# taz.de -- Die Wahrheit: Deppen für Deutschland | |
> Hund sans scho: Wie die CSU es geschafft hat, dass das Schimpfen in | |
> Bayern zur großen Gaudi verkommen ist. | |
Es ist ein trauriges Kapitel in der Familiengeschichte der Warmedingers. | |
Die Blutlache, in der sie den Großvater des Altbauern von Unsernherrn einst | |
gefunden haben, soll so tief gewesen sein, dass alsbald die Enten des Hofes | |
darin geschwommen seien. Selber schuld sei der Warmedingerbauer gewesen, | |
hieß es schon auf der Beerdigung. Einen wie den Kramergiaglsepp könne man | |
doch nicht ungestraft als Breznsalzer bezeichnen. Außerdem seien noch | |
andere Wörter gefallen, und dann sei dem Nachbarbauern gar nichts anderes | |
übriggeblieben, als zum Hackebeil zu greifen und dem Warmedinger den | |
Schädel zu spalten. | |
Letztlich konnte nie ganz geklärt werden, welche Beschimpfungen der | |
Kramergiaglsepp sich in den Vorminuten seiner Tat hat anhören müssen. Die, | |
die dabeigewesen sind an jenem Abend vor der Dorfgaststätte, haben oft von | |
den verbalen Entgleisungen des alten Warmedinger berichtet. | |
## Verschärftes Moosbummerl | |
Depp und Zipfelklatscher seien da noch die harmlosesten Beschimpfungen | |
gewesen und richtig wild sei der spätere Totschläger erst geworden, als ihn | |
der Warmedinger als z’sammavögelten Pimperer bezeichnet habe, als | |
Moosbummerl, Muhhackl und Bankert, dessen Frau nichts anderes sei als eine | |
damische Gretl. Kein Wunder also, dass es mit dem Warmedingerbauern ein so | |
tragisches Ende genommen hat. | |
Jedes Jahr zu Kirchweih wird in Unsernherrn an jenen Abend erinnert, und | |
die Nachfahren des Warmedingerbauern legen ein paar Blumen auf das Grab des | |
Erschlagenen. Dann sinniert der ganz Ort darüber, wie sich die Zeiten über | |
die Jahrzehnte doch geändert hätten. Bei aller Anteilnahme für die | |
Warmedingers äußern die Bewohnen von Unsernherrn jedes Jahr aufs Neue auch | |
ihre Enttäuschung darüber, dass es in Bayern heutzutage schier unmöglich | |
geworden sei, jemanden zu beleidigen. Wem mache es denn heute noch etwas | |
aus, als Rindviech bezeichnet zu werden. Das Schimpfen sei zur Gaudi | |
verkommen. So schnell werde es wohl nicht mehr zu so etwas Herausragendem | |
kommen wie dem Blutrausch von Unsernherrn. | |
Schuld daran sei die Partei, meint der junge Warmedingerkevin am 80. | |
Jahrestag der großen Schädelspalterei. Warum sich eine wie die | |
Wirtschaftsministerin Aigner nicht ärgern könne, wenn man sie als damische | |
Gretl bezeichne, frage er sich schon. Als Landwirtschaftsministerin droben | |
in Berlin habe die gesagt, dass bayerische Kühe laktosefreie Milch geben | |
würden, füttere man sie nur mit Heu. Wenn man das als deppert bezeichne, | |
dann freue sich diese Alpenwachtl wahrscheinlich sogar noch darüber, weil | |
deppert ein so schönes, altes bairisches Wort sei. | |
Es möge ja schön anzusehen sein, so der Kevin weiter, dass den bayerischen | |
Frauen Geranien aus den Brustwarzen wachsen, die sich über dem Holz vor der | |
Hütt’n im Dirndldekolletee durchaus hübsch machten. Und es mag ebenso | |
faszinierend sein, dass in Bayern demnächst 3-D-Drucker hergestellt werden, | |
mit denen sich eine Miesbacher Tracht ausdrucken lasse. Und auch wenn der | |
Weißwurst-, Leberkas- und Schweinsbratenkult bis hinauf in fränkische | |
Gefilde zu so manch arg früh einsetzender Herzinsuffizienz führe, so würde | |
es doch wenigstens schmecken. Doch dass jetzt jedes bairische Schimpfwort | |
zu einem regionalen, mithin witzigen Bonmot umgedeutet werde, das gehe dann | |
doch zu weit. Sie würden heute nicht an diesem Grab stehen, so der | |
Warmedingerkevin, wenn zu Lebzeiten seines Urgroßvaters schon eine ähnliche | |
Unkultur geherrscht hätte. Nicht auszudenken! | |
Und selbstverständlich wissen all die Umstehenden, dass es kein Zufall ist, | |
was da in Bayern passiert ist. Die Folklorisierung der bayerischen | |
Schimpfkultur sei ein Meisterstück der Partei gewesen. Unangreifbar habe | |
sie sich gemacht, sagt der Kramergiagljochen. Und kaum einer widerspricht, | |
obwohl im Ort das Gerücht umgeht, der Nachfahre des Schlächters von | |
Unsernherrn habe sein Kreuz bei der letzten Wahl bei den Grünen gemacht. | |
Einem wie dem Scheuer, dem Generalsekretär der Partei, sei es letztlich | |
egal, so der Kevin, ob man ihn als broadgfozadn Bosnickl bezeichne, wenn er | |
die griechische Regierung „linke Erpresser und Volksbelüger“ nenne. Und er | |
würde es wahrscheinlich witzig finden, wenn man ihn Gifthaferl heißen | |
würde, wo er doch tatsächlich behauptet habe, 60 Millionen Flüchtlinge | |
seien auf dem Weg nach Bayern. | |
Und niemand kann sich vorstellen, dass man diesen Mautversager Dobrindt mit | |
dem Wort Gschmoaß beleidigen kann. Er würde es sich wahrscheinlich | |
aufschreiben und behaupten, es gefalle ihm als Freund und Beschützer des | |
bairischen Idioms ganz besonders gut. | |
Und der Seehofer, der sei, da sind sich alle einig, ohnehin längst jenseits | |
von Gut und Böse. Ja, sie kassiere das Betreuungsgeld, sagt die junge | |
Warmedingerin, aber von Wahlfreiheit könne nicht die Rede sein, wenn die | |
Ganztagesgruppe des Kindergartens um 14 Uhr schließe. Und dann schaffe es | |
der Ministerpräsident nicht einmal, dass das Ganze verfassungskonform | |
geregelt werde. So einer gehöre beschimpfwörtert, meint sie. Bloß wie, | |
fragt sie sich! | |
## Verflixter Hirnfieselkatarrh | |
Ob der Seehofer nicht an Hirnfieselkatarrh leide, hat sich der | |
Kramergiagljochen des Öfteren gefragt. Wie könne, ereifert er sich, jemand | |
Asyl missbrauchen, der ohnehin keines gewährt bekomme. Einer, der ein Wort | |
wie „Abschiebelager“ erfinde, den hätte man früher als Sautreiber | |
bezeichnet. Aber Seehofer werde das nicht jucken. Wahrscheinlich habe er | |
den Sautreiber längst als schützenwerten Beruf eintragen lassen und werde | |
auf dem Zentralen Landwirtschaftsfest den ersten staatlich geprüften | |
Sautreiber höchstpersönlich mit einer Medaille auszeichnen. | |
Womit wir bei diesem Söder wären, wirft jetzt der Wurmedingerkevin ein. Der | |
sei das Urbild eines Breznsalzers, einer, der immer und überall gescheit | |
daherrede, obwohl er keine Ahnung habe. Und das liege nicht allein daran, | |
dass er Franke sei. Der Söder sei es, der daran arbeite, auch die | |
fränkischen Gaue des Freistaats in eine Folklorehölle zu verwandeln. | |
## Verbrunzter Breznsalzer | |
Wie anders sei es zu verstehen, dass er das Heimatministerium in Nürnberg | |
angesiedelt hat. Und wenn den Söder jemand einen Breznsalzer schimpfe, weil | |
er den Griechen wieder einmal Hausaufgaben aufgebe, obwohl er nicht einmal | |
Dorfschullehrerformat habe, dann werde der gewiss antworten, dass das doch | |
ein ehrenwerter Beruf sei, Breznsalzer. Der Söder sei einfach ein Depp, | |
meint dann der Kramergiagljochen und ist sich sicher, dass der | |
Finanzminister auch noch stolz darauf ist, ein solcher zu sein. Ihn | |
jedenfalls würde es nicht wundern, wenn die CSU dereinst auf ihre Plakate | |
schreiben würde: „Deppen für Deutschland“. | |
Aber wählen würden sie die Partei trotzdem, meint da der Warmedingerkevin, | |
worauf der Kramergiagljochen erwidert, dass der junge Warmedinger selber | |
ein Depp sei. Kurz darauf spuckt der Kramergiagljochen ein paar Zähne aus, | |
die ihm der Warmedingerkevin gerade ausgeschlagen hat. Das sei ja wie in | |
der guten, alten Zeit, meint die Warmedingermutter und wischt sich ein paar | |
Tränen weg. Einen Toten gibt es an diesem Tag indes nicht. | |
1 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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