# taz.de -- Kommentar Berliner Flüchtlingsheime: Der Skandal ist nicht vorbei | |
> Die Kündigung der Betreiberfirma Pewobe war überfällig. Sie darf aber | |
> nicht die gravierenden Mängel in der Versorgung von Flüchtlingen | |
> verdecken. | |
Bild: Pewobe-Flüchtlingsheim in Berlin-Hellersdorf: Kritik an den Zuständen w… | |
Am Sonntag verkündete Berlins Sozialsenator Mario Czaja, [1][sämtliche | |
Verträge mit der Heimbetreiberfirma Pewobe zu kündigen], und zwar fristlos. | |
Ob der CDU-Politiker auch dann ein so deutliches Zeichen gesetzt hätte, | |
wenn in der Hauptstadt nicht gerade Wahlkampf wäre? | |
Den Ausschlag für die Kündigung hatten interne Mails gegeben, die die B.Z. | |
veröffentlicht hatte. Leitende Pewobe-Angestellte hatten darin über | |
Guillotinen für Flüchtlingskinder gewitzelt und darüber, dass die | |
„Maximalpigmentierten“ ja den bei den Hinrichtungen entstehenden Dreck | |
wegmachen könnten. | |
Ein kaum zu fassender Skandal – aber keinesfalls das erste Mal, dass die | |
private Betreiberfirma in der Kritik steht. Schon 2013 hatte sie | |
zweifelhafte Aufmerksamkeit auf sich gezogen, als sie einer Gruppe | |
ehrenamtlicher DeutschlehrerInnen Hausverbot erteilt hatte. Der Grund: Die | |
HelferInnen hatten zuvor Missstände in einer der Unterkünfte kritisiert – | |
viel zu wenig Duschen, keine Gemeinschaftsräume, keine Kinderbetreuung. | |
Ähnliche Kritik hatte es an der Pewobe, die in Berlin zeitweise elf | |
Flüchtlingsheime mit mehr als 3.000 BewohnerInnen betrieb, seitdem immer | |
wieder gegeben: In einem Heim war monatelang der Brandschutz nicht | |
gesichert, in anderen blieben Sozialarbeiterstellen unbesetzt, dann wieder | |
schimmelten Zimmer. Und auch der Umgang mit Kritik blieb ähnlich: Der | |
Flüchtlingshilfe-Initiative „Hellersdorf Hilft“ hatte die Firma zuletzt mit | |
einer Unterlassungserklärung gedroht, nachdem diese Missstände angeprangert | |
hatte. | |
Flüchtlingshilfe-Organisationen und linke Oppositionsparteien hatten schon | |
lange gefordert, mit dieser Firma dürfe es keine Verträge mehr geben. | |
Reagiert hatte der Senat nicht. Im Gegenteil: Der Skandal um die | |
mutmaßliche Vetternwirtschaft zwischen dem Landesamt für Gesundheit und | |
Soziales (Lageso) und Berliner Heimbetreibern betraf auch die Pewobe. Dass | |
der Pewobe-Chef Helmuth Penz, ein umtriebiger Unternehmer in der Sozial- | |
und Baubranche, im berüchtigten Berliner Filz gut verankert ist, wird ihm | |
schon seit den 1990ern nachgesagt. | |
Wahlkampfgetöse hin oder her – die fristlose Kündigung dieser Firma war | |
überfällig. Der hinter diesen Ereignissen liegende Skandal ist damit aber | |
nicht vorbei: Dass das Land Berlin ohne Ausschreibung Aufträge an dubiose | |
Heimbetreiber vergibt, dass diese insbesondere für den Betrieb von | |
Notunterkünften so gut wie keine Auflagen erfüllen müssen und die | |
Einhaltung dieser wenigen Auflagen kaum überprüft wird – das ist ein | |
Zustand, der auch mit der Pewobe-Kündigung nicht vom Tisch ist. | |
Die Bilder der in der Hochsommerhitze vor dem Berliner Lageso wartenden | |
Flüchtlinge von vor einem Jahr mögen Geschichte sein – die Unfähigkeit der | |
Berliner Behörden, diese Menschen würdig unterzubringen, ist es nicht. | |
16 Aug 2016 | |
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## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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