# taz.de -- Protest gegen Flüchtlingshaus in Berlin: Der enge Kosmos besorgter… | |
> Seit Wochen wird in Altglienicke gegen den Bau einer Unterkunft für | |
> Flüchtlinge demonstriert. Zu den Kundgebungen kommen Rechte, NPD-Kader | |
> und die CDU. | |
Bild: Wollen raus aus der Notunterkunft: Flüchtlinge in Berlin | |
Die beiden Männer haben sich Mut angetrunken, bevor sie zu der Kundgebung | |
gehen. Es ist Montagabend, die Sonne scheint. Die leeren Bier- und | |
Weinbrandflaschen werfen sie in ein Buswartehäuschen. „Keine Kapitulation“ | |
steht auf ihren T-Shirts. | |
Das, wovor sie nicht kapitulieren wollen, entsteht gerade 150 Meter vom | |
Kundgebungsort entfernt am Bahnweg in Altglienicke im äußersten Südosten | |
Berlins. Hier soll eines von fünf Berliner Tempohomes für Flüchtlinge | |
entstehen. 500 Flüchtlinge sollen in die Wohncontainer ziehen, die gerade | |
angefahren werden. Mit dem Bezug sollen Turnhallen im Ortsteil und der | |
Umgebung wieder frei werden. | |
Anders als die Containerdörfer, die bereits in Buch, Köpenick und weiteren | |
Standorten stehen, sind die neuen Container nicht stapelbar, einfarbig grau | |
und haben aus baulichen Gründen nur eine Standgenehmigung für drei Jahre. | |
Hochwertigere Container sind derzeit europaweit nicht lieferbar. | |
Das Tempohome entsteht in einer Einfamilienhaussiedlung neben dem Zirkus | |
Cabuwazi. Und es sind vor allem biedere Einfamilienhäusler jeden Alters, | |
die sich hier jeden zweiten Montag zum „Anwohnertreffen“, wie sie die | |
Kundgebung nennen, zusammenfinden und gegen die Flüchtlingsunterkunft | |
Stimmung machen. | |
Bei einem Tempohome müsse er an Massentierhaltung denken, wettert gerade | |
ein Anwohner auf der Bühne unter Beifall. Ein anderer meint, die meisten | |
Asylsuchenden seien Wirtschaftsflüchtlinge. Sie kämen nach Deutschland, | |
weil sie falschen Versprechungen hinterherlaufen würden. | |
Seit Mai ist auch die CDU-Abgeordnete Katrin Vogel als Rednerin bei den | |
Kundgebungen dabei. Sie ist Kreisvorsitzende der ChristdemokratInnen in | |
Treptow-Köpenick. Ihre Forderung klingt auf den ersten Blick moderater: | |
Flüchtlinge sollen gleichmäßig auf die Ortsteile verteilt werden. „Eine | |
Konzentration wie in Altglienicke ist politisch verantwortungslos,“ so | |
Vogel. Dort wohnen derzeit rund 500 Flüchtlinge in Heimen und Turnhallen. | |
Doch in der Forderung schwingt mit, dass Flüchtlinge eine Last sind, etwas, | |
das man nicht haben will – jedenfalls nicht in großer Zahl. Was Vogel nicht | |
sagt: Neue Flüchtlingsunterkünfte können nur dort entstehen, wo Bauland in | |
öffentlicher Hand zur Verfügung steht. Und das ist nicht auf dem Ku’damm, | |
sondern nur an den Stadträndern zu haben: in Spandau, Hohenschönhausen oder | |
eben Altglienicke. | |
Dass sich regelmäßig Leute vom rechten Rand wie die beiden Männer mit den | |
T-Shirts bis hin zu NPD-Funktionären unter die DemonstrantInnen mischen, | |
ist kein Wunder. Erstens fühlen die sich von fremdenfeindlichen Parolen | |
magisch angezogen und werben dort um Anhänger. Zweitens beginnt nur 300 | |
Meter von dem Containerplatz entfernt das sogenannte Kosmosviertel, ein | |
Plattenbaugebiet, das ein Schwerpunkt von Rechten ist. | |
Mehrere Mitglieder der 2003 vom Berliner Kammergericht als „kriminelle | |
Vereinigung“ eingestuften Rechtsrockband Landser haben vor ihrer | |
Inhaftierung hier gewohnt. Auch heute leben rechte Führungskader dort: etwa | |
Frank-Eckart C., der die Kundgebung ebenfalls unterstützt. Auch NPD-Kader | |
aus Marzahn waren bereits auf mehreren Vorgängerveranstaltungen. | |
Seit Mai debattieren die Anwohner, wie die Flüchtlingsunterkunft verhindert | |
werden kann: Sollten die Proteste nichts bewirken, „dann müssen wir uns | |
auch andere Gedanken machen, was wir tun können, um dieses Bauvorhaben zu | |
verhindern“, hatte der Initiator der Bürgerinitiative, Rüdiger Schreiber, | |
schon bei der ersten Kundgebung gesagt. | |
Meinte er damit die Eilklage, die Anwohner im Juni vor dem | |
Verwaltungsgericht einreichten? Oder die Behinderung der Bauarbeiten durch | |
brave Einfamilienhäusler und eine Brandstiftung an der Baustelle im Mai? Im | |
Falle der Brandstiftung ermittelt der Staatsschutz gegen unbekannt. | |
Die SPD-Abgeordnete Ellen Haußdörfer, die sich für ein friedliches | |
Miteinander von Flüchtlingen und Altglienickern starkmacht, hat ein von | |
Anwohnern angebrachtes Schild durch die Polizei entfernen lassen. „Hier | |
entsteht das Igel-Haußdörfer-Ghetto“ stand darauf. Bezirksbürgermeister | |
Oliver Igel (SPD) ist ein Lieblingsfeind der Heimgegner, seine Abwahl am | |
18. September deren populäre Forderung. Und weiter stand auf dem Schild: | |
„244 Container. 500 Flüchtlinge.“ Die Vieren hatten die Gestalt von | |
SS-Runen. | |
## Plakat mit SS-Runen | |
Harald Förster, Anmelder der Demo vom Montag, hat sich offenbar schon damit | |
abgefunden, dass das Containerlager nicht verhindert werden kann. „Ich | |
fordere vom Bezirk, dass er nur syrische Familien hier unterbringt“, sagt | |
er. „Keine Bürger der Maghreb-Staaten, keine Tschetschenen, keine | |
Afghanen!“ Andernfalls könne die Polizei gleich eine Außenstelle neben dem | |
Heim einrichten wegen der zu erwartenden ethnischen Konflikte. Dass in | |
vielen Heimen ein friedliches Miteinander von Menschen unterschiedlicher | |
Nationalität möglich ist, hat sich zu ihm noch nicht herumgesprochen. | |
6 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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