# taz.de -- Flüchtlinge in Deutschland: Von Weltbildern und Medienmachern | |
> Die Ergebnisse einer Studie über das Weltbild der Flüchtlinge in | |
> Deutschland sind da und die Medien berichten. Mit welcher Botschaft? | |
Bild: Integration ist ein mühsames Geschäft: Warteschlange am Lageso | |
Man könnte meinen, Studien über das Weltbild von Flüchtlingen in | |
Deutschland gebe es zuhauf. Immerhin scheint doch jeder zweite Deutsche ein | |
klares Bild davon zu haben, wie Flüchtlinge denken. Doch erstaunlicherweise | |
dauerte es bis zu diesem Montag, dass Wissenschaftler erste Erkenntnisse zu | |
diesem Thema vorstellten. | |
Die Erhebung der neuen Studie begann im Sommer letzten Jahres. Eine Gruppe | |
der Hochschule für Kommunikation, Medien und Wirtschaft verteilte insgesamt | |
1.000 Fragebögen in drei Berliner Flüchtlingsheimen, einer Turnhalle und im | |
privaten Kreis. 445 Bögen kamen ausgefüllt zurück. | |
Die Teilnehmer wurden unter anderem zu ihrer Einstellung in Politik, | |
Religion, Gleichberechtigung und zu ihrem Verhältnis zu anderen | |
Volksgruppen befragt. So sehen 86 Prozent der Befragten Demokratie als die | |
beste Staatsform. 64 Prozent verstehen darunter jedoch, dass ein „Führer | |
zum Wohle aller regiert“. | |
Auch befürworten die allermeisten die Trennung von Kirche und Staat. Jedoch | |
halten immerhin knapp die Hälfte Sex vor der Ehe für eine Sünde, die | |
bestraft werden sollte. Ähnlich viele haben Vorurteile gegen Homosexuelle | |
und lehnen ein schwules Paar als ihren Nachbar ab. Als Nachbarn hätten nur | |
26 Prozent der Befragten nichts gegen jüdische Nachbarn, 64 Prozent freuten | |
sich über kinderreiche Deutsche. | |
## Leiter der Umfrage bleibt unbesorgt | |
Das Weltbild der Befragten erinnere an das der Deutschen in den 1950er | |
Jahren, so interpretierte der Leiter der Studie, Ronald Freytag, die | |
Ergebnisse gegenüber der taz. Doch da fast alle Befragten gleichzeitig eine | |
sehr hohe Bereitschaft zur Integration zeigten, sehe er gute Chancen, dass | |
die Flüchtlinge bald die jetzige liberale Einstellung vieler Deutscher | |
übernehmen. Man dürfe daher angesichts homophober und antisemitischer | |
Tendenzen nicht erschrecken. | |
Erschreckend könnte man dagegen den Umgang einiger Medien mit dieser Studie | |
nennen. So scheinen sehr tendenziöse Überschriften teilweise weniger die | |
Ergebnisse der Befragung wiederzugeben denn das Weltbild der | |
Zeitungsmacher. | |
So lassen Berliner Zeitung und Frankfurter Allgemeine gleich auf den ersten | |
Blick wissen, dass Flüchtlinge und Rechtspopulisten wie die AfD ein | |
vergleichbares Weltbild haben. Auch Die Zeit titelt „Die konservativen | |
Flüchtlinge“. Der Tagesspiegel hat immerhin das „Bekenntnis zur Demokratie… | |
als wichtig genug erachtet. Freytag erklärt das mit der Vielschichtigkeit | |
der Studie. Das breite Spektrum an Themen finde sich in den Überschriften | |
wieder. | |
Doch ist das wirklich so? In der Masse wird vielleicht das ganze Spektrum | |
der Umfrage abgebildet, doch zeichnen die einzelnen Überschriften ein sehr | |
einseitiges Bild. Beunruhigend ist dies vor allem, da Schlagzeilen den | |
LeserInnen nicht nur einen ersten Eindruck vermitteln – bei diesem bleibt | |
es allzu oft, da auch der interessierteste Zeitungsleser unmöglich alle | |
Artikel lesen kann. | |
Das wiederum schmälert die Wirkung der Studien, da der Volksmund nicht mehr | |
unvoreingenommen reagieren kann. | |
16 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Amelie Preyhs | |
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