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# taz.de -- Skandal um Flüchtlingsheimbetreiber: Hoffentlich nicht verzockt
> Für die Entscheidung, dem umstrittenen Heimbetreiber Pewobe fristlos zu
> kündigen, gibt es viel Zuspruch. Doch die Kündigung könnte teuer werden
> für das Land Berlin
Bild: Die Geschäftsstelle der Pewobe in Berlin-Charlottenburg
Die Mitarbeiterin, die in der Geschäftsstelle des Heimbetreibers Pewobe das
Telefon abnimmt, ist sauer. Eine „riesige Schweinerei“ sei es, was „die
Medien da gerade treiben“. „Unsere Heime werden gut geführt, das sind alles
Lügen“, empört sie sich. Und überhaupt: „Es gibt wirklich wichtigere
Themen.“
Eine Einschätzung, mit der sie recht alleine sein dürfte – der Skandal um
die Pewobe beschäftigt die Stadt. Politisch gibt es viel Beifall für die
Entscheidung von Sozialsenator Mario Czaja (CDU), nach dem Bekanntwerden
rassistischer Mails alle Verträge fristlos zu kündigen. Das Land könnte
dies aber teuer zu stehen kommen: Pewobe-Chef Helmuth Penz kündigte am
Montagabend an, gegen die Kündigung zu klagen.
Per Pressemitteilung erklärt die Pewobe, den fraglichen Mailverkehr schon
Anfang des Monats an das Landesamt für Flüchtlinge (LAF) übermittelt zu
haben, und schickt ein Schreiben mit, in dem ein LAF-Mitarbeiter erklärt,
„von der Absicht, hierauf eine außerordentliche Kündigung zu stützen“,
abzusehen. Dass Czaja nun anders entschieden habe, sei eine „politisch
motivierte Reaktion auf den medialen Druck“, so das Unternehmen.
Die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram hält die Kündigung inhaltlich für
richtig, an ihrer Durchsetzbarkeit hat die Juristin allerdings Zweifel: So
könnte die Pewobe argumentieren, dass es bei den Mails nur um eine
Unterkunft gehe, eine Kündigung aller Standorte daher nicht gerechtfertigt
sei. Dagegen spreche aber, dass offenbar auch eine Geschäftsführerin an dem
Mailwechsel beteiligt war.
Dennoch wäre die Senatsverwaltung laut Bayram gut beraten, die Kündigung
auf weitere Umstände zu stützen, etwa auf die fehlerhaften Abrechnungen,
mit denen Pewobe mehrfach aufgefallen ist. Zusammen könnten diese Faktoren
laut Bayram dafür reichen, die Firma insgesamt als „unzuverlässig“
einzustufen und damit die Kündigung zu rechtfertigen.
Falls Penz auf Schadenersatz klagt, könnte es teuer werden, rechnet Bayram
vor. Besonders bei den Unterkünften, die nicht in landeseigenen Immobilien
untergebracht sind: Hier gibt es nicht nur die Verträge zwischen dem Land
Berlin und der Pewobe als Betreiber, sondern auch zwischen den
Hauseigentümern und der Pewobe als Mieter. Die Pewobe könnte laut Bayram
hier argumentieren, den Mietvertrag nur unter der Voraussetzung der auf
Jahre angelegten Betreiberverträge geschlossen zu haben – und deswegen für
die noch zu zahlende Miete einen Ausgleich vom Land Berlin einfordern. „Das
sind teils Laufzeiten von mehreren Jahren, da geht es um Hunderttausende
Euro.“ Bayram sieht für dieses Dilemma nur eine Lösung: „Czaja muss die
betroffenen Immobilien beschlagnahmen.“ Ob der Sozialsenator „seine
Entscheidung mit dieser Konsequenz“ durchziehe, bezweifle sie allerdings.
Stephan Jung vom Verein Hellersdorf hilft, der die Pewobe immer wieder
kritisiert hatte, verlangt am Dienstag ebenfalls weitergehende
Konsequenzen: „Der Fall zeigt, wohin es führt, wenn Gewinnmaximierung über
Menschlichkeit gestellt wird“, sagt er. Berlin dürfe private Firmen
deswegen nicht mehr mit der Flüchtlingsunterbringung beauftragen.
Für den Betrieb der neun Pewobe-Heime haben sich laut Senatsverwaltung
bereits neue Interessenten gemeldet.
16 Aug 2016
## AUTOREN
Malene Gürgen
## TAGS
Pewobe
Unterbringung von Geflüchteten
Berliner Senat
Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF)
Schwerpunkt Flucht
Mario Czaja
Berlin
Pewobe
Schwerpunkt Rassismus
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