# taz.de -- Neue Geschenke für die Industrie: Schizophrene Stromsubventionen | |
> „Die Klientelregierung verteilt Lobbygeschenke“: Bis zu 500 Millionen | |
> Euro jährlich wegen „emissionshandelsbedingter Strompreiserhöhungen“. | |
Bild: Standort Leuna: Stromfresser Chemie-Industrie. | |
BERLIN taz | Die energieintensive Industrie in Deutschland kann sich über | |
ihre Strompreise nicht beklagen: Von der Ökosteuer sind viele Betriebe | |
ausgenommen, ebenso von der EEG-Umlage, mit der der Ökostrom vergütet wird. | |
Und die Zertifikate, die für den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid | |
(CO2) benötigt werden, bekommen sie ebenfalls kostenlos zugeteilt. | |
Doch diese Ausnahmen scheinen noch nicht zu genügen. Die Bundesregierung | |
plant derzeit jedenfalls ein weiteres Geschenk für Unternehmen mit hohem | |
Stromverbrauch – bis zu 500 Millionen Euro Beihilfe jährlich sollen sie ab | |
2014 zusätzlich bekommen. Das geht aus einem Schreiben des | |
Bundesfinanzministeriums an den Grünen-Abgeordneten Sven Kindler hervor, | |
das der taz vorliegt. | |
Mit einer neuen Förderrichtlinie, deren Verabschiedung für Ende dieses | |
Jahres geplant sei, sollten „emissionshandelsbedingte Strompreiserhöhungen“ | |
ausgeglichen werden, um zu verhindern, dass die Industrie abwandert, heißt | |
es. Das Wirtschaftsministerium bestätigte auf taz-Anfrage, dass eine | |
Kompensation für „wenige stromintensive Branchen“ geplant sei, äußerte s… | |
aber nicht zu den Details. | |
Hintergrund des Vorhabens ist, dass Kraftwerke vom nächsten Jahr an die | |
Emissionszertifikate, die sie zum Ausstoß von CO2 benötigen, nicht mehr | |
kostenlos bekommen, sondern bezahlen müssen. Experten bezweifeln aber, dass | |
dadurch die Strompreise wirklich ansteigen. Denn die Energiekonzerne haben | |
den Wert der Zertifikate – obwohl sie sie kostenlos bekommen haben – auch | |
jetzt schon in ihren Preisen berücksichtigt. | |
## Widersinnige Maßnahme | |
„Beim derzeitigen Zertifikatspreis ist kein zusätzlicher Effekt auf den | |
Strompreis zu erwarten“, sagt etwa Juliette de Grandpré, | |
Emissionshandelsexpertin beim Umweltverband WWF. Und Hauke Hermann vom | |
Öko-Institut sagt: „Jetzt eine Kompensation einzuführen, wäre widersinnig.… | |
Auch das Bundesumweltministerium soll die Pläne kritisch sehen. In | |
Verhandlungen mit dem Wirtschaftsministerium hat das Haus von Peter | |
Altmaier (CDU) nach taz-Informationen versucht, die neue Ausnahme zumindest | |
daran zu koppeln, dass CO2-Zertifikate vom Markt genommen werden, um den | |
Preisverfall zu stoppen. Doch damit konnte man sich offenbar nicht gegen | |
Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) durchsetzen. | |
Offiziell gibt es dazu keinen Kommentar. „Die Richtlinie befindet sich noch | |
in der Ressortabstimmung“, teilt das Umweltministerium mit. „Darum können | |
wir uns dazu derzeit nicht äußern.“ | |
## Subventionen aus Klimafonds | |
Die Kompensation für die stromintensive Industrie, die formal als Beihilfe | |
gilt, hatte die EU im Sommer auf Druck Deutschlands erlaubt. Bis zu 85 | |
Prozent der Kosten dürfen in den nächsten Jahren erlassen werden, bis 2020 | |
sinkt der Wert auf 75 Prozent. Wie genau die Kompensation berechnet werden | |
soll, war zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium ebenfalls umstritten. | |
Das Schreiben des Finanzministeriums legt aber nahe, dass es eine Einigung | |
gibt, denn dort wird bereits eine konkrete Summe genannt: Für 2014 sind | |
demnach 350 Millionen Euro vorgesehen. Gezahlt werden soll die Summe aus | |
dem Energie- und Klimafonds, in den auch die Einnahmen aus dem | |
Emissionshandel fließen. | |
Grünen-Haushaltsexperte Sven Kindler kann das nicht verstehen. „Es ist | |
schizophren, dass diese Bundesregierung in dem sogenannten Klimafonds neue | |
klimaschädliche Subventionen einführen will, anstatt alte abzuschaffen“, | |
sagte er. „Erneut verteilt diese schwarz-gelbe Klientelregierung | |
Lobbygeschenke zulasten des Klimaschutzes.“ | |
29 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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