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# taz.de -- Neonazis in der Bundeswehr: SS-Fan am Sturmgewehr
> Der mutmaßliche NSU-Helfer André E. bekannte sich offen zum
> Nationalsozialismus. Die Bundeswehr brachte ihm trotzdem das Schießen und
> Granatenwerfen bei.
Bild: Nicht nur Uwe Mundlos war bei der Bundeswehr, auch seine Unterstützer le…
BERLIN taz | Der Neonazi André E. war erst wenige Tage bei der Bundeswehr
im thüringischen Gotha, da kommt einem Oberleutnant zu Ohren, dass sein
neuer Panzerschütze politisch schwierige Ansichten vertritt. Er fragt André
E., ob dieser ein „Anhänger rechtsextremem Gedankenguts“ sei. Der
antwortet: „Ich denke nationalsozialistisch.“ Ob er rechtsextreme Tattoos
habe, will der Oberleutnant von André E. weiter wissen. Ja, sagt der, unter
anderem habe er „Blut und Ehre“ eintätowiert, „da ich die militärische
Leitung der SS bewundere“.
Danach flog André E. nicht etwa aus der Bundeswehr, sondern durfte noch
zehn Monate bis zum Ende seines Wehrdienstes im August 2000 bleiben. Wenige
Tage nach der Befragung begann die Schießausbildung. Der bekennende
Nationalsozialist lernte das Ballern mit dem Sturmgewehr G3, der Pistole P8
und das Handgranatenwerfen – und wurde zum Gefreiten befördert.
André E. ist nicht irgendein Neonazi, sondern einer der 13 Beschuldigten im
Verfahren gegen den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU). Laut der
Ermittlungsakten stand er von 1998 bis zum letzten Tag in Kontakt mit dem
Neonazi-Trio im Untergrund.
Unter seinem Namen wurde unter anderem das Wohnmobil angemietet, das der
NSU bei seinem ersten Bombenanschlag in der Kölner Probsteigasse im Januar
2001 benutzte. Nachdem fast elf Jahre später das mutmaßlich letzte lebende
NSU-Mitglied Beate Zschäpe am 4. November 2011 die konspirative Wohnung in
Zwickau anzündete, war es André E., den sie mehrfach versuchte anzurufen.
Ob André E. strafrechtlich eine Unterstützung der Terrorgruppe nachzuweisen
sein wird, ist nach wie vor offen. Doch dass André E. ein Hardcore-Neonazi
ist, daran besteht kein Zweifel. Ein Foto in den Ermittlungsakten zeigt ihn
mit nacktem Oberkörper in einem Strandkorb: „Die Jew die“, steht auf seinem
Bauch. Stirb, Jude, stirb.
## "Im Kameradenkreis anerkannt"
Bei der Durchsuchung seiner Wohnung im November 2011 fanden die Beamten
neben Nazi-Devotionalien auch André E.s Dienstzeugnis von der Bundeswehr.
„Im Kameradenkreis war er anerkannt“, bescheinigte ihm der Kompaniechef
darin. Für seinen weiteren Werdegang wünsche er ihm „alles Gute, viel Glück
und Erfolg“.
Das Beispiel zeigt einmal mehr, wie lasch die Bundeswehr in den vergangenen
Jahren offenbar immer wieder mit Rechtsextremen in ihren Reihen umgegangen
ist. Selbst offen zur Schau getragener Neonazismus scheint in einigen
Fällen kaum Konsequenzen zu haben.
Für Aufsehen hatte bereits vor Wochen die bei den Ermittlungen aufgetauchte
Personalakte des Panzergrenadiers Uwe Mundlos gesorgt. Auch der spätere
NSU-Mörder lernte in den 90er-Jahren das Schießen bei der Bundeswehr –
obwohl auch bei ihm schnell neonazistische Ansichten aufgefallen waren.
Als Mundlos an einem Tag nicht zum Dienst in der Kyffhäuser-Kaserne im
thüringischen Bad Frankenhausen erscheint, berichtet er freimütig, dass er
das Wochenende auf der Polizeiwache in Chemnitz verbracht habe, wo man bei
ihm im Geldbeutel seine Visitenkarte fand – samt einem Adolf-Hitler-Foto
darauf.
## Der brave Soldat Mundlos
Der Kompaniechef plädierte für einen siebentägigen Disziplinararrest, „um
ein Zeichen gegenüber anderen Soldaten zu setzen“. Doch das
Truppendienstgericht in Kassel entschied anders. Man könne es in dem Fall
bei einem eindringlichen Hinweis belassen, zu Deutsch: dem erhobenen
Zeigefinger.
Auch Mundlos wurde zum Gefreiten befördert. Und als er im Mai 1995 sein
Dienstzeugnis bekam, bescheinigte ihm die Bundeswehr: Er habe „selbständig
und zuverlässig“ gearbeitet und als Richtschütze „gute Leistungen gezeigt…
Die SPD-Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags, Eva Högl, hält
den Umgang der Bundeswehr mit Uwe Mundlos, André E. und weiteren
Rechtsextremen im weiteren Umfeld der Neonazizelle für „indiskutabel“.
„Rechtsextreme in der Bundeswehr sind ein Sicherheitsrisiko“, sagte sie am
Mittwoch. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) müsse das Thema
engagierter angehen, findet Högl.
Die Bundesregierung verweist als Antwort auf kritische Anfragen der
Opposition darauf, dass sich „vor dem Hintergrund rechtsextremer
Vorkommnisse in der Bundeswehr in den 1990er-Jahren“ inzwischen einiges im
Umgang mit dem Thema geändert habe. Doch ein aktuelles Beispiel zeigt, dass
sich auch im Jahr 2012 noch Rechtsextreme in den Reihen des Militärs
tummeln können.
So hatten vor wenigen Wochen der Hessische Rundfunk und der Stern den Fall
eines in Afghanistan eingesetzten Hauptmannes der Reserve öffentlich
gemacht. Der soll Kontakt zum „Freien Widerstand Kassel“ gehabt und schon
vor einigen Jahren einen NPD-Mitgliedsantrag gestellt haben.
Dabei schreibt das Soldatengesetz vor, dass nur Zeit- oder Berufssoldat
werden darf, wer „Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die
freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes
eintritt“. Inzwischen hat sich der für die Bekämpfung des Extremismus bei
der Bundeswehr zuständige Militärische Abschirmdienst (MAD) des Falls
angenommen.
## Zugang zu Geheimdokumenten trotz brauner Vergangenheit
Nach taz-Informationen konnten in manchen Fällen Soldaten trotz einer
rechtsextremen Vergangenheit sogar Zugang zu sensibelsten Bereichen der
Bundeswehr bekommen.
So räumt das Verteidigungsministerium nun in einer noch unveröffentlichten
Antwort auf eine Anfrage des Grünen Hans-Christian Ströbele ein, dass ein
Mann, der um die Jahrtausendewende in der rechtsextremen Szene aktiv war,
wenige Jahre später beim „Kommando Strategische Aufklärung“ nach einer
Sicherheitsüberprüfung durch den MAD Zugang zu als „geheim“ eingestuften
Dokumenten bekam.
Ein weiterer Mann, der zumindest mal im Verdacht stand ein Rechtsextremer
zu sein, habe sogar Zugang zu „streng geheimen“ Verschlusssachen gehabt.
Einen Fehler kann das Verteidigungsministerium darin allerdings nicht
erkennen. Die Entscheidungen seien „sachgerecht und rechtmäßig“ gewesen.
7 Nov 2012
## AUTOREN
Wolf Schmidt
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