| # taz.de -- Die Wahrheit: Spachteln mit Nevin | |
| > Neues von der Heimatfront: Wenn Flüchtlinge zum Essen eingeladen werden, | |
| > gibt es gar köstliche Begebenheiten aus deutschen Landen. | |
| Bild: Festlich gedeckt ist die Tafel für Flüchtlinge | |
| Andrea ist immer noch selig. Ein echter Kurde. Bei ihnen in der Wohnung! | |
| Einfach so. Und sie können sich den ganzen Abend mit ihm unterhalten. Ein | |
| bisschen zumindest. So richtig gut Deutsch kann er jedenfalls noch nicht. | |
| Aber es ist eben einer aus dem Irak. Nicht aus der Türkei, die kennt man ja | |
| schon. Es ist ein großer Tag in Andreas Leben. | |
| Torsten findet den Abend auch irgendwie interessant. Und er fühlt sich gut. | |
| So lange hat er sich schon vorgenommen, auch mal etwas für Flüchtlinge zu | |
| tun. Jetzt ist es endlich so weit. Von Beate und Peter haben sie den Tipp | |
| erhalten. Die hatten sich einen Afghanen kommen lassen. Ein Kulturverein | |
| vermittelt die Flüchtlinge. Die gehen dann zum Kochen und Kennenlernen in | |
| typische deutsche Haushalte. | |
| Andrea fand das gleich eine schöne Idee, als sie davon hörte, und sie ist | |
| fast ein bisschen sauer, als Torsten meint, er hätte jemanden mit so einem | |
| Namen nicht in seine Wohnung gelassen. Einen kleinen Rassisten schimpft sie | |
| ihren Mann. Und Torsten sieht es dann auch ein, dass man nicht irgendeine | |
| vielleicht witzig gemeinte, am Ende aber doch wenig bedachte Äußerung | |
| machen sollte, nur weil einem jemand von einem Afghanen erzählt, der Usama | |
| heißt. | |
| ## Interkultureller Essensabend mit Kurde | |
| Ihr Kurde heißt Nevin. Dazu würde nicht einmal Oliver Welke ein Namenswitz | |
| einfallen, findet Torsten, als der Kulturverein die Bestätigung für den | |
| interkulturellen Essensabend geschickt hat. Obwohl, irgendwas mit „Nevin | |
| come back“ vielleicht. Aber das sagt er Andrea lieber nicht. Die würde ihn | |
| sofort wieder in die ausländerfeindliche Ecke stellen und fragen, was er | |
| damit eigentlich sagen wolle. „Ausländer raus!“, oder was? | |
| Als „mein kleiner Seehofer“ bezeichnet sie Torsten dann, als der die Idee | |
| mit dem Metalldetektor hat. Er erklärt ihr, dass er die Kontrolle ja genau | |
| deshalb machen will, weil er Nevin ermöglichen wolle, zu ihnen in die | |
| Wohnung zu kommen. Wollte er das nicht, dann bräuchte er doch nur die Tür | |
| nicht aufzumachen. Er sei halt paranoid, meint Andrea daraufhin. Nach | |
| Brüssel aber ändert sich ihre Meinung. Am Ende finden sie beide die | |
| Schleuse, die ihnen ein Freund von Torsten besorgt hat, der als Ingenieur | |
| in der Sicherheitsbranche arbeitet, beinahe schon wieder cool. So etwas | |
| habe nun wirklich niemand, meint Torsten stolz. Sie fühlen sich jetzt | |
| jedenfalls sicher und genau darum ist es den beiden gegangen. „Man wird | |
| sich ja wohl noch sicher fühlen wollen dürfen“, witzelt Torsten, und Andrea | |
| lächelt. | |
| Nevin und das Essen sind dann schnell eingeschleust. Fünfzig Euro haben sie | |
| dem Verein überweisen müssen. Ihr Kurde hat davon eingekauft, und den Rest | |
| darf er behalten, so lautet das Reglement. Als Torsten die Aldi-Tüte sieht, | |
| wirft er Andrea einen Blick zu, der vielsagend sein soll. Aber Torsten hat | |
| auch durchaus Verständnis. Er selbst würde das nicht anders machen, sagt er | |
| sich und zwinkert Nevin zu. | |
| ## Gluten- und laktosefreies Essen vom Flüchtlingskoch | |
| Lamm, Reis, Zwiebeln, Paprika, Tomaten, Milch, Sonnenblumenöl, jede Menge | |
| Gewürze, sogar Salz hat Nevin mitgebracht. Der Verein hatte schon | |
| angedeutet, dass es für Nevin wahrscheinlich nicht ganz leicht werden | |
| würde, wirklich ein gluten- und laktosefreies Essen zuzubereiten. Nun sehen | |
| sie, dass es ihm offenbar gar nicht möglich war. „Hauptsache, wir kosten | |
| von allen Gerichten“, sagt Andrea, „sodass es nicht ganz unhöflich | |
| daherkommt.“ | |
| Es ist nicht gerade wenig, was sie am Ende des Abends für Nevin einpacken. | |
| Im Heim gebe es doch bestimmt viele hungrige Mäuler, meint Andrea beim | |
| Abschied und schiebt Nevin an der Schleuse vorbei ins Freie. Sie findet | |
| sich ganz gut dabei und ist sich sicher, noch einmal eine gute Tat | |
| vollbracht zu haben. | |
| Nun sitzen sie also lächelnd hinter ihren dampfenden Tassen Magen-Darm-Tee. | |
| Gut ist es gelaufen! Sie gehen noch einmal ins Netz, um auf der Seite des | |
| Vereins nachzusehen, wen sie das nächste Mal zum Kochen kommen lassen | |
| könnten. Eine echte Romafrau! Die will Andrea unbedingt haben. Und für die | |
| Wertsachen wollen sie sich ja ohnehin schon seit Längerem einen Safe | |
| zulegen, meint Torsten. | |
| 1 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Rüttenauer | |
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