# taz.de -- Wagner-Oper in Leipzig: Nicht nur Meistersinger | |
> Fast vergessen: Wagners Frühwerk „Die Feen“. Zur Eröffnung des | |
> Richard-Wagner-Jahres 2013 wurde die Oper in Leipzig entstaubt. | |
Bild: Der neue Wagner: Opulenz in bunten Strickjacken. | |
Niemand kommt daran vorbei: Richard Wagners Geburtsjahr 1813 macht 2013 | |
unausweichlich zum „Wagner-Jahr“. In seiner Vaterstadt Leipzig, im Ort | |
seiner alljährlichen Festspiele in Bayreuth und auch im Rest der Welt. Die | |
Branche und die Mediengesellschaft funktionieren so. Gemildert wird das nur | |
dadurch, dass der andere Musikheroe des 19. Jahrhunderts, Giuseppe Verdi, | |
im selben Jahr geboren wurde. | |
Für viele Opernhäuser in Deutschland ist das die Steilvorlage fürs große | |
Ringe-Schmieden. Wann, wenn nicht jetzt. Wagners alle Grenzen sprengender | |
Gold-Liebe-Macht-und-Untergangsvierteiler ist die Jubiläumsherausforderung, | |
der sich das Stadttheatersystem fast zwanghaft stellt. | |
Nicht nur in Berlin, München oder Frankfurt, auch in Mannheim, Halle, | |
Ludwigshafen oder in Dessau ist man pünktlich damit fertig geworden oder | |
fleißig dabei. Und das ist auch gut so, denn es fordert und trainiert die | |
Leistungsfähigkeit der Theater wie ein Langstreckenlauf den Kreislauf. | |
## Der neue "Ring der Nibelungen" | |
Auch bei den Bayreuther Festspielen wird es einen neuen „Ring des | |
Nibelungen“ geben. Kirill Petrenko stand als Dirigent schon lange fest. Bei | |
der Suche nach einem prominenten Regisseur kassierten die beiden | |
Festspielleiterinnen Eva und Katharina Wagner jede Menge Absagen – bis | |
endlich Volksbühnenchef Frank Castorf den Auftrag annahm. | |
Am liebsten hätte man natürlich einen neuen „Jahrhundert-Ring“. Wie den | |
Volltreffer von Patrice Cheréau und Pierre Boulez von 1976. Der führte | |
freilich nur die kapitalismuskritische Intention weiter, mit der kurz zuvor | |
Joachim Herz in Leipzig Furore gemacht hatte. | |
Schon damals korrespondierten Wagner-Eifer und -Kompetenz in Leipzig mit | |
denen in Bayreuth. Und umgekehrt. Auch beim aktuellen Großjubiläum hat | |
Bayreuth nach wie vor den Genius Loci der ununterbrochenen Wagner-Pflege | |
auf seiner Seite. Immerhin gibt es dort in diesem Jahr erstmals auch alle | |
drei Jugendwerke. Außerhalb der Festspiele und nur in Sichtweite des Grünen | |
Hügels. Aber immerhin. | |
## Leipzig tut sich schwer mit Wagner | |
Zu den frühen Stücken „Rienzi“ und „Liebesverbot“ steuert Leipzig eine | |
konzertante Aufführung seiner aktuellen „Feen“ bei. Die Geburtsstadt | |
Wagners, die sich in den letzten Jahren mit Eifer vor allem als Bach-Stadt | |
profilierte, tat sich mit ihrem großen Sohn etwas schwer. Dass man dort | |
einst seinen Erstling abgelehnt hatte, ist längst verjährt. | |
Der vom Revolutionär zum Königsfreund mutierte Komponist selbst hat die | |
Partitur später seinem königlichen Gönner Ludwig II. geschenkt. Und diesen | |
„Versuch“ klugerweise auf sich beruhen lassen. Erst fünf Jahre nach seinem | |
Tod konnte Witwe Cosima eine Uraufführung dann nicht mehr verhindern. | |
Die Chance, an den epochemachenden Herz-„Ring“ anzuknüpfen, hat die | |
kriselnde Oper Leipzig bei all der ausgeprägten Beschäftigung mit sich | |
selbst und ihrem Leitungspersonal in den letzten Jahren schlichtweg vertan. | |
Der neue Generalmusikdirektor und jetzt auch Intendant Ulf Schirmer hat | |
sich aber mit der erstaunlicherweise einzigen szenischen „Feen“–Produktion | |
der Spielzeit doch noch einen originellen Auftakt zum Jubeljahr einfallen | |
lassen. | |
Für ihn war das unüberhörbare Frühwerk des damals erst angehenden | |
zwanzigjährigen Komponistengenies am Pult des Gewandhausorchesters | |
Chefsache. In der abenteuerlichen Geschichte, über die Probleme, die | |
Menschenmänner mit Zauberfrauen haben, finden der Tenor, König Arindal, und | |
der Sopran, die Fee Ada, erst nach einem wüsten Auf und Ab zueinander. | |
## Mit jugendlichem Furor | |
Bei Ulf Schirmer macht der jugendliche Furor, mit dem sich Wagner bei | |
seinen Kollegen bedient und auf sich selbst zusteuert, Freude. Auch wenn | |
das heute wie eine Selbstparodie klingt. Szenisch bieten Renaud Doucet | |
(Regie) und André Barbe (Ausstattung) Opulenz mit ironischer Brechung. Mit | |
einem heutigen Wagner-Fan, der sich in einem Freiluft-Feenreich im | |
Biedermeierlook und inmitten einer Rittergeschichte wiederfindet. | |
Bevor man nun doch noch mit einem neuen „Ring“ anfängt (am 4. 5. | |
„Rheingold“, am 7. 12. „Walküre“), gibt es seit Januar in der Musikali… | |
Komödie einen „Ring für Kinder“. Im großen Haus wird sich die britische | |
Regisseurin Rosamunde Gilmore bei ihrer Version für Erwachsene, ob sie will | |
oder nicht, am legendären Herz-„Ring“ messen lassen müssen. Immerhin war | |
ihr Bühnenbildner Friedrich Oberle als Assistent damals mit von der Partie. | |
Daneben hat man eine spannende „Meistersinger“-Produktion im Repertoire. | |
Selbst die schwarz kostümierten Freaks des 22. Wave-Gotik-Treffens haben | |
sich diesmal bei ihrem traditionellen Ausflug in die Oper für „Parsifal“ | |
entschieden. | |
## Ob sich der Wagnerrummel lohnt? | |
Um den Geburtstag am 22. Mai herum finden dann Richard-Wagner-Festtage | |
statt, mit einem Richard-Wagner-Kongress, Ausstellungen, Konzerten und so | |
weiter. Zum Geburtstag selbst wird dann das Wagner-Denkmal von Stephan | |
Balkenhol den bislang einsamen Jugendstilsockel von Max Klinger seiner | |
eigentlichen Bestimmung zuführen. Es zeigt einen kleinen Mann mit großem | |
Schatten. Was ja gerade bei diesem Komponisten Sinn macht, dessen Nachleben | |
vor allem in der Nazizeit eine düstere Farbe bekommen hat. | |
Ob sich der ganze Wagnerrummel gelohnt hat, wird man am Ende des Jahres | |
sehen. Die notwendige Auseinandersetzung mit diesem wohl problematischsten | |
deutschen Komponisten bleibt gleichwohl eine Herausforderung. | |
19 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Joachim Lange | |
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