# taz.de -- Neues Heim in Berlin-Marzahn: Flüchtlinge auf dem Präsentierteller | |
> Die neue Containerunterkunft in Marzahn ist eröffnet. Während ein | |
> Willkommensbündnis die Bewohner begrüßt, sorgen Neonazis für Angst und | |
> Schrecken. | |
Bild: Beim Tag der Offenen Tür demonstrierten auch Flüchtlingsunterstützer | |
Eigentlich ist diese Nachricht allein schon eine gute: Die neue | |
Flüchtlingsunterkunft in Marzahn-Hellersdorf ist eröffnet, seit gut einer | |
Woche ziehen hier die BewohnerInnen ein, 150 sind es bisher. Gegen dieses | |
Heim – eine der sechs neuen Containerunterkünfte in Berlin – gibt es | |
schließlich seit Monaten Proteste. Im Herbst zogen die | |
flüchtlingsfeindlichen Demonstrationen, nach Erkenntnissen des Landesamts | |
für Verfassungsschutz von organisierten Rechtsextremen gesteuert, bis zu | |
1.000 TeilnehmerInnen an. Mittlerweile sind die „Nein zum | |
Heim“-Veranstaltungen zwar auf einen harten Kern von 50 bis 100 Personen | |
geschrumpft, finden aber immer noch mindestens wöchentlich statt. | |
Keine guten Voraussetzungen für den Einzug der Flüchtlinge in die Container | |
am Blumberger Damm. Doch es gibt noch eine erfreuliche Nachricht aus | |
Marzahn: Ein eigens gegründetes Willkommensbündnis erfährt regen Zuspruch. | |
„Von den Jugendfreizeiteinrichtungen bis zu den Kirchengemeinden sind im | |
Bündnis praktisch alle vertreten, die im Umfeld der Unterkunft aktiv sind | |
oder Einrichtungen betreiben“, sagt Renate Schilling vom Stadtteilzentrum | |
Marzahn-Mitte. | |
Der von der Volkssolidarität Berlin betriebene Kieztreff war vom Senat dazu | |
ausgewählt worden, die Kommunikation mit den AnwohnerInnen des Heims zu | |
führen, und positionierte sich schon früh gegen die rechte Stimmungsmache. | |
Gut 70 Personen stark sei das im Mai gegründete Bündnis, sagt Schilling. In | |
verschiedenen Untergruppen arbeite man etwa an der Koordination der | |
Kleiderspenden oder dem Angebot an Deutschunterricht. | |
Die Zusammenarbeit mit dem Heimbetreiber Prisod Wohnheimbetrieb laufe dabei | |
bisher gut, sagt Schilling. Gerade erst habe sich Prisod mit einem Notruf | |
an das Bündnis gewandt, weil es Engpässe bei der Kinderbetreuung gebe. | |
„Unsere Helfer haben dann einen Ausflug mit den Kindern gemacht, und die | |
Jugendfreizeiteinrichtungen bieten auch schon Programme an“, sagt | |
Schilling. | |
## Mehrere Übergriffe | |
Alles prima also in Marzahn? Nein. „Es gibt immer wieder | |
Einschüchterungsversuche gegen die Bewohner“, sagt Schilling. Rechte würden | |
die Unterkunft beobachten, die BewohnerInnen fotografieren oder „bis nachts | |
um drei Uhr vor der Haustür grillen“. Eine der Jugendfreizeiteinrichtungen | |
habe eigens einen Bus organisiert, um die Kinder sicher von der Unterkunft | |
abholen zu können. Es habe auch bereits Übergriffe auf einige Flüchtlinge | |
gegeben. „Gerade die Erwachsenen trauen sich im Moment nicht vor die Tür, | |
das ist noch viel zu einsehbar, wie auf dem Präsentierteller“, sagt | |
Schilling. | |
Luisa Seydel von der Willkommensinitiative „Hellersdorf hilft“ bestätigt | |
diese Wahrnehmung. Fast täglich stünden gerade am Abend Neonazis vor der | |
Unterkunft. Mit dieser Art von Bedrohung kennt Seydel sich aus, schließlich | |
ist ihre Initiative selbst schon oft Opfer davon geworden. Vor zwei Wochen | |
etwa fanden die Engagierten fünf Patronen scharfer Munition, fein | |
säuberlich vor die Tür des von der Initiative betriebenen Ladenlokals | |
gelegt. Am Abend zuvor hatte der bekannte Neonazi René U. Schießbewegungen | |
in ihre Richtung gemacht, als Mitglieder der Initiative sich am Protest | |
gegen eine Neonazi-Kundgebung in Marzahn beteiligten, berichtet Seydel. | |
Wegen des Vorfalls ermittelt jetzt das Landeskriminalamt. | |
Bezirksbürgermeister Stefan Komoß (SPD) spricht von einer „sehr deutlichen | |
Mehrheit, die den Flüchtlingen gegenüber aufgeschlossen ist“. Der Tag der | |
offenen Tür, den der Bezirk noch vor der Eröffnung im Containerheim | |
veranstaltet hatte, habe mehr als 1.000 Besucher angezogen. Auch damals | |
hatte es jedoch eine Neonazi-Kundgebung in der Nähe der Unterkunft gegeben. | |
„Es geht da um einen kleinen Kern von Rechtsextremen, bei dem wir | |
bedauerlicherweise wohl keine Verhaltensänderung errreichen können“, | |
sagt Komoß. Von Angriffen auf Flüchtlinge habe er bisher aber nichts | |
gehört. Der Bezirk habe erwogen, eine Demonstrationsverbotszone um die | |
Unterkunft einzurichten: Die Polizei habe das bisher aber als rechtlich | |
nicht machbar eingestuft. | |
27 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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