitte der neunziger Jahre lief das Geschäft sehr gut. Anfang 2000 | |
begann es zu kriseln. Ein Ausdruck von vielen waren die Probleme, die der | |
Karstadt-Konzern hatte. Da war die Euroumstellung, die Vogelgrippe, die | |
SARS-Pandemie, die Irak- und Kuwait-Krise. Das alles hat dazu geführt, dass | |
die Leute viel weniger verreist sind. Auch die Konkurrenz in Form von neuen | |
Outdoorläden haben wir gespürt. 2007 habe ich dann Georgs Anteile | |
übernommen. | |
Was hat Georg Bannat gemacht? | |
Er ist in die Karibik ausgewandert und hat dort mit seiner Freundin ein | |
Schnitzel-Haus aufgemacht. | |
Wie ging es mit dem Laden weiter? | |
Durch die Veränderungen der Zollbestimmungen wurde der Markt mit | |
Billigprodukten aus Fernost überschwemmt. Das hat der Einzelhandel deutlich | |
zu spüren bekommen. Und der Onlinehandel begann zu boomen. Das alles hat | |
schließlich dazu geführt, dass wir im Sommer schließen mussten. | |
Und was machen Sie nun? | |
Ich bin ein Kämpfertyp. Es gibt viele Möglichkeiten. | |
Haben Sie konkrete Pläne? | |
Zusammen mit zwei Mitarbeitern würde ich gerne noch mal neu anfangen. Viel | |
kleiner, für Leute, die eine vernünftige Beratung wollen. Ich bin der | |
absolute Ökomensch. Meine Haltung war immer eher die: Wenn ich schon als | |
Reisende im Ausland unterwegs bin, kann es nicht sein, dass die Leute bei | |
der Produktion der Kleidung, die ich trage, kaputtgehen. | |
Worauf wollen Sie hinaus? | |
Schön wäre, sich auf kleine Firmen Made in Germany und Fair Trade zu | |
spezialisieren. Aber wenn ich den Gesprächen in Biergärten so zuhöre, habe | |
ich meine Zweifel, dass es diesen Kundenkreis noch gibt. | |
Dieser Text ist Teil des aktuellen Themenschwerpunkts in der taz.berlin. | |
Darin außerdem: Wie der Berliner Einzelhandel um Kunden kämpft. Und ein | |
Essay über Tante Emma. In Ihrem Briefkasten und am Kiosk. | |
13 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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