# taz.de -- Islamisten in Mali: Zweite Front im Nachbarland | |
> Die malischen Islamisten versuchen, auch das benachbarte Niger zu | |
> destabilisieren. Ihr Ziel sind die Uranminen, die Frankreichs AKWs | |
> beliefern. | |
Bild: Malischer Soldat bei Sevare | |
NIAMEY taz | Der Ventilator an der Decke dreht quietschend seine Runden, | |
verliert aber den Kampf gegen die drückende Nachmittagshitze. Die Tür zu | |
dem kargen Hotelzimmer muss trotzdem geschlossen bleiben, denn der Mann auf | |
dem Plastikstuhl will bei dem Gespräch, das Ende September stattgefunden | |
hat, keine weiteren Zuhörer haben. | |
Ahmed (Name geändert) erzählt von Anschlagsplänen der malischen | |
Islamistengruppe Ansar Dine im Nachbarland Niger, in die er verwickelt | |
gewesen sei. Er hat als eine Art Doppelagent gearbeitet. Bis heute sitzt er | |
in Nigers Hauptstadt Niamey unter Hausarrest. | |
A. lebte früher in Tchitintagatt, gut 800 Kilometer nördlich von Niamey. | |
Seit zwei Jahren arbeitete er mit einem streng religiösen Aktivisten | |
zusammen, El Hadji Ahmoudou Ahalawaye, den manche ganz einfach „den | |
Verrückten“ nennen. „Ich sollte ihm helfen, eine islamistische Front | |
aufzubauen“, berichtet Ahmed. „Er vertraute mir, weil wir miteinander | |
verwandt sind. Vor allem kenne ich das Gelände von meinen Wanderungen mit | |
meinen Kamelen. Er wollte mich als Führer der bewaffneten Kämpfer | |
einsetzen.“ | |
Im August 2012 sei Ahmed mit El Hadji in die malischen Städte Kidal und Gao | |
gefahren, um von den damals dort herrschenden Islamistengruppen Ansar Dine | |
und Mujao (Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika) Geld für Waffen | |
zu erbitten. Die drei Tage in Mali hätten aber seine Einstellung zu den | |
Islamisten verändert. „Sie sind gewalttätig gegen alle, die sich ihrem | |
Willen nicht beugen“, berichtet er. Sie wirkten insgesamt ärmlich, und das | |
überraschte ihn: „In Niger kursiert das Gerücht, dass die bewaffneten | |
Gruppen ihren Kämpfern monatlich viel Geld bezahlen, aber seit ich in Mali | |
war, kann ich mir das nicht mehr vorstellen.“ | |
So habe sich Ahmed trotz der verlockenden Angebote von Ansar Dine | |
distanziert. „Dabei haben sie mir 50 Millionen Franc CFA (umgerechnet rund | |
75.000 Euro) dafür geboten, dass ich hier im Niger einen ersten Angriff | |
führe“, behauptet Ahmed. Er hätte als „Kopf“ der neuen Front von Ansar … | |
in Niger gelten sollen. | |
Das Ziel der ersten Attacke hätte mit Sicherheit für international Aufsehen | |
erregt: Imouraren, eine im Aufbau begriffene Uranmine des französischen | |
Staatskonzerns Areva in Niger, unweit von Ahmeds Heimatort Tchitintagatt. | |
„Wir sollten möglichst viele Ausländer kidnappen und an Ansar Dine | |
ausliefern, die dann viel Lösegeld für ihre Geiseln verlangt hätten.“ Im | |
September 2010 entführten Islamisten hier schon einmal sieben Mitarbeiter | |
von Areva beziehungsweise einem Subunternehmen und brachten sie nach Mali. | |
## Waffen aus Libyen | |
Nach dem ersten Coup sollte Ahmed das versprochene Geld bekommen und | |
anschließend junge nigrische Tuareg davon überzeugen, sich der „neuen Front | |
anzuschließen. „Aber seit ich in Mali war, wusste ich, dass ich das nicht | |
kann. Und wenn sie mir 100 Millionen Franc bieten würden.“ Bei dem Treffen | |
in Mali habe El Hadji aber tatsächlich Geld bekommen und sei damit nach | |
Libyen gefahren, um dort Waffen zu kaufen. Bei seiner Rückkehr nach Niger | |
sei er an der Grenze überfallen und seiner Waffen beraubt worden. | |
Was Ahmed erzählt, macht im Kontext von Tchitintagatt durchaus Sinn. Die | |
Siedlung gehört zu der Gemeinde Dannet, 18 Kilometer von der Uranmine | |
Imouraren entfernt. Hinter den wenigen Betongebäuden des Ortes beginnt die | |
Dornensavanne, deren staubige Kargheit das Leben hier prägt. In dieser | |
Gegend entsteht derzeit die zweitgrößte Uranmine der Welt. | |
Areva fördert im Joint Venture mit nigrischen Unternehmen in der Nähe von | |
Arlit seit Jahrzehnten in zwei Minen Uran. Nun sollen mitten in der Wüste | |
eine weitere riesige Tagebaugrube und ein gigantischer industrieller | |
Komplex entstehen, 200 Quadratkilometer groß. Künftig werden in Imouraren | |
jährlich 5.000 Tonnen Uran gefördert, viel mehr als derzeit in den beiden | |
bestehenden Minen zusammen. | |
## Rivalität der Klans | |
„Die Aussicht auf die Uranförderung schürt die Spannungen in der Region“, | |
meint Issiad Ag Kato, ein ehemaliger Minister für Viehzucht. Die Konflikte | |
seines Klans, also seiner aus Dannet stammenden Großfamilie, mit Ahmeds | |
Auftraggeber El Hadji Ahmoudou Ahalawaye und dessen Klan sind bekannt. Ag | |
Kato ist mit seiner Sicherheitsfirma einer der Subunternehmer von Areva. | |
„Aber manche hier meinen, nur sie selbst dürften mit den Franzosen | |
Geschäfte machen“, sagt Ag Kato und führt aus: „Jeder Klan wollte, dass | |
sein Dorf zum Hauptort der neuen Gemeinde Dannet erklärt wird, weil er sich | |
davon wirtschaftliche Vorteile versprach.“ | |
Die Konkurrenz könnte der Grund dafür sein, dass sein Rivale El Hadji unter | |
Malis Islamisten nach Verbündeten suchte. Die Rivalitäten betreffen aber | |
nicht nur diese beiden Familien. Durch die große Tagebaugrube werden viele | |
Tuareg ihre Lebensgrundlage verlieren: Dort, wo jetzt die Erde aufgerissen | |
wird, weiden sie heute noch ihre Tiere. Entschädigungen wurden bislang | |
nicht bezahlt, laut Areva finden aber mit Nigers Regierung Verhandlungen | |
statt. | |
„Wenn es ein Einfallstor für die bewaffneten Islamisten im Niger gibt, dann | |
ist das Dannet“, befürchtet deshalb Mano Aghali, Präsident der | |
Hilfsorganisation HED Tamat („Mensch, Umwelt, Entwicklung“), die unter | |
anderem mit deutscher Unterstützung „Friedensforen“ in den Gemeinden der | |
Region veranstaltet und vor Malis Islamisten warnt. | |
El Hadj wurde Ende Oktober vom nigrischen Militär verhaftet. Und seit | |
letzter Woche stehen die Areva-Minen in Niger nach Angaben des | |
Verteidigungsministeriums in Paris unter dem Schutz französischer | |
Spezialeinheiten. | |
29 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Bettina Rühl | |
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