# taz.de -- Nach dem Referendum in Griechenland: Weiter wie bisher | |
> In Brüssel gesellt sich politische Lähmung zur Ratlosigkeit. Wie es jetzt | |
> weitergeht, weiß niemand so recht. | |
Bild: Rentner stehen vor der Nationalbank in Athen Schlange. Wann die Banken wi… | |
BRÜSSEL, PARIS, ROM MADRID taz | Es gibt nur einen Weg nach vorn - | |
weitermachen wie bisher! Das ist die Botschaft, mit der die EU am Montag | |
auf den Wahlschock in Griechenland reagierte. Nur durch harte, schmerzhafte | |
Reformen könne Griechenland wieder fit gemacht und im Euro gehalten werden, | |
sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem. Was das konkret bedeutet und wie | |
es weiter geht, ließ der Niederländer aber offen. | |
Auch die EU-Kommission blieb Antworten schuldig. Ihr Chef, der Luxemburger | |
Jean-Claude Juncker, bemühte sich erst gar nicht in den Pressesaal der | |
Brüsseler Behörde. Vor einer Woche hatte er hier noch ein flammendes | |
Plädoyer für ein „Ja“ gehalten – „egal, welche Frage die griechische | |
Regierung stellt“. Nun, nach dem massiven „Oxi“, schickte er seinen Vize | |
Valdis Dombrovskis vor. | |
Der Euro-Hardliner aus Lettland verkündete eine ungewohnte Botschaft: Der | |
EU-Kommission seien nach dem Referendum die Hände gebunden. Ohne ein Mandat | |
der Eurogruppe könne die Brüsseler Behörde keine neuen Verhandlungen mit | |
Griechenland aufnehmen. Dabei hatte Juncker bisher nie um Genehmigung | |
gebeten, wenn er mit Premier Alexis Tsipras verhandeln wollte. Ganz im | |
Gegenteil, lange Zeit saß Juncker im Fahrersitz. | |
Damit es nun offenbar vorbei. Brüssel hat die Führung abgegeben - an die | |
Europäische Zentralbank in Frankfurt und an Paris, wo sich Kanzlerin Angela | |
Merkel am Montag Abend mit Staatschef Francois Hollande treffen wollte. Von | |
der EZB wurden entscheidende Signale für die vom Kollaps bedrohten | |
griechischen Banken erwartet. Und von Merkel und Hollande eine strategische | |
Weichenstellung. | |
## Die Geschlossenheit ist weg | |
Grexit oder Nicht-Grexit? Das ist die bange Frage, die sich alle stellen. | |
Merkel und Hollande müssen darauf eine Antwort finden, schon Dienstag | |
Abend. Dann treffen sich die Staats- und Regierungschefs der 19 Euroländer | |
in Brüssel zu einem Krisengipfel, der über die Zukunft der Währungsunion | |
entscheiden könnte. Vorbereitet wird er von einem Meeting der Eurogruppe, | |
bei dem es hoch hergehen dürfte. | |
Denn mit der Geschlossenheit, die Gruppenchef Dijsselbloem bisher | |
demonstrativ betonte, ist es nicht mehr weit her. Polen, die baltischen | |
Länder und Slowenien haben nach dem Referendum in Griechenland auf stur | |
geschaltet und eine harte Linie gefordert - notfalls bis zum Grexit. | |
Frankreich und Italien hingegen wollen Griechenland um (fast) jeden Preis | |
im Euro halten. | |
Doch den griechischen Banken geht das Geld aus, ohne neue Finanzspritzen | |
droht der wirtschaftliche Kollaps. Wenn sich die EZB, die Eurogruppe und | |
die Staats- und Regierungschefs nicht schnell auf neue Hilfen einigen, | |
könnte Athen gezwungen sein, eine Parallelwährung einzuführen, um | |
wenigstens noch Rentner und Staatsbedienstete bezahlen zu können. | |
Bis zum Grexit wäre es dann nur noch ein kleiner Schritt. Nur von einem | |
spricht bisher niemand in der EU: Von einem Schuldenschnitt oder einer | |
Umschuldung. Dabei ist das nach Meinung vieler Experten der einzige Weg, um | |
Griechenland vor dem drohenden Kollaps zu bewahren. Der Internationale | |
Währungsfonds IWF, der Mitglied der Troika ist, hat sogar gerade erst einen | |
tiefen Schuldenschnitt und ein 20jähriges Moratorium auf den Schuldendienst | |
gefordert. Die Studie wurde allerdings erst bekannt, nachdem Griechenland | |
den Verhandlungstisch in Brüssel verlassen hatte. Die Studie sei veraltet, | |
behauptete Eurogruppenchef Dijsselbloem am Wochenende. | |
## Paris bleibt vorsichtig | |
Gleich nach dem Bekanntwerden des Resultats hat Alexis Tsipras den | |
französischen Präsidenten François Hollande angerufen. Über den Inhalt des | |
Gesprächs wurde nichts gesagt. Die griechische Regierung hofft wohl, dass | |
Frankreich im Falle neuer Verhandlungen bei den weit unnachgiebiger | |
tönenden Partnern ein gutes Wort für sie einlegen wird. Vor allem | |
angesichts der Reaktionen des deutschen Regierungsparteien kann sie jede | |
Hilfe brauchen. | |
Auch wenn Le Monde das griechische Nein als „schwere Niederlage von Angela | |
Merkel“ bezeichnet, ist es keineswegs sicher, dass Athen in Paris wirklich | |
einen Verbündeten bei der Kraftprobe mit Berlin hat. Frankreich kann nicht | |
Schiedsrichter und Partei zugleich sein. Für Hollande ist es vorrangig, mit | |
der Kanzlerin eine gemeinsame Linie (gegenüber Tsipras) zu finden. Darum | |
klingen die offiziellen Stellungnahmen merkwürdig vage. | |
Niemand unter den EU-Führern wolle ernsthaft einen „Grexit“, sagt der | |
französische Regierungssprecher Stéphane Le Foll. Es sei nun an | |
Griechenland, neue Vorschläge zu machen. | |
Finanzminister Emmanuel Macron kommentierte nur die Erklärungen der | |
konservativen Opposition: „Persönlich“ teile er nicht die Meinung von | |
Expremierminister Alain Juppé, der vorschlägt, die EU solle auf | |
„undramatische Weise den Austritt Griechenlands aus der Euro-Gruppe | |
organisieren“. | |
## Rom will gerne vermitteln | |
Italiens Außenminister Paolo Gentiloni wählte leise Töne, um das | |
griechische Referendumsresultat zu kommentieren .“Jetzt ist es richtig, | |
wieder mit der Suche nach einer Vereinbarung zu beginnen,“ sagt er. Niemand | |
in der römischen Regierung spielte am Montag Grexit-Szenarien durch; | |
stattdessen bietet Ministerpräsident Matteo Renzi sich als Vermittler | |
zwischen Athen, Brüssel und Berlin an. | |
Zwar verkündete Renzi vor dem Volksentscheid, Ansteckungsgefahren für sein | |
Land sehe er nicht, Italien sei heute „nicht mehr Teil des Problems, | |
sondern Teil der Lösung“ in der Euro-Krise. Aber die Angst vor Folgen eines | |
Grexit auch im eigenen Land bleibt hoch in Rom – und die Regierung will | |
Griechenland im Euro halten. | |
So erklärte Staatspräsident Sergio Mattarella noch am Sonntagabend: | |
„Griechenland gehört zu Europa, und seinem Volk gegenüber darf die | |
Solidarität der anderen Völker der Union nicht aufgegeben werden.“ Renzi, | |
so berichtet La Repubblica, habe in der letzten Woche mehrfach mit Alexis | |
Tsipras und Angela Merkel telefoniert; der italienische Regierungschef sei | |
sicher, dass ein Abkommen zwischen der Troika und Griechenland „nur einen | |
Schritt entfernt“ sei. Wie der Kompromiss aussehen könnte, behielt er | |
allerdings für sich. | |
## Madrid will neu verhandeln | |
Die spanische Regierung hat ihren Ton an die neue Situation angepasst. War | |
das „OXI“ vor der Abstimmung vom Sonntag noch gleichbedeutend mit einer | |
Katastrophe, und die Vorstufe zum Grexit, will die konservative Regierung | |
jetzt, „dass Griechenland im Euro bleibt“, so der spanische | |
Wirtschaftsminister Luis de Guindos am Montag früh. | |
Der Mann, der 2007 beim Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers Vertreter | |
für Südeuropa war, beschwört neue Gespräche mit Ministerpräsident Tsipras. | |
„Die spanische Regierung ist offen für neue Verhandlungen“ bekräftigt De | |
Guindos, der gerne Eurogruppenchef werden würde. Die spanische Regierung | |
habe „vollsten Respekt“ vor dem Abstimmungsergebnis vom Sonntag, | |
bekräftigte der Ökonom. | |
Was den Konservativen am meisten beschäftigt, ist die mögliche | |
Ansteckungsgefahr der spanischen Wirtschaft durch ein Scheitern der | |
Verhandlungen mit Griechenland. Einmal mehr versicherte er, dass die beiden | |
Krisenländer völlig unterschiedlich seien. „Wir sind in nichts | |
vergleichbar“, betonte De Guindos. | |
7 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
Rudolf Balmer | |
Michael Braun | |
Reiner Wandler | |
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