# taz.de -- Kommentar Mietrechtsreform: Kleine Änderung, kleine Wirkung | |
> In ihrer Gesetzesreform hat die Union eilig Erhöhungen bei Bestandsmieten | |
> beschränkt. Wichtiger wäre aber, das auch bei Neuvermietungen zu tun. | |
Bild: Auch StudentInnen brauchen bezahlbaren Wohnraum | |
In letzter Minute dämmerte der Union, dass sie ein kommendes Wahlkampfthema | |
verpassen könnte. Eilig besserte die CDU/CSU die von der | |
Regierungskoalition geplanten Mietrechtsnovelle nach. Laut der Novelle | |
können die Bundesländer künftig festlegen, dass Mieten in bestehenden | |
Mietverhältnissen künftig nur noch bis zu 15 Prozent in drei Jahren erhöht | |
werden dürfen. Bisher gilt eine Kappungsgrenze von 20 Prozent. | |
Der Regierungsvorstoß ist unzureichend, zeigt aber, dass Wohnen als | |
sozialpolitisches Thema wieder in die Mitte der Gesellschaft rückt. Zwei | |
Entwicklungen tragen dazu bei: Die Preise bei Neuvermietungen sind in | |
vielen Ballungszentren überproportional in die Höhe geschossen und liegen | |
etwa im einst günstigen Berlin-Kreuzberg nun im Schnitt bei fast 10 Euro | |
kalt den Quadratmeter. Außerdem sind in den vergangenen zehn Jahren in | |
Deutschland 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr vom Markt verschwunden, meist | |
indem sie aus der Mietpreisbindung herausfielen, stellte unlängst das | |
Pestel Institut in Hannover fest. | |
Der Wohnungsfrust vor Ort hat verschiedene Gesichter, und er ist ein | |
Problem sowohl der ärmeren als auch der mittleren Schichten. In Berlin etwa | |
dominiert die Wut der KleinverdienerInnen und Hartz-IV-Empfänger darüber, | |
dass sich Bessergestellte der Innenstadtviertel wie Kreuzberg bemächtigen. | |
Diese Quartiere sind erst durch die Migranten, die Ärmeren, die Kreativen | |
so vital geworden. | |
Es ist ein perverser Prozess: Erst kommen die Armen mit kleinen | |
Dienstleistungen, billigen Läden, der Lebendigkeit, die sich auch aus der | |
Improvisation ergibt. Dorthin ziehen auch die Studenten und Kreativen. Mit | |
der bunten Mischung werben dann später teure Anbieter, die das „Kiezflair“ | |
im Umfeld der neuen „hochwertigen Objekte“ preisen, die von den | |
alteingesessenen Bewohnern nicht mehr zu bezahlen sind. So was ist geraubte | |
Vitalität. | |
## Der Protest ist schwer zu organisieren | |
In München fühlt sich hingegen auch die breite Mittelschicht von | |
Wohnungsnot bedroht. Dort sind kleine Angestellte mit Familie empört, dass | |
sie in erreichbarer Nähe zur Arbeit keine bezahlbare Wohnung mehr finden. | |
In München und Hamburg werden zum Wohnungsbau ausgewiesene Flächen nur dann | |
an Investoren verkauft, wenn diese ein Drittel der Fläche mit | |
preisgebundenen Wohnungen bebauen. Diese öffentlich geförderten Wohnungen | |
richten sich zum Teil gezielt auch an Einkommensklassen in der | |
Mittelschicht. | |
Der Protest in der Wohnungsfrage ist überregional und klassenübergreifend | |
schwer zu organisieren, weil die Problemlagen und die Ansprüche so | |
unterschiedlich sind. Vor allem aber ist die öffentliche Förderung von | |
Wohnungsbau Sache der Bundesländer, die Bundesregierung beteiligt sich nur | |
zum Teil daran. Doch es gibt einen Hebel, auch bundespolitisch aktiv zu | |
werden. | |
Das könnte sich im kommenden Bundestagswahlkampf zeigen: Der Hebel ist das | |
Mietrecht. SPD, die Grünen und die Linken fordern über die Mietgesetze | |
stärkere Eingriffe in den Markt. Und das ist richtig. | |
## Dem Aufschrei kann man gelassen begegnen | |
SPD und Grüne möchten die Umlage von Modernisierungskosten auf die Mieten | |
einschränken und damit bei Bestandsmieten Preissprünge bremsen, die | |
alteingesessene Bewohner bedrohen. Sie wollen zudem in Ballungsgebieten bei | |
Neuvermietungen Mietobergrenzen von nur noch maximal 10 Prozent über der | |
ortsüblichen Vergleichsmiete erlauben. | |
Die Linkspartei geht noch weiter: Sie will die Wohnkosten auf höchstens 30 | |
Prozent des statistisch ermittelten Nettoeinkommens beschränken. | |
Eine Deckelung der Preise bei Neuvermietungen in Ballungszentren ist | |
überfällig, um die Mietspiegel nicht unaufhörlich in die Höhe zu schrauben. | |
Doch kann man den Aufschrei der privaten Wohnungswirtschaft angesichts | |
dieses Markteingriffs jetzt schon hören: Mietersozialismus! Vereitelung von | |
Neubau und Investitionen! | |
Mieter dürfen aber gelassen bleiben angesichts der Warnungen vor zu viel | |
staatlicher Regulierung, die den Neubau und den Wohnungsmarkt angeblich | |
abwürgt. Die Renditen auf den Finanzmärkten sind mager, und das bleibt erst | |
mal so. Es wird sich auch mit verschärften Mietergesetzen lohnen, in Häuser | |
zu investieren. Die Zeit ist reif für eine politische Kraftprobe mit der | |
Immobilienwirtschaft. | |
14 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
Barbara Dribbusch | |
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