# taz.de -- Containersiedlung für Flüchtlinge: Immerhin Haselnüsse in Altgli… | |
> Seit Montag wohnen Flüchtlinge in einem Containerdorf in Berlins | |
> Südosten. Wohl fühlt sich kaum einer von ihnen und willkommen sind sie | |
> auch nicht. | |
Bild: Containersiedlung in Altglienicke: Flüchtlinge in der „Vorstadtidylle�… | |
Vier junge Afghanen sitzen vor der Containersiedlung und knabbern | |
Haselnüsse. Die wachsen hier in Altglienicke, wo die Jugendlichen gerade | |
eingezogen sind, am Wegesrand. Und sie scheinen den Jungen zu schmecken, | |
auch wenn sie noch nicht ganz reif sind. Doch die Haselsträucher sind das | |
Einzige, was den Afghanen an ihrem neuen Zuhause gefällt. | |
Das ist eine Containersiedlung am südöstlichen Stadtrand von Berlin. Ein | |
Tempohome für 500 Menschen. Am Montag war Einzug für die ersten 80 | |
Bewohner, weitere folgen in dieser und der nächsten Woche. Die tristen | |
grauen Container sind mit grünen Markisen blickdicht von der Umgebung | |
abgeschirmt. Presse darf das Gelände nicht betreten. Die Heimleiterin, die | |
Montag ihren ersten Arbeitstag hatte, schien von dem Interesse überfordert. | |
Der 16-jährige Erabi A., einer der vier Afghanen vor dem Tor, sorgt sich | |
darum, wie er in Zukunft zu seiner Schule und seinem Fußballverein in | |
Köpenick kommen wird. Weit und breit ist keine S-Bahn-Station, die | |
Buslinien muss er erst kennenlernen. Das größte Ärgernis für die vier | |
Jugendlichen ist aber, dass sie wieder in eine Unterkunft ziehen, in der | |
man nicht selbst kochen kann. | |
Sieben Monate leben sie schon in Berlin. Ebenso lange erhalten sie dreimal | |
pro Tag eingeschweißte Mahlzeiten. Pappiges Brot. Wurst, die nicht mehr | |
lecker aussieht. Die Afghanen, die bisher in einer Turnhalle wohnten, sind | |
von einem Provisorium ins nächste gezogen. Drei Jahre sollen die | |
Blechbauten stehen, danach müssen sie abgerissen werden. | |
## Container statt Turnhallen | |
Fünf solche Tempohomes baut Berlin, um Turnhallen freizuräumen. So | |
zumindest die Theorie. Denn es ist möglich, dass diese Pläne nach diesem | |
Wochenende keinen Bestand mehr haben. Sozialsenator Mario Czaja (CDU) hat | |
am Sonntag dem Heimbetreiber Pewobe fristlos gekündigt und hält es für | |
denkbar, dass er bis zu 3.000 Menschen aus Pewobe-Heimen andernorts | |
unterbringen muss. Die Containersiedlungen sind die einzigen Unterkünfte, | |
die zeitnah fertig werden. | |
Zwei Nachbarn führen ihren Hund aus und kommen an den Afghanen vorbei. „Die | |
könnten wenigstens Danke sagen“, sagt einer zum anderen. „Schließlich | |
dürfen sie von unseren Steuergeldern hier wohnen.“ | |
Die Stimmung ist aufgeheizt gegen die Flüchtlinge in Altglienicke. Seit | |
Mai organisiert eine Bürgerinitiative, angestachelt von der | |
CDU-Wahlkreisabgeordneten [1][Katrin Vogel], den Protest gegen die | |
Containersiedlung. Jeden zweiten Montag treffen sich die Bürger auf der | |
nahen Venusstraße zur Kundgebung. | |
Fremdenfeindliche Stimmung wird geschürt und wo das geschieht, auch | |
organisierte Rechte nicht dabei. Es hat gebrannt, als die Containersiedlung | |
noch Baustelle war. Der für politische Delikte zuständige polizeiliche | |
Staatsschutz ermittelt. Außerdem hatten Unbekannte ein Schild mit SS-Runen | |
an dem Bauzaun montiert. Eine Kundgebung der Anwohnerinitiative ist auch am | |
Montagabend noch geplant. | |
Bis zum Nachmittag blieb es allerdings, von einigen Pöbeleien abgesehen, | |
ruhig. Die Polizei, die den Einzug der Bewohner um 11 Uhr mit einem | |
Einsatzwagen flankierte, fuhr erst einmal wieder weg. | |
„Ich werde mir noch Nato-Stacheldraht hochziehen,“ meinte ein Rentner, der | |
seinen Garten schon blickdicht mit Holz abgeschirmt hat. Er sorgt sich, | |
dass seine Obstbäume geplündert werden könnten. Schließlich haben sich die | |
Neuankömmlinge gleich am ersten Tag bei den herrenlosen Haselnüssen | |
bedient. „Die denken doch, alle Bäume hier sind für sie da.“ Ein anderer | |
wettert in Richtung der Afghanen: „So, wie die zusammen lungern, werden die | |
sich nie integrieren.“ | |
Doch es gibt einen Mann, der das andere Altglienicke verkörpert. Er | |
erkundigt sich am Einzugstag, wo er helfen kann. Eine Heimmitarbeiterin | |
schickt ihn zum nahen Circus Cabuwazi. Der organisiert am Donnerstag ein | |
Willkommensfest für die neuen Bewohner. Da werden helfende Hände gebraucht. | |
15 Aug 2016 | |
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## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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