| # taz.de -- Haushaltsdebatte im Bundestag: Berlin liegt in Griechenland | |
| > Die Kanzlerin lässt ihre Regierung im Rededuell mit Steinbrück gut | |
| > aussehen – er sie schlecht. Das Ritual wird überschattet vom Streit über | |
| > weitere Hilfen für Athen. | |
| Bild: Rededuelle, man kennt das ja. Angela Merkel wirft dennoch einen Blick auf… | |
| BERLIN taz | Angela Merkel und Peer Steinbrück stehen zwar nacheinander am | |
| selben Redepult im Bundestag. Aber es ist, als redeten sie am | |
| Mittwochvormittag nicht beide über den Bundeshaushalt fürs kommende Jahr, | |
| sondern über verschiedene Länder und Zeiten. Die Kanzlerin tut sogar so, | |
| als habe sie nicht gehört, worum ihr SPD-Herausforderer sie kurz zuvor | |
| gebeten hat. | |
| Peer Steinbrück macht den Anfang. Im ritualisierten Kampf zwischen | |
| Opposition und Regierung ist es sein Job, die Regierung schlecht aussehen | |
| zu lassen. Aber so schlecht? | |
| Da habe die Koalition durch „mehr Glück als Verstand“ 130 Milliarden Euro | |
| Einnahmen und Ersparnisse zusätzlich zur Verfügung. Trotzdem nutze sie | |
| nicht die Gelegenheit, schon 2013 einen Haushalt ohne neue Schulden zu | |
| stemmen. Auch tue die Koalition nichts gegen steigende Mieten, die Spaltung | |
| des Arbeitsmarktes, mangelnde Bildungsinvestitionen oder für gleiche | |
| Gehälter von Männern und Frauen. | |
| Applaus bei SPD und Grünen. Dumm nur, dass Steinbrück auch noch die | |
| Abschaffung der Praxisgebühr indirekt anspricht: „Der Gesundheitsfonds wird | |
| zum Sonderkonto für Wahlgeschenke.“ Der Haken: Alle Fraktionen stimmten für | |
| die Abschaffung der 10 Euro pro Quartal und Patient, auch die SPD. | |
| ## Von Krisengipfel zu Krisengipfel | |
| Doch das eigentliche Thema dieser Debatte ist ein anderes. [1][In Brüssel | |
| haben die Finanzminister der Euro-Staaten über weitere Milliardenhilfen für | |
| Griechenland gestritten – ergebnislos.] Am kommenden Montag sollen die | |
| Verhandlungen weitergehen. Nun steht die Frage im Raum: Wie sollen die | |
| Abgeordneten am Freitag über einen Haushalt abstimmen, wenn er nur drei | |
| Tage später durch weitere Milliardenhilfen belastet werden könnte? | |
| Steinbrück wirft Merkel vor, sie hangle sich lediglich von Krisengipfel zu | |
| Krisengipfel und lasse die Bevölkerung über die Folgen der | |
| Euro-Schuldenkrise im Unklaren. Dabei sei doch offensichtlich: „Die | |
| Finanzlücke Griechenlands ist ohne die Inanspruchnahme des deutschen | |
| Steuerzahlers nicht zu schließen.“ | |
| Überraschend fordert Steinbrück deshalb, die Verabschiedung des | |
| Bundeshaushalts zu verschieben. „Alles betrifft diesen Bundeshaushalt. Und | |
| deshalb wäre es angemessen, dass Sie bei diesen Unwägbarkeiten die | |
| Verabschiedung dieses Haushaltsentwurfes so lange verschieben, bis Klarheit | |
| in Europa ist.“ | |
| ## So gut? | |
| Danach ist Merkel dran. Ihr Job ist es, die Koalition gut aussehen zu | |
| lassen. Aber so gut? | |
| „Diese Bundesregierung ist die erfolgreichste Bundesregierung seit der | |
| Wiedervereinigung“, sagt die Kanzlerin. Schwarz-Gelb könne die niedrigste | |
| Arbeitslosenquote seit 20 Jahren vorweisen und stark gestiegene Ausgaben | |
| für Bildung und Forschung. Sie habe die Organisation der Energiewende, die | |
| Rot-Grün einleitete, nachgeholt. 2014 werde der Bund aller Voraussicht nach | |
| keine neuen Schulden aufnehmen. „Das wäre das erste Mal seit 40 Jahren.“ | |
| Erst nach mehr als 20 Minuten kommt die Kanzlerin auf die Eurokrise zu | |
| sprechen. „Hier geht es um einen tiefgreifenden und notwendigen Umbau des | |
| griechischen Staates.“ Sie wolle, dass das Land im Euro-Raum bleibt. Der | |
| Troika-Bericht zu Reformfortschritten in Griechenland biete eine „gute | |
| Nachricht“. | |
| Mit Blick auf die Brüsseler Verhandlungen über weitere Hilfen sagt Merkel | |
| vage: „Ich glaube, es gibt Chancen – man weiß es nicht –, am Montag dann | |
| eine Lösung zu haben.“ Sie könne die „Sehnsucht“ nach einem Krisenende | |
| verstehen. Eine Gesamtlösung werde aber „Jahre und Jahrzehnte“ brauchen. Zu | |
| Steinbrücks Vorschlag, die Verabschiedung des Haushalts zu verschieben, | |
| sagt sie kein Wort. | |
| 21 Nov 2012 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Streit-zwischen-IWF-und-Eurogruppe-/!105923/ | |
| ## AUTOREN | |
| Matthias Lohre | |
| Matthias Lohre | |
| ## TAGS | |
| Bundestag | |
| Schwerpunkt Angela Merkel | |
| Haushalt | |
| Peer Steinbrück | |
| Die Linke | |
| Das Milliardenloch | |
| Eurokrise | |
| EU-Haushalt | |
| EU-Gipfel | |
| Bundestag | |
| Griechenland | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Griechenland | |
| Steinbrück | |
| Europa | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Opposition kritisiert Bundeshaushalt: 235 Milliarden Euro verschenkt | |
| Die Linkspartei will nicht mehr sparen, sondern mehr einnehmen. Ohne | |
| unsinnige Steuersenkungen gäbe es die aktuellen Finanzprobleme gar nicht, | |
| sagt sie. | |
| Koalition pokert um Bundeshaushalt: Sechs Milliarden Euro gesucht | |
| Kommende Woche beraten die Staatssekretäre, wie 2014 ein ausgeglichener | |
| Haushalt erreicht werden kann. Gespart wird wohl bei Verteidigung und | |
| Verkehr. | |
| Kommentar Eurokrise: Die Macht der Zeit | |
| Europäische Parlamente verlieren seit Beginn der Eurokrise zunehmend an | |
| Macht. Was taugt ein Parlament, das nicht entscheidungsfähig ist? | |
| Verhandlungen EU-Haushalt: 2013 ist ja noch weit weg | |
| Die Verhandlungen zum EU-Haushalt bis 2020 sind unterbrochen. Die Briten | |
| wollen sparen, die Franzosen mehr Subventionen. Eine Einigung ist nicht in | |
| Sicht. | |
| EU-Sondergipfel zum Haushalt: Bitte mehr Hemden einpacken | |
| Die Staaten überbieten sich mit Kürzungsforderungen zum EU-Budget. Es geht | |
| um Subventionen für Landwirtschaft und Erasmus. Das Treffen könnte länger | |
| dauern. | |
| Kommentar Wahlkampf SPD: Steinbrücks finstere Seite | |
| Peer Steinbrück ist in einigen seiner Entscheidungen instinktlos. Das ist | |
| keinem Mangel an Intelligenz, sondern einem allzu großformatigen | |
| Selbstbewusstsein geschuldet. | |
| Kommentar Griechenlandpolitik: Europa dem Wahlkampf geopfert | |
| Deutschland riskiert die Verschärfung des Problems: Ohne einen zweiten | |
| radikalen Schuldenschnitt wird die Wut der europäischen Staaten aufeinander | |
| zunehmen. | |
| Roman Maria Koidl: Steinbrücks Doch-Nicht-Online-Berater | |
| Roman Maria Koidl sollte Peer Steinbrücks Image im Netz aufpolieren. Doch | |
| seine Hedgefonds-Vergangenheit kommt dann doch nicht so gut an in der SPD. | |
| Streit zwischen IWF und Eurogruppe: Keine Kohle für Athen | |
| Fortschritte, aber kein Ergebnis. Die Geldgeber können sich nicht einigen, | |
| Deutschland will nicht zahlen. Also kriegen die Griechen auch kein Geld. | |
| Peer Steinbrück über die Frauenquote: „Freiwillig geht es nicht“ | |
| Peer Steinbrück fordert eine 40-Prozent-Quote für Aufsichtsräte und | |
| Vorstände. Und wirft sich für die SPD-Männertroika in die Bresche. | |
| Debatte Europa: Diese Krise ist keine Chance | |
| In Berlin und Brüssel glauben viele, die EU werde gestärkt aus der Krise | |
| hervorgehen. Sie liegen falsch. Sie ist dabei, sich selbst abzuwickeln. |