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# taz.de -- Kommentar EU-Hilfe Nordafrika: Die letzte Chance
> Was tun in Nordafrika? Die EU sollte schleunigst der in die Defensive
> geratenen afrikanischen Zivilgesellschaft mit mehr Experten und Geld
> helfen.
Bild: Entwicklung sieht anders aus: französische Soldaten in Mali.
Der [1][Überfall der Islamisten in Algerien] und der [2][Krieg in Mali]
sind ein dramatischer Wendepunkt für die politische Landschaft ganz
Nordafrikas. Und der letzte Weckruf für Europa, seine Nachbarn südlich des
Mittelmeers intensiv zu unterstützen.
Zuvor fand die Auseinandersetzung mit den extremistischen Gruppierungen der
Sahara im Verborgenen statt. Täglich ist das Brummen der amerikanischen
Aufklärungsdrohnen über der libyschen, algerischen und malischen Wüste zu
hören. Die Überwachung kostet Unsummen und hat nicht viel gebracht.
Die mutig für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpfende
Zivilgesellschaft am Boden dagegen wird noch immer mit ein paar Workshops
und Konferenzen abgespeist. Aus Geldmangel und Mangel an Erfahrung mussten
viele liberale Medien und Nichtregierungsorganisationen ihre Arbeit in den
letzten Monaten einstellen.
Der nach dem Arabischen Frühling ausbleibende Flüchtlingsstrom nahm
europäischen Politikern den Handlungsdruck. Die EU kann sich zu keiner
einheitlichen Politik durchringen. Die Regierung in Paris konzentrierte
sich lieber darauf, ihre militärische Hilfe für die libysche Revolution in
Verträge für französische Firmen umzumünzen. Und die US-Regierung setzt
nach dem Mord an ihrem libyschen Botschafter auf ihr Militär, das aber
gegen in die Städte zurückgezogene Islamisten nichts machen kann.
## Unmengen von Waffen
Die islamistischen Gruppen hatten so alle Zeit, sich in Ruhe auf die
Ausweitung ihres Einflussgebiets vorzubereiten. Aus der ganzen Welt strömen
Extremisten in die gesetzlosen Gebiete Libyens und Malis, Unmengen von
Waffen aus dem Arsenal von Gaddafis früherer Armee stehen bereit. Diese
bedrohen zunächst die Werte und Vertreter von Freiheit und Demokratie in
Nordafrika. Und jetzt Europa direkt.
Wie es auch geht, zeigte die Schweizer Regierung, die kurz entschlossen
zwischen den Quasistaat Azawad in Nordmali und der Regierung in Malis
Hauptstadt Bamako vermittelte und die moderaten Kräfte der Tuareg einband.
Nach Angaben des Schweizer Staatssekretärs Yves Rossier standen die
Verhandlungen zwischen der laizistischen Tuareg-Gruppierung MNLA und der
Regierung Malis im Dezember kurz vor einer Lösung. Am Tag der geplanten
Vertragsunterzeichnung griff die islamistische Tuareg-Gruppierung Ansar
Dine den Süden Malis an. Die Verhandlungen gefährdeten ihre Machtposition.
Ansar Dine und die anderen islamistischen Gruppen wissen, dass sie der
Bevölkerung außer einer mittelalterlichen Form der Scharia nicht viel zu
bieten haben. Bürgerinitiativen und Regierungen, die sich um Transparenz,
Minderheitenrechte und Jobs kümmern, sind ihr größter Feind. Die
Tuareg-Bewegung MLNA in Mali und die Bürgerinitiativen in Bengasi haben
zwar keine militärische Macht, aber sie haben das, was im Kampf gegen die
islamistischen Terroristen viel entscheidender ist: eine Vision für die
Zukunft.
## Immer nordwärts
Europa hat bis jetzt im Saharakrisenmanagement kläglich versagt, obwohl die
Bevölkerungsmehrheit der dortigen Staaten nach Europa schaut. NGOs wie
„Transparency Libya“ orientieren sich an Aktivisten in Paris, London und
Berlin, nicht an den Herrschern in Riad und Doha.
Brüssel sollte schleunigst mit mehr Experten und Geld der in die Defensive
geratenen Zivilgesellschaft helfen. Schnelle Wirtschaftshilfe für die
Maghreb- und Saharastaaten müsste dabei mit Anforderungen für
Minderheitenrechte und Rechtsstandards verknüpft werden.
Stattdessen werden libysche Offiziere derzeit in Katar und bald in
Saudi-Arabien ausgebildet. Deren Herrscherhäuser nutzen die Unterstützung,
um ihre wahabitischen Weltanschauung in der moderaten muslimischen Welt
Nordafrikas zu verbreiten. Ihre Waffenlieferungen an religiöse Milizen
während der Revolution sind Mitursache für die jetzige Lage.
Die weitere Entwicklung des Saharakonflikts ist vorhersehbar. Viele der
rund 3.000 islamistischen Kämpfer werden wieder nordwärts ziehen, in die
kaum kontrollierte Sahararegion Libyens. Erst ab dem Sommer will die EU der
libyschen Regierung bei der Kontrolle der Grenzen helfen. Hilfe beim Aufbau
neuer Strukturen für Aktivisten und die Regierung ist aber jetzt nötig.
Jetzt oder nie.
23 Jan 2013
## LINKS
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## AUTOREN
Mirco Keilberth
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