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# taz.de -- Angriffe auf Flüchtlingsheime: Das hässliche Deutschland
> „Besorgte Bürger“ rufen zum Protest gegen Flüchtlinge – und teils auch
> offen zu Gewalt auf. Der Übergang zu militanten Neonazis ist fließend.
Bild: Schön ist es in Sachsen. Nur nicht für Asylsuchende
BERLIN taz | Am 10. März starteten Bürger aus Winden am Aign eine
Onlinepetition: „125 Asylbewerber auf 827 Einwohner sind definitiv zu
viel!!! Das lassen wir uns nicht gefallen!!!“ Das war der ganze Text. 1.284
Menschen unterschrieben gegen die Umwandlung des leerstehenden Gasthofs
Däuber in dem bayrischen Dorf in ein Flüchtlingsheim.
Am 18. März gingen die Windener dann erstmals auf die Straße. Sie trugen
Transparente mit Slogans wie „Bürger, wehrt Euch“. Kurz darauf gab das
Landratsamt Pfaffenhofen nach: Statt 125 sollten nur 67 Flüchtlinge nach
Winden kommen. Manchen war das noch immer zu viel. Auf der Seite der
Onlinepetition posteten besorgte Bürger Meldungen über „Vergewaltigungen
durch Asylanten“. In der Nacht zum 17. Juli legten Unbekannte zwei
Brandsätze in den noch unbewohnten Gasthof. Um 2.44 Uhr ging der Notruf bei
der Polizei ein.
„Ich habe in der Nacht die Sirene gehört“, berichtete eine Anwohnerin am
nächsten Morgen dem Donaukurier. „Aber ich wollte nicht losmarschieren und
schauen.“ Verbrannt gerochen habe es. Die Anwohnerin Anita Adam sagte der
Zeitung, sie kenne „keine andere Ortschaft, die auf die angekündigten
Asylbewerber so harmonisch reagiert habe. „Es wird nicht geschimpft.“
202 solcher Angriffe gab es nach Zählung des Bundeskriminalamts von Januar
bis Juni dieses Jahres. Für 173 dieser Übergriffe seien rechtsextreme Täter
verantwortlich, erklärte das Bundesinnenministerium kürzlich. Der
Hintergrund weiterer 26 Taten habe bisher nicht zugeordnet werden können.
Damit ist die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte in den ersten
sechs Monaten dieses Jahres so hoch wie im ganzen vergangenen Jahr. Im Jahr
2013 gab es 58 Übergriffe aus der rechten Szene gegen Asylbewerberheime.
## „Haut die Penner raus“
Immer öfter geschehen die Angriffe in der Folge von Protesten „besorgter
Bürger“. 2012 hatten Nazis erstmals den Schulterschluss mit dem
bürgerlichen Spektrum gegen Unterkünfte von Asylbewerbern versucht. Die
erste Welle der „Nein zum Heim“-Bewegung verebbte, kam aber in den letzten
Monaten umso heftiger zurück. Der Übergang zwischen
bürgerlich-konservativen Asylheimgegnern und militanten Rechten wird
fließend.
Auf den Webseiten vieler Anwohnerinitiativen wird Gewalt offen gutgeheißen.
Kostprobe: „Haut die Penner raus sofort ich helfe sogar dabei den Pennern
einen fetten arsch tritt zugeben das die dort hin fliegen wo die
hergekommen sind!!!!! Echte Kriegs Flüchtlinge brauchen keine Handys oder
einen großen tv“, befand etwa ein User namens „Ronny Putzger“ am Donners…
auf der Facebookseite von „Nein zum Heim Sächsische Schweiz“. So gibt es
Brandanschläge, auf Flüchtlinge selbst wurde ebenso geschossen wie auf ihre
Unterkünfte, unter dem Auto eines linken Politikers explodierte vor wenigen
Tagen eine Bombe.
Die Deutsche Presseagentur sah eine neue Stufe der Eskalation und kündigte
Anfang der Woche an, nicht mehr von „Asylgegnern“ oder „Asylkritikern“ …
schreiben. Das Bundesinnenministerium weigert sich bislang, von rechtem
Terrorismus zu sprechen – und wird dafür immer härter kritisiert.
Das Bundeskriminalamt weist auf Anfrage darauf, dass von den politisch
motivierten Straftaten „rechts“ im vergangenen Jahr 45,2 Prozent aufgeklärt
worden seien. Doch viele Angriffe auf Flüchtlinge oder ihre Unterkünfte
werden nicht als solche erfasst – die Polizei ermittelt „in alle
Richtungen“, die Fälle gehen nicht in diese Statistik ein.
Anders im Fall Winden. „Wir sind sehr schnell von vorsätzlicher
Brandstiftung ausgegangen“, sagt Hans-Peter Kammerer vom Polizeipräsidium
Oberbayern Nord. Und es sei „durchaus möglich, dass die Täter aus den
rechten Bereich kommen“. Die Polizei gründete eine Sonderkommission mit 25
Beamten. Die sei „derzeit hauptsächlich mit der Befragung der Bewohner des
Ortes befasst.“ Hinweise, die die Täter überführten, gab es von dort
bislang keine.
Die protestierenden Asylheimgegner genauer unter die Lupe nehmen will die
Polizei indes nicht. „Wenn jemand seine Meinung kundtut, kann umgekehrt
kein Tatverdacht daraus begründet werden, das wäre eine Nummer zu einfach“,
sagt Kammerer. Die Ermittler hoffen jetzt auf mögliche Beobachtungen von
200 SchülerInnen, die in der Tatnacht in einem Wäldchen nahe dem Gasthof
ihren Abschluss feierten. Doch von denen seien viele „noch im Urlaub“.
30 Jul 2015
## AUTOREN
Christian Jakob
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