| # taz.de -- Spärliche Infos aus dem Norden Malis: Die Gerüchteküche brodelt | |
| > Konna, wo französische Eingreiftruppen am 11. Januar die Islamisten | |
| > stoppten, ist zum Symbol des Krieges geworden. Aber was da los ist, weiß | |
| > nicht einmal der Ortschef. | |
| Bild: Französische Soldaten auf dem Weg in den Norden Malis. | |
| BAMAKO taz | Er sollte nicht in Bamako sein, sondern bei seiner Frau und | |
| vor allem bei seinen Leuten in Konna. Doch seit zwei Wochen sitzt Ibrahima | |
| Kampo, Chef dieses umkämpften Dorfes mitten in Mali, in der Hauptstadt | |
| fest, durch einen unglücklichen Zufall: Weihnachten und Silvester | |
| verbrachte der emeritierte Professor für Mathematik bei Freunden in | |
| Frankreich. | |
| Es war eine Reise, die schon länger geplant war. Am 9. Januar flog er | |
| zurück nach Bamako, zwei Tage später wollte er zu Hause bei seiner Frau in | |
| Konna ankommen. | |
| Seitdem hat der Ort traurige Berühmtheit erlangt. „Konna war in Mali als | |
| Handelszentrum bekannt, das an der wichtigen Straße zwischen Gao und Bamako | |
| liegt. Heute kennt es die ganze Welt“, sagt Kampo bekümmert. | |
| Denn jetzt ist Konna jener Ort, wo Frankreichs Armee die islamistischen | |
| Rebellen gestoppt habe, die offenbar auf dem Weg zum Flughafen Sévaré und | |
| vielleicht sogar Bamako einige hundert Kilometer weiter gewesen sein | |
| sollten. Der Aufschrei erfolgte am 10. Januar, als es hieß: Die Islamisten | |
| nehmen nun Konna ein. Nur einen Tag später schickte der französische | |
| Präsident François Hollande die ersten Truppen nach Mali. | |
| In den folgenden Tagen lieferten sich wahrscheinlich nicht nur Rebellen und | |
| Soldaten einen Kampf, sondern auch viele Medien eine Schlagzeilenschlacht. | |
| Mal hieß es, Konna sei endlich frei, dann wieder, Konna sei zurück in die | |
| Hände der Islamisten gefallen. Ein malisches Internetportal titelte sogar: | |
| Blutbad in Konna – mit Todesopfern. | |
| ## Falsche Informationen | |
| Ibrahima Kampo hat all das nur aus der Ferne verfolgt und sich mehr als | |
| einmal über die seltsamen und bisweilen falschen Informationen geärgert. | |
| „Man hat zum Beispiel gesagt, unser Gesundheitszentrum sei bombardiert | |
| worden. Aber das stimmt nicht. Das ist eine völlige Falschmeldung.“ | |
| Gleichzeitig wundert er sich, woher diese Nachrichten kommen. | |
| Denn wenn der 69-jährige Ortschef mit seiner Frau telefoniert, stellt sich | |
| die Lage ganz anders dar. „Meine Frau sagt, es ist in Ordnung. Die Menschen | |
| hätten zwar Angst. Aber physisch haben sie keinen Schaden genommen.“ | |
| Eine Ausnahme habe es allerdings gegeben: Anfangs hätten einige Bewohner | |
| versucht, sich auf die andere Seite des Niger-Flusses zu retten, an dem | |
| Konna liegt. Dabei seien drei Kinder ertrunken. | |
| ## Überprüfung kaum möglich | |
| Was der Dorfchef mit seiner Stadt erlebt hat, ist in Malis Krieg nicht | |
| ungewöhnlich. In der Hauptstadt Bamako, weitab der Kriegsfront, brodelt die | |
| Gerüchteküche. Einzelschicksale, die aus dem fernen Norden durchdringen, | |
| werden zum kollektiven Erlebnis erklärt. Überprüfen lässt sich all das, was | |
| zufällig in die Hauptstadt gelangt, kaum. | |
| Mitunter herrscht auch totale Funkstille. Eine Flüchtlingsfrau aus der | |
| größten nordmalischen Stadt Gao klagt darüber, dass sie seit Tagen nicht | |
| mehr mit ihrer Verwandtschaft im Norden sprechen konnte. „Diese Banditen | |
| haben alle Telefonleitungen gekappt.“ | |
| Gleichzeitig müssen – so scheint es – positive Meldungen verkündet werden. | |
| So hat der Chef der malischen Armee gegenüber dem französischen | |
| Auslandssender RFI gesagt: „In weniger als einem Monat werden die Städte | |
| Gao und Timbuktu zurückerobert sein.“ | |
| ## Erleichterung über Militärmission | |
| Malische Medien greifen das begierig als gesicherte Nachricht auf. Das ist | |
| gefährlich. Noch ist die Erleichterung über die französische | |
| Militärintervention zwar da. Doch die Stimmung könnte schnell kippen, wenn | |
| sich die Kämpfe über Monate hinziehen sollten. | |
| Ibrahima Kampo wünscht sich, dass die derzeit vom Militär gesperrte Straße | |
| nach Konna bald wieder freigegeben wird. „Sobald das möglich ist, fahre ich | |
| wieder nach Hause“, erklärt der Dorfchef, der sein Amt 2004 erbte, als sein | |
| Vater starb. | |
| Ein Dorfchef, der Kümmerer und Streitschlichter ist und für Frieden vor Ort | |
| sorgen muss, gehört schließlich in sein Dorf, sagt Ibrahima Kampo und | |
| seufzt: „Und wenn er wie ich jetzt nicht zu Hause ist, dann kann er auch | |
| nicht glücklich sein.“ | |
| 22 Jan 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Gänsler | |
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