Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Entwicklungsziele für Europa: Grüner dank Wirtschaftskrise
> Europa will wohlhabend, grün und sozial werden. Das klappt, legen
> EU-Statistiken nahe. Grund für den Erfolg ist vor allem der Abschwung.
Bild: Jeder vierte Europäer ist von Armut bedroht: Bettler in Mallorca.
BERLIN taz | Die gute Nachricht: Einen Monat, bevor die UN-Staaten die
neuen globalen Nachhaltigkeitsziele verabschieden, sind die Hälfte der
europäischen Indikatoren auf diesem Feld positiv: Vor allem bei
Energieverbrauch und Klimaschutz zeigt Europa den richtigen Trend, wie aus
dem sechsten „Fortschrittsbericht über die EU-Strategie zur nachhaltigen
Entwicklung“ hervorgeht, der am Dienstag von der EU-Behörde Eurostat in
Luxemburg veröffentlicht wurde.
Die schlechte Nachricht: Die meisten dieser positiven Entwicklungen haben
als Ursache die Wirtschaftskrise.
Alle zwei Jahre misst Eurostat den Fortschritt bei der Nachhaltigkeit in
Europa mithilfe von 100 Indikatoren: Wirtschaft, Soziales und Umwelt sollen
ins Lot gebracht werden, außerdem Entwicklungshilfe und „gute
Regierungsführung“, wie der Kampf gegen Korruption. Von den zehn Großthemen
sind in der kurzfristigen Bewertung fünf positiv: Der Einsatz von
Rohstoffen pro Produkt, der Verbrauch von Primärenergie, der Ausstoß von
Treibhausgasen und der Energieverbrauch im Verkehr sind alle rückläufig.
Positiv ist auch, dass mehr ältere Menschen Jobs finden, die
Wirtschaftsleistung pro Kopf und die Lebenserwartung steigen.
In drei Kategorien scheitert die EU allerdings an ihren eigenen Vorgaben:
Sie verfehlt die versprochenen 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für
Entwicklungshilfe, die heimischen Vogelarten als Indikator für
Artenvielfalt sterben immer schneller aus – und inzwischen ist jeder vierte
Mensch der 508 Millionen EU-Bürger arm oder von Armut bedroht.
## Die Statistik der EU führt manchmal in die Irre
Die Erfolgsbilanz wird noch trüber: Energieverbrauch und Emissionen sinken
vor allem, weil in der Wirtschaftskrise weniger produziert wird, bestätigt
Barbara Kurkowiak von Eurostat auf taz-Anfrage. Auch das
Wirtschaftswachstum von 13 Prozent seit 2000 bezieht sich auf die
Gesamtheit der 28 EU-Länder, einzelne Krisenstaaten „sind gesondert
aufgeführt“, sagt die Expertin. Nach wie vor nehmen die Staaten achtmal
soviel Geld ein durch Steuern auf Arbeit als durch Steuern für
Umweltverschmutzung, obwohl sich das ändern sollte.
Und die Datenberge können täuschen: So verbirgt sich hinter der eigentlich
erwünschten Zunahme beim „Handel mit Entwicklungsländern“ vor allem der
Import/Export mit China. Die ebenfalls proklamierten Erfolge bei der
Bekämpfung der Armut oder beim Zugang zu sauberem Wasser kommen in vielen
Ländern nicht bei den Menschen an, heißt es im Kleingedruckten des 353
Seiten starken Berichts. Und der Erfolg beim Indikator „Abstand bei den
CO2-Emissionen“ zu den Entwicklungsländern liegt weniger am Klimaschutz der
EU – sondern mehr daran, dass die armen Länder jetzt auch mehr CO2
ausstoßen. „Die EU ist auf dem Weg zur Nachhaltigkeit“, sagt Kurkowiak,
„aber die Daten lassen Raum für Interpretation.“
Die sieht von Seiten der Umweltverbände nicht so rosig aus: „Diese
EU-Kommission kümmert sich vor allem um Wachstum und Jobs, Nachhaltigkeit
ist nachrangig“, kritisiert Leida Rijnhart vom Dachverband der europäischen
Umweltverbände EEB. „Die Indikatoren der EU-Strategie sind außerdem von
2001 und nicht mehr zeitgemäß.“ Gebraucht würden statt der relativen jetzt
absolute Minderungsziele, wie sie auch die neuen Entwicklungsziele der UN
vorsehen. „Bei der neuen Nachhaltigkeitsstrategie, die die EU 2016
beschließen will, muss sich das ändern“, fordert Rijnhart.
Das gilt wohl auch für die Daten zum Indikator „Vertrauen in
EU-Institutionen“. Bisher gibt es dafür keine Bewertung. Was das Vertrauen
in die EU-Institution Eurostat auch nicht steigert.
1 Sep 2015
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Nachhaltigkeit
SDG
Europäische Union
Entwicklungshilfe
Nachhaltigkeit
Vereinte Nationen
Entwicklungsziele
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wirtschaft in Europa: Wachstum durch Flüchtlinge
Die EU-Konjunkturprognose ist positiv. Besonders Deutschland soll von
Migranten profitieren – wenn die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt.
Entwicklungshilfe durch Privatwirtschaft: Wie die Welt besser werden soll
Gutmenschentum, Selbstverpflichtung, Fluchtvermeidung? Entwicklungshilfe
folgt zunehmend den Regeln der Konzerne.
Globale Ziele zur Nachhaltigkeit: Entwicklungshilfe für Berlin
Auf die Bundesregierung warten große Aufgaben: Armut bekämpfen, Konsum
fairer machen, Biolandbau fördern. Doch bisher bleibt sie schwammig.
Nachhaltige Entwicklungsziele der UNO: Noch 15 Jahre bis zur guten Welt
Die Millenniumsziele der UNO werden nicht erreicht. Nun hat der Staatenbund
seine neuen „nachhaltigen Entwicklungsziele“ verabschiedet.
Kapitalismuskritik und Konsum: „Die Hauptlast liegt beim Norden“
Der Globalisierungskritiker Walden Bello über mangelndes
zivilgesellschaftliches Engagement beim G-7-Gipfel, Postwachstum und
soziale Ungleichheit.
Erster Entwurf der Entwicklungsziele: Wunschzettel für eine bessere Welt
In diesem Jahr will die UNO neue Entwicklungsziele verabschieden – auch für
reiche Länder. Nun gibt es einen konkreten Entwurf.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.